idw – Informationsdienst Wissenschaft

Nachrichten, Termine, Experten

Grafik: idw-Logo
Grafik: idw-Logo

idw - Informationsdienst
Wissenschaft

Science Video Project
idw-Abo

idw-News App:

AppStore

Google Play Store



Instanz:
Teilen: 
29.09.2010 11:16

IFM-GEOMAR zählte Arten – im Ozean und im Museum

Dr. Andreas Villwock Pressestelle
Leibniz-Institut für Meereswissenschaften, Kiel

    29.09.2010/Kiel. Wenn am 4. Oktober 2010 in der Royal Institution of Great Britain die Ergebnisse der marinen Artenzählung „Census of Marine Life“ vorgestellt werden, blicken auch zwei Forscher des Leibniz-Instituts für Meereswissenschaften (IFM-GEOMAR) auf zehn Jahre voller aufregender Entdeckungen zurück: Die beiden Kieler Meeresbiologen Dr. Uwe Piatkowski und Dr. Rainer Froese halfen als Mitglieder des internationalen Expertenteams, das Leben im Meer besser zu verstehen.

    Der Warzenkrake Adelieledone piatkowski lebt im Südpolarmeer. Die scharfe Schnabelspitze und die überdurchschnittlich große Speicheldrüse des bis zu 140 Millimeter großen Tintenfisches lassen darauf schließen, dass er sich eine besondere Nahrungsnische erschlossen hat. Mehr wissen die Forscher noch nicht über das Tier, das sie im Jahr 2002 auf einer Expedition mit der POLARSTERN erstmals fanden und nach Dr. Uwe Piatkowski vom Leibniz-Institut für Meereswissenschaften (IFM-GEOMAR) benannten. Der Kieler Meeresbiologe gehört zum internationalen Team des „Census of Marine Life“. Für die Volkszählung der Meere spürte er nicht nur bis dato unbekannte Kraken-Arten in der Antarktis auf. Er engagierte sich auch in der Lenkungsgruppe des Census-Projekts MAR-ECO (Mid-Atlantic Ridge Ecosystems), das die Lebewesen entlang des mittelatlantischen Rückens untersuchte.

    „Die Expeditionen für den Census of Marine Life waren eine ganz besondere Erfahrung“, urteilt Piatkowski. „An Bord waren meist etwa 30 Fachleute aus verschiedenen Ländern, zum Teil regelrechte Koryphäen auf ihren Gebieten. Wenn ein neuer Fang an Deck gebracht wurde, stürzte sich jeder auf ‚seine‘ Tiere. Zum Teil passierte das nachts, aber wir waren trotzdem jedes Mal wie elektrisiert.“ Beim Sortieren, Fotografieren, Beproben und Konservieren der Funde halfen sich die Kollegen gegenseitig. „Und natürlich freuten wir uns füreinander, wenn jemandem etwas besonders Interessantes ins Netz ging.“

    In der Antarktis fanden die Forscher gleich 15 neue Krakenarten. „Das allein klingt viel – aber es gibt uns nur einen kleinen Eindruck davon, welche Überraschungen die Ozeane noch für uns bereithalten“, erklärt Piatkowski. Unter dem Eis, das sich durch den Klimawandel zurückzieht, in großen Tiefen oder an unwirtlichen Orten wie den heißen Quellen entlang des mittelatlantischen Rückens verbergen sich noch immer Organismen, die bisher kein Mensch gesehen hat. Der Kieler Biologe beobachtet die Tiere am liebsten vom Tauchboot aus oder über einen ferngesteuerten, mit Kameras ausgerüsteten Tauchroboter. „Es ist am schönsten, sie in ihrer eigenen Umwelt zu sehen. Aber um sie bestimmen und Verwandtschaften analysieren zu können, müssen wir sie auch fangen.“

    Während Piatkowski, oftmals in Wathose und mit klammen Fingern, seiner Arbeit nachging, entdeckte Dr. Rainer Froese ein außergewöhnlich trockenes Forschungsgebiet: Die Museen und Bibliotheken der Welt, etwa in den Naturhistorischen Museen in Stockholm und London oder an der California Academy of Sciences. Der Gründer der globalen Arten-Datenbank FishBase ordnete die Namen der gezählten Fischarten korrekt zu und sortierte nicht mehr gültige Bezeichnungen aus. „Wir haben alle Original-Beschreibungen seit Carl von Linné miteinander abgeglichen und mit aktuellem Wissen verbunden. 50.000 Namen für 30.000 Arten – das ist keine leichte Aufgabe“, so sein Fazit. Drei Mitarbeiter der Datenbank FishBase waren zu Hochzeiten an dem Projekt beschäftigt. „Es war ein Schock, zu erkennen, dass viele grundsätzliche Fragen noch nicht geklärt waren“, findet Froese. „Aber es ist uns gelungen, Ordnung herzustellen. Die Fische sind damit die erste große Gruppe, bei der wir Klarheit sehen.“

    Nach zehn Jahren Forschung sind sich die Experten vor allem über eines einig: Der „Census of Marine Life“ hat viele Fragen beantwortet, aber auch neue aufgeworfen. „Wir hoffen, dass es weitergeht“, sagt Dr. Uwe Piatkowski. „Vielleicht können wir bestimmte Regionen zukünftig ausführlicher unter die Lupe nehmen. Einige Länder werden die Arbeit sicher auch in Eigeninitiative fortsetzen. Ob Deutschland dabei ist, wird sich zeigen – denn diese fernen Ökosysteme zu untersuchen ist teuer und wird bei uns leider nicht so intensiv gefördert wie in Norwegen, Großbritannien, Frankreich oder den Vereinigten Staaten.“

    Hintergrundinformationen:
    Mit dem internationalen Großprojekt „Census of Marine Life“ beantworten Wissenschaftler aus 82 Ländern die uralte Frage „Was lebt im Meer?“. Über zehn Jahre erforschten sie große und kleine Lebewesen in 25 biologisch repräsentativen Regionen – vom Nordpolarmeer über die Tropen bis in die Antarktis. Die Ergebnisse fassen die immense Artenvielfalt der Ozeane erstmals in Zahlen. Sie belegen nicht nur, wie viele verschiedene Arten im freien Wasser und am Meeresboden leben, sondern kalkulieren auch, wie viele Exemplare jede Art umfasst. Der umfangreiche Datenschatz stellt eine solide Basis dar, wenn es darum geht, Veränderungen in der Natur zu messen. Bisher entdeckten die Forscher rund 18.000 neue Arten.


    Weitere Informationen:

    http://www.coml.org: Census of Marine Life
    http://www.caml.aq: Census of Antarctic Marine Life
    http://www.mar-eco.no: Mar-Eco
    http://www.fishbase.org: FishBase


    Bilder

    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Meer / Klima, Umwelt / Ökologie
    überregional
    Forschungsprojekte, Kooperationen
    Deutsch


     

    Hilfe

    Die Suche / Erweiterte Suche im idw-Archiv
    Verknüpfungen

    Sie können Suchbegriffe mit und, oder und / oder nicht verknüpfen, z. B. Philo nicht logie.

    Klammern

    Verknüpfungen können Sie mit Klammern voneinander trennen, z. B. (Philo nicht logie) oder (Psycho und logie).

    Wortgruppen

    Zusammenhängende Worte werden als Wortgruppe gesucht, wenn Sie sie in Anführungsstriche setzen, z. B. „Bundesrepublik Deutschland“.

    Auswahlkriterien

    Die Erweiterte Suche können Sie auch nutzen, ohne Suchbegriffe einzugeben. Sie orientiert sich dann an den Kriterien, die Sie ausgewählt haben (z. B. nach dem Land oder dem Sachgebiet).

    Haben Sie in einer Kategorie kein Kriterium ausgewählt, wird die gesamte Kategorie durchsucht (z.B. alle Sachgebiete oder alle Länder).