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08.10.1996 00:00

Über die Justiz im Staat der SED - Ausstellung an der Uni Jena

Axel Burchardt Abteilung Hochschulkommunikation/Bereich Presse und Information
Friedrich-Schiller-Universität Jena

    "Im Namen des Volkes? - UEber die Justiz im Staat der SED"

    Eine Ausstellung an der Universitaet Jena

    Ausstellungsort: Friedrich-Schiller-Universitaet Jena Foyer, Universitaetsneubau, Carl-Zeiss-Str. 3

    OEffnungszeiten: 25. Oktober bis 30. November 1996, Montag bis Freitag: 9.00 bis 20.00 Uhr, Samstag und Sonntag: 9.00 bis 15.00 Uhr

    Die Ausstellung ueber die Justiz der DDR wurde von Richtern und Staatsanwaelten in den neuen Bundeslaendern angeregt. 1991 im Deutschen Bundestag diskutiert, erteilte 1992 das Bundesministerium der Justiz (BMJ) den endgueltigen Projektauftrag. Ein Team von Wissenschaftlern und Ausstellungsfachleuten erarbeitete die Inhalte der Ausstellung und ihre gestalterische Umsetzung. Das Team wurde von Mitarbeitern des BMJ und einem wissenschaftlichen Beirat unterstuetzt, zu dem auch der Jenaer Rechtswissenschaftler Prof. Dr. Gerhard Lingelbach gehoerte. Bei der Konzeption konnte an Erfahrungen angeknuepft werden, die das Bundesministerium der Justiz mit der im Jahr 1989 eroeffneten Ausstellung ueber die Justiz im Nationalsozialismus gewonnen hatte. Da Akten des ehemaligen SED-Regimes zugaenglich waren, ermoeglicht es die Ausstellung, auch bislang nicht bekannte Hintergruende der Rechts- und Justizgeschichte der DDR auszuleuchten. Allerdings konnten die umfangreichen Materialien in den vergangenen Jahren noch nicht umfassend aufgearbeitet werden. Schon deshalb ist die Ausstellung notwendigerweise unvollstaendig und beabsichtigt in erster Linie, Fragen und Diskussionen anzuregen. Sie verzichtet auf eine umfassende Darstellung der Justiz der DDR, stellt vielmehr eine Auswahl von Ereignissen und Strukturen ihres Rechtssystems vor. Sie zeigt, wie die Justiz als Instrument gebraucht wurde, um die von der Fuehrung der SED gesetzten Ziele zu erreichen. Andererseits wird auch deutlich, wie die Justiz bei der Regulierung alltaeglicher Konflikte funktionierte. Die Politisierung der Justiz trat besonders im Strafrecht hervor. Die SED setzte in diesem Bereich ihre Ziele nachdruecklich durch. Aber auch das Zivil-, Familien- und Arbeitsrecht wurde von ihr gezielt fuer ihre Interessen eingesetzt. Der Zweitrangigkeit des Rechts bei seiner Instrumentalisierung in politisch bedeutsamen Faellen entspricht seine untergeordnete Bedeutung in alltaeglichen Konflikten. Sowohl die Buerger als auch staatliche Organe sahen das Recht ueberwiegend nicht als bindendes Regelwerk an, ihm kam lediglich eine orientierende Funktion zu. Um ihr "Recht" zu erhalten, bevorzugten Buerger Eingaben an Wirtschaft- oder Staatsfunktionaere, Abgeordnete oder direkt an die SED. Die den staatlichen Gerichten vorgelagerten Konflikt- und Schiedskommissionen entschieden eine Vielzahl von arbeitsrechtlichen, zivilrechtlichen und anderen Streitigkeiten. Unumgaenglich war der Gang zu Gericht nur in wenigen Konfliktkonstellationen, etwa bei Ehescheidungen. Jede Justiz ist eingebunden in ihr staatliches und gesellschaftliches Umfeld. Die Justiz der DDR war Bestandteil einer zentralistischen Staats- und Gesellschaftsordnung, in der "die Herrschaft der Arbeiterklasse unter der Fuehrung ihrer marxistischleninistischen Partei" von Anfang an vorhanden und ab 1968 sogar in der Verfassung verankert war. Die Trennung von Gesetzgebung, Verwaltung und Rechtsprechung wurde als Relikt buergerlichen Denkens beseitigt. Die Rechtsprechung war Teil einer einheitlichen Staatsgewalt und damit ihrer Eigenstaendigkeit beraubt. Die formale, von der Verfassung anerkannte Unabhaengigkeit des Richters entband ihn nicht von der Verpflichtung zur "sozialistischen Parteilichkeit". Lebenszeitanstellung und Unabsetzbarkeit als Voraussetzung persoenlicher Unabhaengigkeit waren nicht vorhanden. Die Konformitaet der Richter und anderer Mitglieder des Rechtsstabes wurden durch Staat und Partei gesichert.

    Die Wanderausstellung zur Justiz in der DDR, die bis 1999 in verschiedenen Staedten gezeigt werden soll, wurde 1994 in Berlin erstmals gezeigt. Vom 25. Oktober bis 30. November 1996 ist sie im Foyer des Neubaus der Friedrich-Schiller-Universitaet Jena (Carl-Zeiss-Str. 3) zu besichtigen. Der Eintritt ist frei.

    Fakten zur DDR-Justiz-Ausstellung im Universitaetsneubau

    Die Ausstellung "Im Namen des Volkes? - UEber die Justiz im Staat der SED", die ab dem 25. Oktober 1996 im Neubau der Friedrich- Schiller-Universitaet Jena (Carl-Zeiss-Str. 3) zu sehen ist, besteht aus drei Teilen. Der erste Teil beschaeftigt sich mit Ereignissen in der Zeit von 1945 bis 1971. Er umfasst damit die Zeit, in der die Sowjetische Besatzungszone bzw. die Deutsche Demokratische Republik massgeblich von Walter Ulbricht gepraegt wurde. Es werden folgende Themen behandelt: Neuaufbau nach 1945, Sowjetische Besatzungsmacht, Instrumentalisierter Antifaschismus, Justiz als Hebel gesellschaftlicher Umwaelzung, Flucht und Ausreise, Opposition und Widerstand. Im zweiten Teil informiert die Ausstellung ueber Strukturen der Justiz, ihre Steuerung durch Staat und Partei, ihre Funktion im Alltag sowie die Bedeutung weiterer Organe der sozialistischen Rechtspflege (Strafvollzug und Staatssicherheit). Im dritten Teil wird ueber Ereignisse der AEra Honecker und der Zeit bis zum Ende der DDR berichtet. Die Themen sind: Flucht und Ausreise, Opposition und Widerstand, Von der friedlichen Revolution zur Einheit. Die 60 Ausstellungstafeln mit ueber 200 reproduzierten Schriftstuecken, Graphiken und Fotos, die auch in einem Katalog zur Ausstellung wiedergegeben sind, werden durch weitere Ausstellungselemente ergaenzt:

    - In Vitrinen werden einzelne Dokumente, Buecher und kleinere Gegenstaende, auf gesonderten Podesten dreidimensionale Objekte praesentiert.

    - Eine zeitgeschichtliche Dokumentation soll die historische Einordnung justitieller Ereignisse erleichtern.

    - Ein Multimedia-Terminal ermoeglicht es, historische Film- und Wochenschaumaterialien abzurufen.

    - Umfangreiche Dokumente, die teilweise gesondert in einem Dokumentenband veroeffentlicht sind, werden in vollstaendiger Form auf Dokumenten-Tischen zugaenglich gemacht.

    - Ein wissenschaftlicher Begleitband zur Ausstellung enthaelt einen Grossteil des bisher erforschten historischen Materials und vertieft die auf den Ausstellungstafeln aufgeworfene Problematik.

    Zur Ausstellung sind folgende drei Baende erschienen: 1. Katalog mit Tafelbeschreibungen und Abbildungen (20 DM); 2. Wissenschaftlicher Begleitband mit zahlreichen Beitraegen zu den Themen der Ausstellung (48 DM); 3. Dokumentenband mit vielen erstmals veroeffentlichten Justiz-Dokumenten (32 DM).

    Forum Verlag Leipzig Buch-Gesellschaft mbH Gottschedstr. 30, 04109 Leipzig Telefon: 0341/980 50 08 Telefax: 0341/980 50 07

    Hinweis fuer die Redaktionen

    Anlaesslich der Ausstellungseroeffnung findet ein Pressegespraech statt, zu dem Sie herzlich eingeladen sind. Die Pressekonferenz beginnt am Donnerstag, 24. Oktober 1996, um 17.45 Uhr im Seminarraum 124 des Universitaetsneubaus in der Carl-Zeiss-Str. 3.

    Danach wird es fuer Sie eine erste Fuehrung durch die Ausstellung geben.


    Bilder

    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Gesellschaft
    überregional
    Es wurden keine Arten angegeben
    Deutsch


     

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