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22.07.2001 18:27

Therapie-Empfehlungen bei Kopfschmerzen im Kindesalter

Dipl. Biol. Barbara Ritzert Pressearbeit
Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften

    (Regensburg) Zum ersten Mal veröffentlicht die Deutsche Migräne- und Kopfschmerzgesellschaft (DMKG) auf der Grundlage klinischer Studien und Erfahrungen von Spezialisten Empfehlungen zur Therapie und Prophylaxe von Kopfschmerzen im Kindesalter.

    Seit Jahren beobachten Experten, dass Kopfschmerzen bei Kindern häufiger werden. Schon im Vorschulalter sind 20 Prozent betroffen, bis zum Ende der Grund-schulzeit mehr als die Hälfte. Eine Untersuchung an fast 7000 Schülern belegt, dass bis zum 12. Lebensjahr rund 90 Prozent der Kinder Kopfschmerzerfahrung haben. Etwa 60 Prozent dieser Kinder kennen Spannungskopfschmerzen und bis zu zwölf Prozent leiden an Migräne.

    Die Expertengruppe der DMKG um Priv. Doz. Dr. Stefan Evers von der Klinik für Neurologie der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster betont, "dass wiederkehrende und chronische Kopfschmerzen im Kindesalter frühzeitig, grundlegend und wirksam behandelt werden müssen." Denn eine unkontrollierte Selbstmedikation kann auch schon bei Kindern einen medikamentenbedingten Dauerkopfschmerz und andere Analgetika-bedingte Folgeschäden verursachen.

    Zur Diagnostik: Kopfschmerzkalender führen

    Damit eine angepasste Behandlung eingeleitet werden kann, sollten Kind und Eltern zunächst getrennt voneinander für vier bis sechs Wochen einen Kopfschmerzkalender führen. Festgehalten werden darin Dauer und Stärke der Schmerzen, Begleitsymptome, mögliche Auslöser und die Medikation. Allein dadurch kommen die Betroffenen oft individuellen Auslösern auf die Spur. Werden diese gemieden, bessern sich die Attacken.

    Therapie von Migräne-Attacken

    Bei leichten Migräne-Attacken hilft es häufig schon, wenn sich die Kinder in einem abgedunkelten, ruhigen Raum hinlegen. Ein kalter Lappen auf der Stirn und Pfefferminzöl, das an Schläfe, Scheitel und Nacken sanft eingerieben wird, können leichte bis mittelstarke Kopfschmerzen effektiv lindern. Wenn es nicht ohne Medikamente geht, empfehlen die Experten Ibuprofen (10 Milligramm pro Kilo Körpergewicht) und Paracetamol (15 Milligramm pro Kilo Körpergewicht). Vor dem Analgetikum sollten die Kinder ein verschreibungspflichtiges Mittel gegen Übelkeit und Erbrechen (Domperidon) einnehmen.
    Bei schweren Attacken, die auf diese Behandlung nicht ansprechen, sollte das Kind einem Kopfschmerzspezialisten vorgestellt werden, der im Einzelfall weitere Medikamente einsetzen kann, etwa das Migränemittel Sumatriptan als Nasenspray.

    Auch wenn gelegentliche Spannungskopfschmerzen durch nicht-medikamentöse Maßnahmen nicht besser werden, empfehlen die Experten Ibuprofen und Paracetamol. Die verschreibungspflichtige Substanz Flupirtin kann zusätzlich eingesetzt werden.

    Vor allem bei Spannungskopfschmerzen, aber auch bei Migräne, kann der Arzt ein TENS-Gerät zur Selbstbehandlung verordnen. Bei diesem Verfahren können Kinder bereits ab dem 6. Lebensjahr ein bis zweimal täglich für 30 bis 40 Minuten sich selbst behandeln. Dazu werden Elektroden im Nackenbereich aufgeklebt. Ein batteriebetriebenes Gerät liefert sanfte Ströme, die ein Kribbeln erzeugen. Dadurch werden wahrscheinlich körpereigene schmerzunterdrückende Systeme aktiviert.

    Vorbeugen ist wichtig

    Damit Kopfschmerzen erst gar nicht auftreten, sind prophylaktische Maßnahmen besonders wichtig. Dazu gehören simple Dinge wie regelmäßige Bewegung an der frischen Luft und regelmäßige Schlaf- und Essenszeiten. Hilfreich sind auch Entspannungsverfahren, etwa die progressive Muskelrelaxation nach Jacobson und Fantasiereisen. Bei chronischen Spannungskopfschmerzen sowie stärkeren und häufigen Migräne-Attacken empfehlen die Experten zur Vorbeugung Biofeedback-Verfahren sowie verhaltensmedizinische Programme, bei denen die Kinder etwa Stress- und Schmerzbewältigung einüben und lernen, Reize besser zu verarbeiten.
    Allerdings werden diese komplexen Strategien nur an wenigen spezialisierten Zentren derzeit angeboten.
    In Einzelfällen kann bei der Migräne auch eine medikamentöse Prophylaxe erfolgreich sein. Kopfschmerz-Experten setzen dazu etwa die Betablocker Metoprolol oder Propranolol sowie den Kalzium-Antagonisten Flunarizin ein.

    Es gibt Hinweise, dass eine oligoantigene Ernährung insbesondere bei Kindern mit häufigen Migräne-Attacken (wenigstens einmal pro Woche) und weiteren Begleitsymptomen Häufigkeit und Schwere der Anfälle reduzieren kann. Jedoch muss in jedem Fall individuell ausgetestet werden, ob der Verzicht auf bestimmte Nahrungsmittel, etwa Kuhmilch, Schokolade, Eier, Käse und Schweinefleisch oder die Meidung von Konservierungs- und Lebensmittelfarbstoffen die Migräne tatsächlich bessert.

    Ob Kinder von einer Akupunkturbehandlung profitieren, ist wissenschaftlich noch nicht gesichert. Darum sehen die DMKG-Experten sowohl bei der Ernährungsberatung als auch bei der Akupunktur weiteren Forschungsbedarf.

    Quelle: Therapie idiopathischer Kopfschmerzen im Kindesalter
    Empfehlungen der Deutschen Migräne- und Kopfschmerzgesellschaft
    Stefan Evers, Raymund Pothmann, Michael Überall, Emil Naumann, Wolf-Dieter Gerber

    Die Empfehlungen werden in den nächsten Wochen in mehreren Fachzeitschriften (u.a. "Nervenheilkunde" und "Der Schmerz") veröffentlicht. Sie sind ab sofort auch auf der Homepage der DMKG verfügbar unter www.dmkg.de.

    Auf der Homepage stehen in der Rubrik "Patienten" auch ausführliche Informationen zum Downloaden für Eltern mit Fragebögen für Eltern und Kinder zur Verfügung, die dem Arzt die Diagnostik erleichtern.

    Gegen Einsendung eines Verrechnungsschecks über sechs Mark ist ein Migräne-Kalender für Kinder erhältlich bei: Deutsche Schmerzhilfe e.V. Sietwende 20, 21720 Grünendeich

    Die Symptome einer Migräne im Kindesalter
    o Die Migräne bei Kindern ähnelt der von Erwachsenen, doch es gibt auch einige Unterschiede:

    o Ein Kind, das unter einer akuten Migräneattacke leidet, hört meistens auf zu spielen oder zu lernen, ist blass, möchte sich hinlegen und vielleicht auch schlafen

    o Typisch ist auch, dass das Kind im Laufe einer Attacke einschläft und nach kurzer Zeit weitgehend ohne Beschwerden wieder aufwacht

    o Der pulsierende oder pochende Schmerz ist - im Gegensatz zur Migräne bei Erwachsenen - zumeist nicht nur auf eine Kopfseite beschränkt, sondern betrifft beide Seiten und die Stirn

    o Die Attacken sind kürzer als bei Erwachsenen, dauern manchmal nur zwei Stunden oder sind möglicherweise noch kürzer

    o Bei den Migräne-typischen Begleiterscheinungen (Übelkeit, Erbrechen, Lärm- und Lichtempfindlichkeit) stehen vor allem Übelkeit und Erbrechen bei Kindern häufig im Vordergrund.

    o Bei manchen Kindern äußert sich die Migräne in Form von regelmäßig auftretenden Schwindelattacken mit Übelkeit und Erbrechen, ohne Kopfschmerzen. Diese Beschwerden werden von Experten als "Migräne-Vorstufen" interpretiert, da die betroffenen Kinder oft in späteren Jahren eine Migräne entwickeln. Solche Beschwerden müssen auf jeden Fall ärztlich abgeklärt werden, um andere Ursachen auszuschließen.

    o Auch bei Kindern kann es kurz vor einer Attacke zu neurologischen Ausfällen, der so genannten Aura, kommen. Dazu gehören Flimmersehen oder Lichtblitze vor den Augen, Gefühlsstörungen in Händen und Armen oder Sprachstörungen. Oft berichten die Kinder von "phantastischen Bildern" (Alice im Wunderland- Syndrom)

    Symptome des Spannungskopfschmerzes
    o Im Gegensatz zur Migräne gibt es bei Spannungskopfschmerzen keine Unterschiede zwischen Kindern und Erwachsenen

    o Der Schmerz ist dumpf-drückend bis ziehend und nicht pulsierend

    o Der Schmerz tritt zumeist auf beiden Seiten des Kopfes auf (Er breitet sich häufig vom Nacken zur Stirn oder von der Stirn zum Nacken aus und zieht auch die Augen oder Wangen in Mitleidenschaft.)

    o Der Schmerz ist von leichter bis mäßiger Intensität

    o Der Schmerz wird bei körperlicher Bewegung nicht stärker

    o die Migräne-typischen Symptome wie Übelkeit, Erbrechen, Licht- Lärm- und Geruchsempfindlichkeit fehlen. Gelegentlich kann eine leichte Übelkeit auftreten.

    Was tun, wenn das Kind Kopfschmerzen hat:
    Tipps der DMKG für Eltern
    o Harmlose und gelegentliche Kopfschmerzen lassen rasch nach, wenn Kinder Zuwendung und Ruhe erhalten. Es genügt, wenn Sie in einem solchen Fall Ihr Kind beobachten.

    o Ein Arztbesuch ist erforderlich
    - wenn das Kind regelmäßig oder immer wieder Kopfschmerzen hat, damit eine korrekte Diagnose gestellt und eine Behandlung eingeleitet werden kann

    - wenn einfache Maßnahmen (Ruhe, Schlaf, ein kühles Tuch auf der Stirn, eine sanfte Massage mit Pfefferminzöl) keine Linderung bringen und die Schmerzen länger als zwei Stunden anhalten

    - wenn der Arzt bei ihrem Kind bereits Spannungskopfschmerzen oder Migräne diagnostiziert hat, die Attacken aber häufiger und stärker werden, wenn neue Symptome hinzukommen oder sich die Art der Schmerzen ändert, wenn Krampfanfälle auftreten oder die bisherige Behandlung nicht mehr wirksam ist

    o Bitte keine Selbstmedikation
    Medikamente, auch freiverkäufliche Analgetika, sollten immer nur nach Absprache mit dem Arzt eingesetzt werden.

    o Kopfschmerzen können auch Symptom einer anderen Erkrankung sein
    Kopfschmerzen können durch Erkältungen, Kopfverletzungen sowie nicht korrigierte Fehlsichtigkeit oder Kieferfehlstellungen verursacht werden.

    Lebensbedrohliche Ursachen sind zwar selten, aber Sie sollten umgehend einen Arzt konsultieren
    - wenn der Schmerz urplötzlich und heftig einsetzt
    - wenn das Kind zusätzlich hohes Fieber hat
    - wenn das Kind den Kopf nicht beugen kann (Nackensteife)
    - wenn das Kind ungewohnt stark erbricht
    - wenn das Kind starke Benommenheit zeigt
    - wenn erstmalig ein Krampfanfall auftritt
    - wenn erstmals neurologische Symptome wie Seh- und Sprachstörungen, Schwäche in Armen und Beinen oder eine Gangunsicherheit auftreten und länger als eine Stunde anhalten

    Pressestelle:
    Barbara Ritzert, ProScientia GmbH
    Andechser Weg 17; 82343 Pöcking
    Tel.: (08157) 93 97-0, Fax: (08157) 93 97-97
    e-mail: ritzert@proscientia.de


    Weitere Informationen:

    http://www.dmkg.de


    Bilder

    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Ernährung / Gesundheit / Pflege, Medizin, Psychologie
    überregional
    Forschungsergebnisse, Wissenschaftliche Publikationen
    Deutsch


     

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