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16.07.2009 09:59

Die Gaue als Mittelinstanzen im "Dritten Reich"

Stephan Laudien Referat Öffentlichkeitsarbeit
Friedrich-Schiller-Universität Jena

    Historiker der Friedrich-Schiller-Universität Jena erforschen die Agrar- und Rüstungspolitik im Dienste des Krieges 1936-1945

    Jena (16.07.09) Das Dritte Reich wurde in nahezu allen Facetten erforscht. Doch noch immer gibt es Forschungsdesiderate, die es zu schließen gilt. Dazu gehört die Rolle der Gaue als Mittelinstanzen zwischen Partei- und Staatsstrukturen. Die Historiker Dr. Oliver Werner und Joachim Hendel von der Friedrich-Schiller-Universität Jena beginnen jetzt ein Forschungsprojekt, um die Rolle der Gaue genauer zu untersuchen. Das Projekt "Die NS-Gaue als Mobilisierungsstrukturen im Krieg" steht unter der Leitung des Jenaer Historikers Prof. Dr. Jürgen John und wird von der Deutschen Forschungsgemeinschaft zunächst für zwei Jahre mit 173.000 Euro gefördert.

    Vorausgegangen war Ende 2005 eine Tagung in Berlin, bei der Historiker das Thema der Gaustrukturen erstmals in den Blickpunkt rückten. Hierbei wurde deutlich, dass die Gaue nicht in regionaler Perspektive, sondern als mittlerer Teil des NS-Herrschaftssystems zu verstehen sind.

    "Wir richten unser Hauptaugenmerk auf zwei Bereiche: die Agrarpolitik und den Rüstungssektor", sagt Dr. Oliver Werner. Der 40-jährige Historiker widmet sich der Aufrüstungspolitik in Rüstungsbetrieben. Der Fokus liegt dabei auf Unternehmen, die als Schlüsselbetriebe in der Kriegsvorbereitung galten. Interessant seien Firmen, bei denen es zu personeller Verquickung zwischen Gauverwaltung und Betriebsleitung gekommen ist. Zugänge liefern sollen Quellen wie Briefe und andere Dokumente, die die Historiker u. a. in Unternehmensarchiven aufspüren wollen. "Wir möchten sehen, was sich für neue Quellen finden lassen", sagt Oliver Werner, "und analysieren, welche Rolle die Gaue bei der Kriegsvorbereitung und im Krieg gespielt haben". Aufschlussreich sei in diesem Zusammenhang, welche Branchen zentral bevorzugt wurden. Den Gauen kam dabei die Rolle einer "Sondergewalt" zu, da sie ursprünglich reine Strukturelemente der NSDAP waren, sich zunehmend jedoch mit staatlichen Aufgaben befassten und letztlich die staatlichen Stellen überformten.

    Joachim Hendel konzentriert sich auf die agrarpolitischen Kriegsfunktionen der Nationalsozialisten. Er untersucht beispielsweise, wie die Erfahrungen des Ersten Weltkriegs in die Kriegspläne eingeflossen sind. "Das Ziel war, über die eroberten Gebiete die Ernährung im Reich abzusichern", sagt Hendel. Es sei darum gegangen, die "Heimatfront" ruhig zu stellen, habe doch die Angst vor möglichen Hungerunruhen das Denken bis in höchste Kreise beherrscht. Es gab sogar wissenschaftlich fundierte Pläne, ganze Gebiete im Altreich auf dem Agrarsektor umzugestalten, weiß Hendel bereits. Dabei sollten agrarpolitische und rassehygienische Konzepte greifen - die "Blut und Boden"-Ideologie lag dem zugrunde. Akteure wie Konrad Meyer, Professor für Agrarwissenschaften in Jena und zugleich Leiter des Planungsamtes beim Reichskommissar für die Festigung des deutschen Volkstums, trieben die Pläne voran. Weitere maßgebliche Akteure wollen Werner und Hendel noch aufspüren.

    Bei ihrer Untersuchung beschränken sich die beiden Historiker der Universität Jena auf die Gaue im Gebiet der heutigen neuen Bundesländer, sogenannte Innerreichs-Gaue. Konkret geht es um die Gaue Thüringen, Sachsen, Halle-Merseburg, Magdeburg-Anhalt, Brandenburg und Mecklenburg. Mindestens zwei Jahre lang werden Hendel und Werner gemeinsam mit Hilfskräften an diesem Projekt arbeiten. Zudem sind Kooperationen mit Historikern in Potsdam und an der Universität Hannover vorgesehen. Während der Projektphase sind zwei Workshops geplant, am Ende soll es eine Konferenz geben, bei der vergleichende Perspektiven gesucht werden. Dafür bieten sich das faschistische Italien an, das Vichy-Regime in Frankreich oder die DDR mit ihrer Bezirksstruktur.

    Kontakt:
    Dr. Oliver Werner / Joachim Hendel, M.A.
    Historisches Institut der Friedrich-Schiller-Universität Jena
    Helmholtzweg 4, 07743 Jena
    Tel.: 03641 / 944484
    E-Mail: Oliver.Werner[at]uni-jena.de / JoachimHendel[at]gmx.net


    Weitere Informationen:

    http://www.uni-jena.de


    Bilder

    Die Jenaer Historiker Dr. Oliver Werner (r.) und Joachim Hendel erforschen die Rolle der NS-Gaue.
    Die Jenaer Historiker Dr. Oliver Werner (r.) und Joachim Hendel erforschen die Rolle der NS-Gaue.
    Foto: Stephan Laudien/FSU
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    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Geschichte / Archäologie
    überregional
    Forschungsprojekte
    Deutsch


     

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