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Wissenschaft
Bochum, 29.04.1998 Nr. 87
Vertrauen ist gut, Verschlüsselung besser
8.000 Stellen für IT-Sicherheitsexperten in Sicht
Wissenschaftler fordern verstärkte Kryptographie-Forschung
Kryptographie ist die Schlüsseltechnologie für die Gestaltung einer sicheren und verläßlichen Informationsgesellschaft. Die Verschlüsselung von Nachrichten - jahrhundertelang ein Privileg von Militärs und Geheimdienstlern - kann verhindern, daß Unbefugte sie lesen, manipulieren oder Mißbrauch damit treiben. Weil sie aber zugleich die Strafverfolgung erschwert, ist sie für manche Staaten auch ein Problem. An der RUB trafen sich auf Einladung des NRW-Wissenschaftministeriums am 23.04.1998 mehr als 30 führende deutsche Wissenschaftler und ein Vertreter der Europäischen Kommission zum Workshop ,Kryptographie als Forschungsthema". Nun liegt die Zusammenfassung der Diskussion vor.
Kryptographie an Hochschulen kaum vertreten
Angeregt durch einen Bericht des International Computer Science Institutes (ICSI), Berkeley, hat die Beratungs- und Informationsstelle Forschungsförderung (BIF) der Ruhr-Universität Bochum kürzlich eine Umfrage unter Wissenschaftlern durchgeführt, die bestätigt hat, daß die Kryptographie an deutschen Hochschulen vergleichsweise nicht hinreichend vertreten ist. Sie hat daraufhin die Initiative zu dem Workshop ergriffen und hat ihn zusammen mit dem ICSI organisiert. Ziel des Workshops war die Identifizierung möglicher Kooperationen und gemeinsamer Projekte.
Europa und die digitale Unterschrift
Zum Auftakt wurden die im Zusammenhang mit der Kryptographie wichtigen politischen Fragen und Rahmenbedingungen diskutiert. Dr. Theodor Schlickmann, Sicherheitsexperte der Europäischen Kommission, stellte den europäischen Rahmen für elektronische Sicherheit vor. Hierzu gehören einerseits die digitalen Signaturen (Authentifizierungsdienste) und andererseits die Verschlüsselungsverfahren, die Vertraulichkeit und Integrität von Nachrichten sichern. Der Ministerrat wird im Mai 1998 über eine europäische Richtlinie zur elektronischen Authentifizierung entscheiden, um einen Gemeinschaftsrahmen für digitale Signaturen zu gewährleisten. Die bereits jetzt bestehenden stark unterschiedlichen rechtlichen und technischen Ansätze in den verschiedenen Mitgliedstaaten könnten den elektronischen Handel in Europa und somit den Binnenmarkt behindern. Was den Bereich der Verschlüsselung angeht, so spricht sich die Kommission klar dafür aus, daß ihr Gebrauch zur Sicherstellung des Datenschutzes und der Vertraulichkeit notwendig ist und nicht staatlich beschränkt werden darf.
Strecken- und Sprachverschlüsselung in NRW
Prof. Kaderali, Kryptographie-Forscher an der FernUniversität Hagen und Mitglied der Geschäftsführung von media NRW, stellte die Landesinitiative media NRW vor. Das Ziel von media NRW ist, die Entwicklung, Produktion,, Einführung und Verbreitung neuer Multimedia-Techniken sowie multimedialer Dienste und Programmangebote in der Wirtschaft, in Privathaushalten und im öffentlichen Sektor zu unterstützen. Bisher wurden von media NRW zwei Projekte im Bereich Kryptographie gefördert. Die Firma KryptoKom in Aachen führte ein Projekt im Bereich Streckenverschlüsselung durch, die Firma 3C, deren Gründung durch die Förderung von media NRW erst ermöglicht wurde, ein Projekt im Bereich Sprachverschlüsselung.
Exportkontrollen für kryptographische Produkte
Prof. Holznagel, Leiter des Instituts für Informations-, Telekommunikations- und Medienrecht an der Universität Münster, ging in seinem Statement auf bestehende Exportkontrollen für kryptographische Produkte ein und hob hervor, daß die US-Exportbeschränkungen für Kryptographie-Produkte negative Auswirkungen auf die Entwicklung des elektronischen Zahlungsverkehrs im Internet haben, da sie die Ausfuhr sicherer Verschlüsselungstechnik behindern.
Status in "Informations-Supermacht USA"
Dr. Tomas Sander vom ICSI referierte über Forschung und Entwicklung in den USA. Kryptographie wird dort als eine der zentralen Herausforderungen aktueller Forschung in Informatik und Mathematik gesehen. Nicht nur Universitäten, sondern auch die Forschungslaboratorien vieler US-Computer-Hersteller, Telekommunikations-Unternehmen und Forschungsinstitute mit Bezug zum US Department of Defense leisten erhebliche Beiträge zur zivilen akademischen Forschung. Einer der Hauptgründe hierfür ist ein hohes Bewußtsein der Informations-Supermacht USA für die Sicherheitsrisiken der Informationsgesellschaft. Aus dem amerikanischen Beispiel leitete Dr. Sander einige Vorschläge zur Verstärkung der deutschen IT-Sicherheitskompetenz ab, etwa die Gründung spezieller Forschungszentren, um die notwendige Spitzenforschung zu ermöglichen und die Einrichtung eines Studienganges ,Computer-Sicherheit" als Maßnahme, um den eklatanten Mangel an qualifizierten Sicherheitsspezialisten zu beheben.
Deutsche Forscher arbeiten zu isoliert
Bei der Vorstellung der Sitation in Deutschland wurde deutlich, daß die an den wenigen Hochschulen auf dem Gebiet der Kryptographie und Systemsicherheit tätigen Gruppen, darunter z.B. Aachen, Bielefeld, Essen, Paderborn, Siegen, Darmstadt, Frankfurt, Giessen, Saarbrücken, Freiburg, Karlsruhe, München, Dresden, bisher weitgehend isoliert voneinander arbeiten. Deshalb betonten die Diskussionsteilnehmer die Notwendigkeit der Zusammenarbeit der bestehenden Einrichtungen. Darüber hinaus wurde die Verstärkung der Kryptographie in Forschung und vor allem in der Lehre gefordert.
8.000 Experten benötigt
Die Unternehmens- und Personalberatung Corporate Consult hat herausgefunden, daß die deutsche Wirtschaft in den nächsten drei Jahren ca. 8000 IT-Sicherheitsexperten benötigt, an deutschen Universitäten diese Fachrichtung aber bisher kaum gelehrt wird. Einige Teilnehmer empfahlen die Einrichtung eines international ausgerichteten Kompetenzzentrums, in dem eine verbesserte Zusammenarbeit von Kryptographie- bzw. IT-Sicherheits-Forschern aus verschiedenen Fachrichtungen sowie eine Bündelung von Aktivitäten zur Aus- und Weiterbildung stattfinden kann.
DFG und EU fördern Projekte
Fördermöglichkeiten für gemeinsame Projekte bieten in Zukunft ein neues Schwerpunktprogramm der DFG ,Sicherheit in der Informations- und Kommunikationstechnik", das von Dr. Fedderath, Universität Dresden, vorgestellt wurde. Die Europäische Kommission wird innerhalb des 5. Forschungsrahmenprogramms den Bereich Kryptographie im spezifischen Programm ,Entwicklung einer nutzerfreundlichen Informationsgesellschaft" ausweisen.
Fortsetzung im Herbst '98
Die Teilnehmer waren übereinstimmend der Meinung, daß die Diskussion fortgeführt werden müsse. Ein nächster Workshop in Bochum - unter Einbeziehung der Industrie - wurde für Herbst 1998 vereinbart.
Weitere Informationen
Petra Henseler, Ruhr-Universität Bochum, Beratungs- und Informationsstelle Forschungsförderung (BIF), 44780 Bochum, Tel.: 0234/700-3024, Fax: 0234/7094-684, E-Mail: Petra.Henseler@uv.ruhr-uni-bochum.de
Merkmale dieser Pressemitteilung:
Informationstechnik, Mathematik, Physik / Astronomie, Wirtschaft
überregional
Es wurden keine Arten angegeben
Deutsch
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