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08.06.2010 17:26

Wie kommerziell darf die Fußball-Nationalmannschaft sein?

Dieter Hintermeier Pressestelle
accadis Hochschule Bad Homburg

    Am Freitag beginnt endlich die Fußball-Weltmeisterschaft in Südafrika. Und ausgerechnet vor diesem Zeitpunkt kriselte es vor wenigen Wochen zwischen der Nationalmannschafts-Führung und dem DFB. Der Anlass: Ein Vertrags- und Gehaltspoker, dessen Details durch Indiskretionen an die Öffentlichkeit gelangten. In der Folge war plötzlich die Kommerzialisierung der Nationalmannschaft im Mittelpunkt allen Interesses.

    Ein Blick in die Haushaltsplanung des Verbandes für das Jahr 2010 zeigt die Bedeutung des Nationalteams. So kalkuliert der DFB mit Einnahmen aus Spielbetrieb und Fernsehen – hierunter fallen die Spiele der verschiedenen DFB-Teams, allen voran die der A-Nationalmannschaft, und des Pokalwettbewerbs – mit rund 12 Millionen Euro. Addiert man diese umsatzträchtigen Positionen, belaufen sich diese auf rund 58 Millionen Euro, und das bei einem Gesamt-Budget von gut 72 Millionen Euro. Diese Investitionen wären ohne die Nationalmannschaft für den DFB nicht darstellbar. „Das Team ist das Aushängeschild und spielt die größte Rolle im Konzert der DFB-Mannschaften und des DFB-Pokalwettbewerbs“, sagt Stephan Schroeder, Fußball- Experte und Member of Management des renommierten internationalen Vermarkters Sport+Markt aus Köln. Nach seiner Auffassung, ist die Nationalmannschaft auch das zentrale Instrument, wenn es darum geht, Sponsoren für den DFB zu gewinnen.So ist beispielsweise Mercedes der wichtigste und potenteste Partner des DFB. Nach Meinung von Experten lässt sich der Autohersteller dieses Engagement jährlich zehn Millionen Euro kosten.

    Von dem überaus positiven Image der Nationalmannschaft profitiert natürlich auch der Verband. So gehen aktuell 74 Prozent der fußballinteressierten Bundesbürger davon aus, dass sich der DFB „um den Nachwuchs kümmert“. Vor wenigen Jahren waren es noch (nur) 59 Prozent. „Die Mannschaft spricht Premium-Marken an“, erklärt Schroeder und verweist dabei auf den japanischen Elektronikkonzern Sony, der ebenfalls zu den Top Sponsorpartnern des DFB zählt.

    Die Entwicklung zur Kommerzialisierung der Nationalmannschaft beobachtet der Fußball-Experte nicht erst seit der Fußball-WM 2006 in Deutschland. „Diese Tendenzen gibt es schon länger und sind nicht die Erfindung von Nationalmannschafts- Manager Oliver Bierhoff. Er hat das fortgesetzt, wasseine Vorgänger bereits gemacht haben“, sagt Schroeder.

    Im Gegensatz zum Sponsoring, so der Fußball-Experte weiter, sei die Kommerzialisierung in den Stadien bei Länderspielen „nicht so ausgeprägt“. Dies wertet Schroeder als positives Phänomen, da sich die Nationalmannschaft von „normalen“ Bundesligaclubs auch in kommerzieller Hinsicht unterscheiden müsse. Dass Proficlubs ihr Vermarktungspotenzial voll ausschöpften, liege an wirtschaftlichen Notwendigkeiten. So müssten die Profivereine mit hohen Kosten, beispielsweise durch teure Spielerverpflichtungen und hohe Personalkosten verursacht, kalkulieren, um in ihren Ligen wettbewerbsfähig zu bleiben.

    Bei der Nationalmannschaft besteht dieser Kostendruck (noch?) nicht, deshalb braucht der DFB per se nicht jede Vermarktungslücke für das Team zu erschließen. Und zuviel Werbung kann außerdem kontraproduktiv sein, denn der Verband ist aus Image- und Positionierungsgründen gezwungen, einen Ausgleich zwischen

    Die Vermarktung der Nationalelf verfolgt Theo Zwanziger, Präsident des DFB, kritisch. Der Fußball müsse bei allem, was er aus seiner Wirtschaftskraft heraus tun könne, immer bedenken, wo er her kommt. Das seien nämlich die „kleinen Leute“, die ihn geprägt hätten. Vor dem Hintergrund dieser Aussage des DFB-Chefs ist es interessant, sich die aktuelle ökonomische Situation im deutschen Profi-Fußball und der Nationalmannschaft genauer anzusehen.

    Diese ist gekennzeichnet durch einen prinzipiell nicht aufzulösenden Widerspruch zwischen Bundesliga und dem DFB. So sind die Proficlubs an leistungsstarken Teams interessiert, die nach dem Bosmann-Urteil in der Mehrzahl mit ausländischen Spielern besetzt sein können. Auf der anderen Seite ist der DFB an einem wettbewerbsfähigen Nationalteam interessiert, das möglichst viele Matches absolviert, um als wichtigste Einnahmequelle einen erheblichen Beitrag für die Finanzierung des Verbandes zu leisten.

    Auf Grund dieser unterschiedlichen Interessenslagen kann sich – aus Ligasicht – im Extremfall die Frage stellen, ob es überhaupt noch zielführend ist, eine Nationalmannschaft zu haben, wenn es doch zur Identifikation international sehr leistungsstarke Vereinsteams gibt? Oder man kann – aus DFB-Sicht – die entgegengesetzte radikale Überlegung verfolgen: Ist es nicht sinnvoller, die A-Mannschaft aus dem DFB auszugliedern, wie es mit der Bundesliga bereits geschehen ist? Position vermutlich deutlich mehr Einnahmen generieren, von denen letztlich auch der DFB profitieren würde. Die Diskussion um die Ausgliederung der Nationalelf als Kapitalgesellschaft ist seit der Gründung der Deutschen Fußball Liga immer wieder einmal Thema in der Branche. Derartige „Abwerbeversuche“hat der DFB bislang immer kategorisch abgelehnt. Er will die Macht über sein wichtigstes Asset nicht abgeben – das ist verständlich, aber nicht zwangsläufig zeitgemäß.
    Dieter Hintermeier

    Dieser Beitrag ist auch in der Zeitschrift accadis "denkpunkt" erschienen


    Weitere Informationen:

    http://www.accadis.com


    Bilder

    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Sportwissenschaft, Wirtschaft
    überregional
    Buntes aus der Wissenschaft, Wissenschaftliche Publikationen
    Deutsch


     

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