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12.11.2010 10:58

Erster Cholera-Toter in Port-au-Prince: „Es fehlt an nachhaltigen Bekämpfungsmethoden“

Florian Klebs Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Universität Hohenheim

    Bei der Behandlung der Cholera stoßen konventionelle Behandlungsmethoden an ihre Grenzen. Nötig wäre eine dauerhafte Inaktivierung des Erregers. Prof. Dr. Julia Fritz-Steuber, Expertin für Mikrobiologie an der Universität Hohenheim, betreibt Grundlagenforschung, um neue Bekämpfungsmethoden für Cholera zu entwickeln.

    Frau Prof. Dr. Fritz-Steuber, was passiert im menschlichen Körper wenn die Cholera ausbricht?

    Cholera ist eine extrem schnell einsetzende, akute Durchfallerkrankung. Der Cholera-Erreger dringt aber nicht, wie manche andere Bakterien und Viren, in Körperzellen ein, sondern er produziert im Dünndarm ein Gift, das in die Zellen an der Darmwand eindringt. Dadurch scheiden diese Wasser ab, wodurch der heftige Durchfall zustande kommt. Ohne Behandlung trocknen die Patienten regelrecht aus.

    Wenn die Krankheit vergleichsweise gut behandelt werden kann, wie erklären Sie die hohe Todesrate bei Cholera-Kranken in Haiti?

    Das Problem sind die hygienischen Umstände vor Ort. Denn der Erreger selbst wird unbeschädigt wieder aus dem menschlichen Körper ausgeschieden – und gelangt so in das Abwasser.

    Durch fehlenden Zugang zu sauberem Trinkwasser und durch das vom Erdbeben zerstörte Abwassersystem ist eine Eindämmung der Krankheit sehr schwierig. In den dicht besiedelten Gebieten der Hauptstadt Port-au-Prince und den Camps der Erdbebenopfer ist dies zweifellos eine Gefahr.

    Was kann man gegen die Cholera tun und wo sind die Grenzen herkömmlicher Behandlungen?

    Die Behandlung erfolgt durch die orale oder auch intravenöse Zugabe einer isotonischen Zuckerlösung, die den extremen Flüssigkeitsverlust der Cholera-Patienten ausgleicht. Im Idealfall ist die Krankheit dann nach kurzer Zeit ausgestanden. Doch die ausgeschiedenen Erreger leben in der Umwelt weiter.

    Genau dort sehe ich die Grenzen der Bekämpfung von Cholera: Die Erreger gelangen über das Abwasser in die Küstenregionen, wo sie überdauern können.

    Wo kann die aktuelle Forschung Abhilfe schaffen?

    Ich beschäftige mich an der Universität Hohenheim mit mikrobiologischer Grundlagenforschung an Vibrio cholerae, so heißt der Erreger-Organismus. Mein Ziel ist es, in diesem Organismus die Funktion einer Zellkomponente zu verstehen, die einzigartig für dieses Bakterium ist. Wenn ich diese Zellkomponente inaktiviere, bleiben die menschlichen Zellen unbeschadet.

    Diese zentrale Zellkomponente ist die NADH-Dehydrogenase. Sie stellt der Zelle die benötigte Energie zur Verfügung, die sie unter anderem zur Fortbewegung benötigt. Auch andere pathogene Bakterien verlassen sich auf dieses zelluläre Kraftwerk, wie beispielsweise der Erreger der Legionellen oder der Meningitis.

    Damit wäre Ihr Ansatz auch für Krankheiten in Mitteleuropa anwendbar?

    Ja, diese Krankheiten kommen auch in Mitteleuropa vor und werden in der Regel durch Antibiotika bekämpft – wogegen Erreger allerdings auch von Zeit zu Zeit resistent werden. Im Gegensatz zu Vibrio cholerae dringen diese in menschliche Zellen ein. Will ich sie bekämpfen, darf ich Strukturen der infizierten Zellen nicht zerstören.

    Die Deaktivierung der NADH-Dehydrogenase kommt mir dann entscheidend zugute. Könnte man quasi das Kraftwerk des Erregers abschalten, dann könnte sich der Erreger nicht mehr bewegen und würde sterben – und der menschliche Organismus würde das unbeschadet überstehen.

    Der Fall Haiti brachte Cholera ins Bewusstsein der Öffentlichkeit. Ist die Krankheit anderswo ausgerottet?

    … auf keinen Fall! Ein Dauerproblem ist Cholera in Indien und auf dem afrikanischen Kontinent, insbesondere entlang der Ostküste. Aber auch im Osten Chinas werden Cholera-Ausbrüche gemeldet. 5.000 Todesfälle gibt es pro Jahr weltweit laut WHO. Doch die Dunkelziffer liegt sehr wahrscheinlich weit über dieser Zahl.

    Kontakt für Medien:
    Prof. Dr. Julia Fritz-Steuber, Fachgebiet Zelluläre Mikrobiologie, Universität Hohenheim, 70599 Stuttgart, Tel.: 0711 459-22228, E-Mail: julia.steuber@uni-hohenheim.de

    Text: Konstantinidis / Töpfer


    Bilder

    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Biologie, Medizin, Umwelt / Ökologie
    überregional
    Forschungsergebnisse
    Deutsch


     

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