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Wissenschaft
Sportökonomen der Universität Jena legen Analyse des Bestattungsmarkts vor
Jena (19.11.10) Der November ist der Trauermonat des Jahres. Drei Tage stehen ganz im Zeichen des Gedenkens an die Verstorbenen: Allerseelen, der Volkstrauertag und Totensonntag. Auf den Friedhöfen herrscht reger Betrieb. Die Angehörigen stellen Schnittblumen auf oder bedecken das Grab mit Nadelbaumzweigen und schmücken es mit einem Kranz. Meist tun sie das schweigend, denn über den Tod redet man nicht gern. Man möchte ihn am liebsten erledigen. Stirbt aber tatsächlich ein geliebtes Familienmitglied, sind die Hinterbliebenen oft übermannt von der Trauer und fühlen sich überfordert mit der Verantwortung, eine angemessene Beerdigung zu organisieren. Gut, dass sich Bestattungsinstitute um alles kümmern. Doch ist der letzte Weg mit allem, was dazu gehört, kein billiges und ein undurchsichtiges Unterfangen.
Wissenschaftler der Friedrich-Schiller-Universität Jena haben jetzt eine umfassende Analyse des Bestattungsmarktes in Deutschland durchgeführt. „Es gibt zwei wichtige Faktoren, die das Bestattungswesen so besonders machen“, erklärt Prof. Dr. Frank Daumann vom Institut für Sportwissenschaft der Universität Jena. „Zum einen ist das ganze Thema höchst tabuisiert. Gesellschaftliche Normen verbieten etwa einen Preisvergleich zwischen verschiedenen Anbietern. Zum anderen müssen Angehörige hierbei in enorm kurzer Zeit und unter hoher seelischer Belastung über viel Geld entscheiden“, fasst der Initiator der Studie zusammen. Viele Aspekte, die den Markt für andere Dienstleistungen begleiten, greifen hier nicht. Das Netz aus staatlichen Reglementierungen für eine Beisetzung ist sehr eng. So darf etwa der Leichnam nur 36 Stunden in privaten Räumen aufbewahrt werden. Meist sind die Angehörigen deshalb froh, dass der Bestatter sich um alles kümmert. Auf der Rechnung sehen sie dann aber, wofür im Einzelnen bezahlt werden muss.
„Dieses Komplettpaket sorgt dafür, dass Angehörige nicht selten viel zu hohe Preise für eine Bestattung bezahlen“, sagt Prof. Daumann. „Manche Bestatter nutzen den emotionalen Stress aus, über Geld wird gar nicht gesprochen.“ Die durchschnittlichen Kosten für eine Bestattung beliefen sich im Jahr 2007 auf etwa 5.000 Euro. Marketing – sonst ein wichtiger Baustein in der Wirtschaft – wird unter Bestattern kaum betrieben. Sie leben in erster Linie von privater Werbung bzw. Mundpropaganda. Dabei ist das Geschäft mit dem Tod nicht krisensicher. Gestorben wird zwar immer, aber der Markt schrumpft. So nehmen beispielsweise die Sozialbeerdigungen – also Bestattungen, die mit Sozialleistungen unterstützt werden – zu. Auch geht der Trend zur billigeren Feuerbestattung zulasten der Erdbestattung.
Davon profitierten kurzzeitig vor allem die Krematorien. Doch neu gegründete Einrichtungen verschärfen nun die Konkurrenz. Vor allem die etablierten, kommunalen Krematorien – etwa zwei Drittel der 150 deutschen Krematorien – haben immer weniger zu tun. Außerdem fahren deutsche Leichenwagen zur Brandbestattung sogar ins osteuropäische Ausland.
Mit der ausländischen Konkurrenz haben auch die Sarghersteller zu kämpfen, sind sie doch dem freien Wettbewerb am meisten ausgeliefert, da ihre Ware die einzige ist, die vorproduziert werden kann. Ein großer deutscher Erdmöbelproduzent hat seine Fabrikation bereits ins Ausland verlagert. Da es keine Direktvermarktung gibt, sind Sargbauer außerdem von Kontakten zu Bestattern oder dem Großhandel abhängig. Weitere Marktfaktoren, die in der Studie untersucht wurden, sind Friedhöfe und Steinmetze.
„Beerdigungen werden in Zukunft immer individueller“, wagt der Jenaer Professor für Sportökonomie einen Ausblick. „Särge zum Selbstgestalten beispielsweise sind keine Seltenheit mehr. Außerdem wird die Rolle des Bestatters immer wichtiger. Seine Arbeit wandelt sich verstärkt zur Dienstleistung am Hinterbliebenen als am Verstorbenen. Eine solche Ausrichtung hin zur Trauerbegleitung öffnet andererseits neue Einnahmequellen.“
Frank Daumann, der sich seit mehr als zehn Jahren für diesen scheinbar unsichtbaren Markt interessiert und ihm deshalb auch während seiner Aufgabe in der Sportwissenschaft nachging, hat einen persönlichen Schluss gezogen: „Jeder sollte sich rechtzeitig mit seinem eigenen Ableben beschäftigen und weitestgehend Vorkehrungen treffen. Damit nimmt man den Druck von den Angehörigen und kann selbst bestimmen, wie man von dieser Erde verschwinden will.“
Kontakt:
Prof. Dr. Frank Daumann
Institut für Sportwissenschaft der Universität Jena
Seidelstraße 20, 07749 Jena
Tel.: 03641 / 945641
E-Mail: Frank.Daumann[at]uni-jena.de
Auch in diesem Jahr werden die Friedhöfe an Totensonntag gut besucht sein.
Foto: Jan-Peter Kasper/FSU
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Merkmale dieser Pressemitteilung:
Wirtschaft
überregional
Forschungsergebnisse
Deutsch
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