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31.07.2009 10:19

Die schönste Zeit im Leben war der Krieg

Stephan Laudien Referat Öffentlichkeitsarbeit
Friedrich-Schiller-Universität Jena

    Historikerin der Universität Jena veröffentlicht Buch zur Rolle der Wehrmachthelferinnen

    Jena (31.07.09) Im NS-Staat war die Rolle der Frau klar definiert: Als Hausfrau und Mutter sollten die Frauen ihren Beitrag leisten. Gleichzeitig ging im Krieg die Zahl jener Frauen in die Millionen, die militärische und andere Hilfsdienste leisteten. Sie arbeiteten als Luftschutzwarndiensthelferinnen, Schwesternhelferinnen, Blockhelferinnen, Nachrichtenhelferinnen, Stabshelferinnen, Flakwaffenhelferinnen und in weiteren Bereichen. "Allein 500.000 Helferinnen waren im Lauf des Krieges bei der Wehrmacht beschäftigt", sagt Dr. Franka Maubach von der Friedrich-Schiller-Universität Jena. Die Historikerin hat die Rolle der Wehrmachthelferinnen untersucht. Die Ergebnisse ihrer Forschungen sind gerade erschienen im neuen Buch "Die Stellung halten. Kriegserfahrungen und Lebensgeschichten von Wehrmachthelferinnen".

    Franka Maubach wertete Tagebücher, Briefe und Fotos aus. Sie befragte zwischen 2002 und 2004 über 30 ehemalige Wehrmachthelferinnen. Frauen, die heute zwischen 80 und 90 Jahren alt sind. Ihr verblüffendes Fazit: Die Frauen in den besetzten Westgebieten erinnern sich an ihre Einsätze als die schönste Zeit im Leben. "Sie waren jung, ungebunden, hatten keine Kinder und verlebten ihre Jugend im Krieg", sagt Maubach. So hat die Historikerin schwärmerische Berichte gehört, von Reisen in den besetzten Ländern wie Frankreich oder Holland, vom Wohnen in schönen Häusern und immer wieder von der eigenen Rolle als Helferin der Wehrmacht. "Die Frauen trugen Uniformen und konnten Zivilisten in den besetzten Ländern Befehle erteilen", sagt Maubach. Ergo übten die Frauen Macht aus, was sie offenbar weidlich genossen. Die Frauen in den Ostgebieten hingegen waren häufig wesentlich schneller ernüchtert, da sie weniger luxuriös lebten, die Brutalität gegen die Zivilbevölkerung alltäglich erlebten und nach 1943 permanent auf dem Rückzug waren.

    Gefunden hat Franka Maubach ihre Gesprächspartnerinnen dank ihrer Studenten und über die Kameradschaften der ehemaligen Wehrmachthelferinnen, die bis heute bestehen. Diese regelmäßigen Treffpunkte waren den Frauen sehr wichtig, da es sich de facto um einen geschützten Raum handelt, in dem die Erfahrungen der Kriegszeit ihren eigenen Wert hatten. Einen Wert, der "draußen" verloren gegangen war. Denn mit dem Ende des Krieges hatten sich die Frauen wieder "verwandelt", waren ins zivile Leben und ihre alten Rollen zurückgekehrt. Was nicht unproblematisch war, wie Franka Maubach erfahren hat: "Viele Frauen, besonders in höheren Positionen, hatten Mühe, einen Mann zu finden, eine Familie zu gründen." Sie seien gewissermaßen "im Krieg hängen geblieben", was Maubach mit dem Begriff der "fortgesetzten Ledigenschaft" umschreibt. Mit dem Verlust der Macht ging offenbar ein Verlust an Selbstwertgefühl einher. Zudem sahen sich die Frauen mit dem Vorwurf konfrontiert, sie hätten sich an der Front Männer "angeln" wollen oder gar als "Offiziersmatratzen" gedient. "Diese Vorwürfe wiegen für die meisten fast schwerer als der Vorwurf der Mittäterschaft", konstatiert Maubach.

    Zwar arbeiteten die meisten Wehrmachthelferinnen in Büros oder Telefonzentralen, doch wurden zahlreiche Helferinnen in den besetzten Ostgebieten mit der nationalsozialistischen Verfolgungs- und Mordpolitik konfrontiert. "Während der Interviews überlegten besonders die Frauen, die damals als verantwortliche Führerinnen gearbeitet hatten, ganz genau, was sie mir sagten", so Maubach. Viele andere aber gaben offen zu, dass sie in den Krieg ziehen wollten. Doch Einsätze an der Waffe gab es in der Regel nicht, ausgenommen die Flakhelferinnen, die in der Endphase des Krieges die Suchscheinwerfer der Flakbatterien bedienten und so direkt in die Kämpfe involviert waren.

    Franka Maubach hat ein weitgehend unbekanntes Kapitel des NS-Regimes erforscht und ein spannendes Buch darüber verfasst. Es beleuchtet eine Facette der totalen Mobilisierung, die in den totalen Krieg mündete.

    Bibliographische Angaben:
    Franka Maubach: Die Stellung halten. Kriegserfahrungen und Lebensgeschichten von Wehrmachthelferinnen, Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 2009, 349 Seiten, Preis 46,90 Euro, ISBN 978-3-525-36167-2

    Kontakt:
    Dr. Franka Maubach
    Historisches Institut der Friedrich-Schiller-Universität Jena
    August-Bebel-Straße 4, 07745 Jena
    Tel.: 03641 / 944409 oder 944450
    E-Mail: maubi[at]gmx.de / franka.maubach[at]uni-jena.de

    Hinweis für die Medien:
    Rezensionsexemplare sind erhältlich bei:
    Karen Saure
    Öffentlichkeitsarbeit
    Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG
    Robert-Bosch-Breite 6, 37079 Göttingen
    E-Mail: k.saure[at]v-r.de


    Weitere Informationen:

    http://www.uni-jena.de


    Bilder

    Cover des neuen Bandes.
    Cover des neuen Bandes.

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    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Geschichte / Archäologie
    überregional
    Wissenschaftliche Publikationen
    Deutsch


     

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