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(Berlin) Umfragen zeigen, das 85 Prozent der Patienten eine intensivierte Schmerztherapie durch so genannte Akutschmerzdienste nach chirurgischen Eingriffen positiv beurteilen. Deren zukünftige Existenz ist jedoch gefährdet, erklären Experten auf dem Deutschen Schmerzkongress in Berlin.
Viele Patienten müssen nach Operationen unnötigerweise Schmerzen aushalten, obwohl es Hilfe gibt. "Die postoperative Schmerztherapie ist weitgehend unstrukturiert und insuffizient", bedauert Dr. Andreas Kopf, Anästhesist am Universitätsklinikum Benjamin Franklin in Berlin. Für leichte und mittelstarke Schmerzen stehen gut verträgliche Medikamente zur Verfügung. Meist kommen peripher wirkende Schmerzmittel, etwa Diclofenac, oder schwach wirksame Opioide zum Einsatz.
"Bei starken Schmerzen greifen diese Therapien jedoch nicht mehr", erklärt Kopf. Besonders nach "großen" Operationen, etwa herzchirurgischen Eingriffen, großen Bauchoperationen sowie Eingriffen an Blase oder Gebärmutter ist eine intensivierte Schmerztherapie nötig. "Bewährt haben sich in diesem Bereich die patientenkontrollierte Schmerztherapie und die rückenmarknahe Regionalanästhesie", so der Arzt. Bei der patientenkontrollierten Schmerztherapie (PCA) können die Patienten - im Rahmen vorgegebener Sicherheitsgrenzen - sich selbst ein Schmerzmittel nach Bedarf verabreichen. Eine elektronische Pumpe spritzt die gewünschte Dosis in eine Venenverweilkanüle. Bei der rückenmarksnahen Anästhesie erhalten die Kranken einen Schmerzkatheter zur örtlichen Betäubung des Operationsgebietes. Bekannt ist dieses Verfahren etwa aus der Geburtshilfe.
Um diese intensivierte Therapie anbieten zu können, haben die Schmerzspezialisten am Universitätsklinikum Benjamin Franklin im Jahr 1998 einen "Akutschmerzdienst" für die postoperative Schmerztherapie gegründet. Durch eine interne Qualitätskontrolle wird dieser Dienst fortlaufend überprüft. Fast 3.000 Patienten wurden seitdem ohne ernsthafte Komplikationen versorgt. Umfragen bei diesen Patienten belegen die hohe Akzeptanz dieser Behandlung: 85 Prozent der Patienten waren damit zufrieden oder sehr zufrieden.
Wichtig ist, dass die Therapie in Absprache zwischen Anästhesisten und Chirurgen erfolgt. "Die persönliche Betreuung schafft für den Patienten ein Gefühl der Sicherheit in der ersten Phase nach der Operation", berichtet Kopf. Die Betroffenen, besonders Menschen, die bereits eine OP erlebt haben, nehmen das Angebot gerne an. "Wenn die Patienten ihre Schmerzen im Griff haben, bauen sie den Schrecken der Operation besser ab", so der Experte.
Die vielfältigen positiven Auswirkungen der intensivierten Schmerztherapie sind bereits nachgewiesen. Wenn die Patienten weitgehend schmerzfrei sind, können sie früher mobilisiert werden. Das senkt das Risiko einer Thrombose. Gerade nach Brust- oder Bauchoperationen ist das Atmen schmerzhaft. Der Einsatz von Schmerzmitteln hilft den Patienten, besser durchzuatmen - eine wichtige Prophylaxe gegen die gefürchtete Lungenentzündung. Durch die Stressreduzierung erholt sich der Organismus insgesamt schneller und die Patienten können - auch dies belegen Untersuchungen - die Intensivstation früher verlassen. "Durch die postoperative Schmerztherapie können die Behandlungskosten der Intensivtherapie darüber hinaus erheblich gesenkt werden", betont Kopf.
Untersuchungen deuten darauf hin, dass sich die Zahl tödlicher Komplikationen nach Operationen durch eine ausreichende Schmerzbehandlung um mindestens ein Drittel senken lassen kann.
Zwar hat auch eine Schmerztherapie bestimmte Risiken, die abgewogen werden müssen. So können bei der rückenmarksnahen Regionalanästhesie etwa Taubheitsgefühle, Muskelkraftminderung, Juckreiz, Blutungen, Infektionen und Nervenverletzungen auftreten. "Diese Störungen sind jedoch sehr selten und vorübergehend", beruhigt Kopf.
Die patientenkontrollierte Schmerztherapie ist weit weniger belastend als die konventionelle. Nebenwirkungen wie Atemstörungen, Übelkeit und Müdigkeit nehmen eher ab. "Die überwiegende Anzahl der bisherigen Untersuchungen belegen die vielen Vorteile und geringen Nachteile einer angemessenen postoperativen Schmerztherapie", resümiert der Anästhesist.
Doch dem Ausbau der postoperativen Schmerztherapie steht das neue Abrechnungssytem (Fallpauschalen) in deutschen Krankenhäusern entgegen. In diesen wurde bislang die intensivierte Schmerztherapie durch Akutschmerzdienste nach chirurgischen Eingriffen nicht berücksichtigt. "Nach dem bisherigen Stand der Ausarbeitung ist diese Form der Schmerztherapie praktisch nicht vorgesehen - mit allen negativen Konsequenzen für die Patienten ", unterstreicht Kopf
Rückfragen an:
Dr. med. Andreas Kopf
Klinik für Anästhesiologie und Operative Intensivmedizin, Universitätsklinikum Benjamin
Franklin der Freien Universität Berlin
Hindenburgdamm 30. 12200 Berlin
Tel.: 030-8445-2731, Fax: 030-8445-4469
e-mail: kopf@zop-admin.ukbf.fu-berlin.de
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Während der Tagung: Saal 8, Hauptgebäude der Technischen Universität
Straße des 17. Juni 35, Berlin, Tel. 030/314-22800; Fax: 030/314-25300
Merkmale dieser Pressemitteilung:
Ernährung / Gesundheit / Pflege, Medizin
überregional
Buntes aus der Wissenschaft, Forschungsergebnisse, Wissenschaftliche Tagungen
Deutsch
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