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Wissenschaft
Ein Forscherteam konnte den Erreger des „Weißnasen-Syndrom“ auch bei europäischen Fledermäusen nachweisen. Die Tiere scheinen im Gegensatz zu amerikanischen Arten daran jedoch nicht zu erkranken.
Über eine Million amerikanischer Fledermäuse sind in den vergangenen fünf Jahren bereits am „Weißnasen-Syndrom“ gestorben, der auslösende Pilz Geomyces destructans wurde nun in weiten Teilen Europas gefunden - ohne dass Europäische Fledermäuse bisher einen Schaden davontragen. Es ist das wichtigste Ergebnis einer jetzt veröffentlichten Studie, die in einer gemeinschaftlichen Initiative von Forschern aus Deutschland, der Schweiz, Ungarn und Großbritannien durchgeführt und vom Berliner Leibniz-Institut für Zoo- und Wildtierforschung (IZW) koordiniert wurde. Sind diese Erkenntnisse eine Hilfe zur Lösung einer der größten Artenschutzkrisen unserer Zeit?
Nordamerika verzeichnet seit einigen Jahren dramatische Verluste winterschlafender Fledermäuse. Die Zahlen haben mittlerweile die Millionengrenze überschritten und das Problem wird immer größer. Während sich das Massensterben bisher auf die nordöstlichen Staaten fokussierte und sich konzentrisch ausbreitete, ist in diesem Jahr erstmals die Grenze zu Kanada überschritten worden. Das Massensterben wird durch eine Pilzinfektion ausgelöst. In Europa wächst derzeit die Sorge, dass eine Verschleppung des Erregers zu einer ähnlichen Bedrohung der einheimischen Fledermausarten führen könnte.
Eine gemeinsame Studie, von Forschern aus Deutschland, der Schweiz, Ungarn, Großbritannien, der Abteilung für Mykologie des Klinikums der Technischen Universität München, dem Robert Koch-Institut und dem IZW belegt jetzt, dass der tödliche Pilz Geomyces destructans in weiten Teilen Europas vorkommt. Zusätzlich fanden sich alte Aufzeichnungen, die belegen, dass der Pilz bereits seit mindestens 25 Jahren in Deutschland auf winterschlafenden Fledermäusen gesichtet wurde. „Bisher scheint der Pilzbefall keinen tödlichen Einfluss auf hiesige Fledermausarten gehabt zu haben“, sagt Projektleiterin Dr. Gudrun Wibbelt vom IZW.
Das ist eines der Ergebnisse aus der aktuellen Studie zum „Weißnasen-Syndrom“, soeben veröffentlicht im wissenschaftlichen Fachjournal „Emerging Infectious Diseases“. Das Forscherteam um Wibbelt analysierte Proben aus über 350 Fledermauswinterquartieren verschiedener europäischer Länder und stellte fest, dass 21 Tiere vom Pilzbefall betroffen waren. Die Krankheit wird als Weißnasen-Syndrom bezeichnet, da der Pilz in kleinen, weißen Polstern vornehmlich um die Nase und auf den Flügeln wächst. Er gehört zu den kälteliebenden Pilzen, die vorzugsweise von keratinhaltigen Materialien wie Hautschuppen oder Haaren leben. In den USA verursacht der Pilz bei den Tieren schwerste Gewebezerstörungen, die zum Tode führen. Identifiziert wurde der bis dahin unbekannte Pilzerreger erstmals 2008 in den USA. Amerikanische Forscher gehen davon aus, dass das Massensterben in Nordamerika mit der niemals zuvor beobachteten Pilzinfektion in Verbindung steht.
„Überraschenderweise zeigten molekularbiologische Analysen eine hundertprozentige Übereinstimmung der in Europa untersuchten Pilz-Genabschnitte zu denen aus Nordamerika. Wir müssen jetzt unbedingt klären, warum der Pilzbefall bei europäischen Fledermäusen bisher nicht zum Tode führt, um Anhaltspunkte zur Rettung der amerikanischen Fledermäuse zu erlangen – und um allenfalls eine Verschleppung des fatalen Pilzes aus den USA nach Europa zu verhindern“. Weitere Untersuchungen sollen helfen, die Fledermauspopulationen in Europa und Nordamerika zu schützen“ so Wibbelt.
In Amerika waren in den vergangenen Wintern Fledermäuse zu früh aus dem Winterschlaf erwacht, verließen ihre Höhlenquartiere und wurden zu Hunderten tot im Schnee vor den Höhlen gefunden. Ehemals häufig vorkommende Fledermausarten wurden in bekannten Höhlen um 80 bis 99 Prozent dezimiert und sind in den betroffenen Regionen vom Aussterben bedroht. Dies erinnert an die ebenfalls seit neuerer Zeit auftretende Pilzerkrankung „Chytridiomykose“, die bei Fröschen die Haut angreift und zum globalen Amphibiensterben beiträgt.
In Europa leben rund 40 insektenfressende Fledermausarten, die kleinste nur 4 Gramm schwer, die größte mit einer Spannweite von mehr als 40 Zentimetern. Die meisten Fledermausarten sind stark bedroht und deshalb geschützt. Fledermäuse sind ein überaus wichtiger Bestandteil aller Lebensräume, beispielsweise sorgen sie für die enorme Verringerung von Schadinsekten, die eine ihrer Hauptnahrungsquellen darstellen. Das ist für die Landwirtschaft von erheblichem ökologischem und ökonomischem Nutzen, denn es wird nicht nur der Pestizideinsatz reduziert, es werden auch weniger Pflanzen von Schädlingen zerstört.
Gegenwärtig wird in Europa und Nordamerika mit größter Intensität an der Aufklärung des Weißnasen-Syndroms gearbeitet, um zu verstehen, aus welchem Grund europäische Fledermäuse scheinbar immun gegen den Pilzbefall sind.
Quellenangabe Publikation
Wibbelt G, Kurth A, Hellmann D, Weishaar M, Barlow A, Veith M, Prüger J, Görföl T, Grosche L, Bontadina F, Zöphel U, Seidl H-P, Cryan P, Blehert DS. White-Nose Syndrome fungus (Geomyces destructans) in bats, Europe. Emerging Infectious Diseases 2010, 16 (8): 1237-1242
Web-link: http://www.cdc.gov/eid/content/16/8/1237.htm
Kontaktdaten
Deutschland:
Leibniz-Institut für Zoo- und Wildtierforschung, Dr. Gudrun Wibbelt, Alfred-Kowalke-Str. 17, 10315 Berlin, email: wibbelt@izw-berlin.de, www.izw-berlin.de
Schweiz:
SWILD Zürich, Dr. Fabio Bontadina, Wuhrstrasse 12, CH - 8003 Zürich email: fabio.bontadina@swild.ch, www.swild.ch
Große Mausohr-Fledermäuse mit Pilzbesiedlung an Nase und Flügeln
Foto: Andreas Kiefer, NABU Rheinland-Pfalz
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Rasterelektronenmikroskop: Haar einer europäischen Fledermaus mit Pilzsporen überzogen
Foto: IZW
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Merkmale dieser Pressemitteilung:
Biologie, Tier / Land / Forst, Umwelt / Ökologie
überregional
Forschungsergebnisse
Deutsch
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