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30.06.2010 13:07

Vom scharfen Denken und dem Glück der Würfel

Stephan Laudien Stabsstelle Kommunikation/Pressestelle
Friedrich-Schiller-Universität Jena

    Informatiker Jakob Erdmann untersucht an der Universität Jena den Charakter von Spielen

    Jena (30.06.10) Wer eine Partie Backgammon gewinnen möchte, der muss kluge strategische Entscheidungen fällen und benötigt zudem eine Portion Glück im Spiel. Das Glück ist notwendig, weil die Züge des Spielers maßgeblich von den Würfeln abhängen. Doch wer entscheidet, ob es sich bei einem Spiel generell um ein Strategie- oder ein Glücksspiel handelt? „Die Bandbreite ist enorm. Sie reicht vom reinen Glücksspiel wie Roulette bis zum Strategiespiel par excellence, dem Schach“, sagt Jakob Erdmann. Der 29-jährige Diplom-Informatiker steht kurz vor dem Abschluss seiner Promotion bei Prof. Dr. Ingo Althöfer an der Friedrich-Schiller-Universität Jena. Erdmanns Arbeit trägt den Titel: „The Characterization of Chance and Skills in Games“, also etwa „Zur Einordnung von Glück und Strategie in Spielen“.

    Um Aussagen zur Charakteristik von Spielen treffen zu können, war es zunächst notwendig, ein Spielmodell zu entwickeln. Es entstand in Anlehnung an „EinStein würfelt nicht“, ein Spiel, das Ingo Althöfer entwickelt hat. Jakob Erdmann erstellte einen Spielbaum, also ein Modell, das Spielzüge abbildet und die darauf folgenden potenziellen Züge einbezieht. „Ich habe nur Spiele betrachtet, bei denen die Bäume endlich sind“, sagt Erdmann. Außerdem nutzte er ein Modell, bei dem alle Spieler den gesamten Spielzustand kennen. Ein Spiel wie Poker lässt sich damit nicht abbilden.

    Mit dem Modell mussten nun viele Runden absolviert werden, um belastbare Aussagen treffen zu können. Ungefähr 20 Millionen Partien waren dazu notwendig. Also kam natürlich der Computer im Wortsinne ins Spiel. „Für ein komplexes Spiel wie Backgammon hätten meine Ressourcen nicht ausgereicht“, sagt Erdmann. Um für Backgammon zu verwertbaren Ergebnissen zu kommen, hätte ein normaler PC etwa fünf Jahre rechnen müssen.

    Mit seinem abstrakten Modell lassen sich generalisierend Aussagen zum Charakter von Spielen treffen. Zu den entscheidenden Einflussgrößen gehören dabei die Spieler. Jakob Erdmann verdeutlicht das an einem Beispiel: Treffen zwei Kinder für eine Partie Tic Tac Toe aufeinander, ist es für sie ihrem Spielvermögen gemäß ein Strategiespiel. „Für uns Erwachsene ist es kein Strategiespiel mehr, weil wir es komplett durchschaut haben“, sagt Jakob Erdmann. Zu den Ergebnissen seiner Arbeit gehört folglich die Aussage, dass es eine saubere Skala von Glücks- zu Strategiespiel nicht geben kann. „Um ein Spiel eindeutig einordnen zu können, müsste ich es für die konkreten Spieler analysieren“, sagt Erdmann.

    Für ein Spiel wie Roulette lässt sich eine eindeutige Zuordnung in Korrelation zur Spieldauer feststellen. Sofern es für eine kurze Zeit gespielt wird, ist es ein reines Glücksspiel. Diesen Charakter verliert es jedoch, wenn über einen längeren Zeitraum gespielt wird. „Wenn ich Roulette lange Zeit spiele, gewinnt immer die Bank“, sagt Erdmann. Diese Erkenntnis sei zwar sicher bitter für die Spieler, aber unumstößlich.

    Die Arbeit des Informatikers bewegt sich im Feld reiner Grundlagenforschung. Dennoch kann Jakob Erdmann aus den Ergebnissen seiner Doktorarbeit sogar Erkenntnisse für das tägliche Leben ableiten: „Die Arbeit zeigt, dass wir im täglichen Leben unseren eigenen Einfluss systematisch überschätzen.“

    Am 9. Juli steht die Verteidigung der Doktorarbeit an. Für Prof. Althöfer wird sie etwas besonderes sein: „Jakob Erdmann ist der erste 3-Hirn-Stipendiat, der seine Promotion erfolgreich abschließen wird.“ Das 3-Hirn-Stipendium hat Ingo Althöfer 2007 gestiftet. Seinen Namen hat es von einem Versuchsaufbau, bei dem Althöfer während einer Schachpartie mit Unterstützung von zwei Schachcomputern seine Züge wählte. Ausgeschrieben wird das Stipendium für Promotionen im Bereich der Analyse und Programmierung von kombinatorischen Spielen. Aktuell kommt die Diplom-Wirtschaftsmathematikerin Nancy Kästner in den Genuss dieser Förderung. Sie ist die erste Frau im Kreis der 3-Hirn-Stipendiaten. Zur Finanzierung der Stipendien dienen die Erlöse des 3-Hirn-Verlages von Althöfer. Dabei handelt es sich – natürlich – um einen Spiele-Verlag.

    Kontakt:
    Jakob Erdmann
    Institut für Angewandte Mathematik der Friedrich-Schiller-Universität Jena
    Ernst-Abbe-Platz 2, 07743 Jena
    Tel.: 0172 3186200
    E-Mail: jakob.erdmann[at]gmail.com


    Weitere Informationen:

    http://www.uni-jena.de


    Bilder

    Jakob Erdmann von der Uni Jena hat ein Modell entwickelt, mit dem sich der Charakter von Spielen bestimmen lässt.
    Jakob Erdmann von der Uni Jena hat ein Modell entwickelt, mit dem sich der Charakter von Spielen bes ...
    Foto: Stephan Laudien/FSU
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    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Informationstechnik, Mathematik
    überregional
    Forschungsergebnisse
    Deutsch


     

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