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Monoklonale IgA Antikörper könnten neue Perspektiven in der Krebstherapie eröffnen. Das vermuten Thomas Valerius und Michael Dechant von der Universität Kiel. Derzeit werden bei Tumorpatienten ausschließlich Antikörper aus der Gruppe der Gammaglobuline (IgG) verwendet. In der natürlichen Immunabwehr spielen jedoch die Antikörper der Kategorie IgA eine mindestens ebenso wichtige Rolle. Ob sich IgA Antikörper auch für therapeutische Zwecke eignen, wurde bisher kaum untersucht, weil deren molekulare Struktur und das chemische Verhalten komplexer ist als bei den IgG Antikörpern. Die Kieler Forscher wollen diese Lücke schließen und IgA Antikörper für die Tumortherapie entwickeln.
Aufgrund ihrer zumeist hohen Spezifität für bösartige Zellen sind Antikörper im Vergleich zu konventioneller Chemotherapie häufig besser verträglich. Antikörper sorgen für Ordnung im Körper: Sie bewirken, dass fremde, kranke oder abgestorbene Zellen und Partikel unschädlich gemacht und entsorgt werden. In Tumorzellen können monoklonale Antikörper zum Beispiel ein Selbstmordprogramm (Apoptose) starten oder Signalwege hemmen. Zentral ist ihre Bedeutung als Wegweiser für die Immunzellen des Körpers: Antikörper markieren diejenigen Zellen und Partikel, die anschließend von spezialisierten Immunzellen, etwa den Fresszellen (Makrophagen), vernichtet werden.
Mehrere Studien legen nahe, dass bestimmten Immunzellen, zum Beispiel Makrophagen und Granulozyten zur therapeutischen Effizienz von Antikörpern beitragen. Die Kieler Arbeitsgruppen konnte zeigen, dass vor allem IgA Antikörper zu einer effektiven Rekrutierung dieser Immunzellen führen.
Bei der Produktion und Aufreinigung von IgA Antikörpern sind im Vergleich zu IgG Antikörpern einige Besonderheiten zu beachten. Der Arbeitsgruppe um Thomas Valerius und Michael Dechant ist es gelungen, Methoden zu entwickeln, um ausreichende Mengen an hochreinen gentechnisch erzeugten IgA Antikörpern für präklinische Versuche zu erhalten. Die Kieler Forscher sind in der Lage, diese sogenannten rekombinanten IgA Antikörper gegen beliebige Zielstrukturen zu produzieren und aufzureinigen.
Bevor sich die derzeit produzierten IgA Moleküle allerdings therapeutisch einsetzen lassen, müssen sie noch speziell angepasst werden. IgA Antikörper sind an ihrer Oberfläche komplexer gestaltet als IgG Antikörper. Darüber hinaus neigen sie zu spontanen Reaktion untereinender. Nicht zuletzt wegen dieser molekularen Eigenschaften schien es bisher als zu aufwändig, rekombinante IgA Antikörper für die klinische Anwendung zu entwickeln. Im Rahmen eines von der Wilhelm Sander-Stiftung geförderten Projekts wollen die Kieler Experten dies nun ändern. Ihr Ziel ist es die Antikörper entsprechend zu optimieren und funktionell zu testen.
Zunächst will die Arbeitsgruppe die Antikörper auf ein Eiweiß abrichten, das in verschiedenen Tumorarten besonders aktiv ist: den „Epidermal Growth Factor Receptor“ (EGFR). Dieser Rezeptor spielt eine wichtige Rolle in der Organentwicklung, kann aber auch dazu führen, dass Tumorzellen unkontrolliert wachsen und sich vermehren. Für Antikörper ist der EGFR gut angreifbar, weil er aus der Zelloberfläche heraus ragt. Bislang sind nur monoklonalen Antikörper aus der Kategorie der Immunglobuline G (IgG) zur Immuntherapie von Tumoren mit hoher EGFR-Aktivität zugelassen – die Präparate: Cetuximab und Panitumumab.
Professor Thomas Valerius, leitender Oberarzt am Universitätsklinikum Schleswig-Holstein fasst das Forschungsvorhaben zusammen: „Unser Forschungsprojekt soll dazu beitragen, die Wirkmechanismen therapeutischer Antikörper besser zu verstehen. Ziel ist es letztlich, deren klinische Effizienz zu steigern. IgA Antikörper spielen dabei offenbar auch eine wichtige Rolle. Deshalb wollen wir nun die Voraussetzung für deren klinischen Einsatz schaffen, indem wir im Labor monomere IgA Moleküle gegen ein Eiweiß entwickeln, das eine zentrale Funktion bei der Tumorbildung übernimmt – den Epidermal Growth Factor Receptor, kurz EGFR genannt.“
Die Projektleiter arbeiten an der Sektion für Stammzell- und Immuntherapie der Medizinischen Klinik II (TV) und der Medizinischen Klinik IV (MD) des Universitätsklinikums Schleswig-Holstein, Campus Kiel und an der Christian-Albrechts Universität Kiel.
Kontakt:
Prof. Dr. med. Thomas Valerius, II. Medizinische Klinik Sektion für Stammzell- und Tumortherapie, Christian-Albrechts-Universität, Schittenhelmstraße 12, 24015 Kiel
E-Mail: t.valerius@med2.uni-kiel.de
Die Wilhelm Sander-Stiftung fördert dieses Forschungsprojekt mit über 180.000 Euro. Stiftungszweck der Stiftung ist die medizinische Forschung, insbesondere Projekte im Rahmen der Krebsbekämpfung. Seit Gründung der Stiftung wurden dabei insgesamt über 190 Mio. Euro für die Forschungsförderung in Deutschland und der Schweiz bewilligt. Die Stiftung geht aus dem Nachlass des gleichnamigen Unternehmers hervor, der 1973 verstorben ist.
Weitere Informationen zur Stiftung: http://www.wilhelm-sander-stiftung.de
Merkmale dieser Pressemitteilung:
Biologie, Medizin
überregional
Forschungsergebnisse, Forschungsprojekte
Deutsch
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