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Osteuropahistoriker tagen an der Universität Jena über den heutigen Umgang mit Stalins Verbrechen
Unser Wissen über die Verbrechen Stalins ist geprägt durch Alexander Solschenizyns monumentales Werk „Der Archipel Gulag“. Solschenizyn, einst selbst Häftling, setzte den Millionen Gefangenen im Lagersystem der Sowjetunion mit der Kraft der Literatur ein bleibendes Denkmal. Doch wie steht es heute in Russland selbst um die Erinnerungskultur? Wie wird der Diktator Stalin gesehen, der als „Generalissimus“ die Rote Armee zum Sieg über Hitlerdeutschland führte? Mit diesen Fragen befassen sich Wissenschaftler bei der Fachtagung 2010 der Deutschen Gesellschaft für Osteuropakunde (DGO), die am 26. und 27. November in Jena stattfindet.
Dr. Jörg Ganzenmüller, der gemeinsam mit Dr. Raphael Utz die Tagung vorbereitet, spricht von einer Bestandsaufnahme der aktuellen Situation in Russland. „Wir wollen schauen, welche Erinnerungskultur es in Russland heute gibt und zugleich sehen, welche Themen die Osteuropahistoriker bearbeiten“, sagt der Historiker von der Friedrich-Schiller-Universität Jena. Überschrieben wurde die Fachtagung mit „Sowjetische Gesellschaftsverbrechen in der russischen Erinnerungskultur: Orte – Akteure – Identitäten“. Ausrichter sind die Jenaer Zweigstelle der DGO, der Lehrstuhl für Osteuropäische Geschichte der Jenaer Universität und das „Imre Kertész Kolleg Jena“.
Initialzündung für die Fachtagung in Jena war 2009 eine Exkursion nach Moskau und Perm, um eine Vielzahl von Gedenkstätten, Museen und Erinnerungsorten in Augenschein zu nehmen. Die Akteure auf diesem Feld der Erinnerungskultur sind sehr heterogen, so das Fazit der Jenaer Historiker. Zum Beispiel treten Lehrer, Historiker, ehemalige Gefangene und Menschenrechtsorganisationen wie „Memorial“ mit zum Teil bemerkenswerten Initiativen hervor. Ein herausragendes Beispiel ist etwa das Museum Perm 36, das sich am Ort eines ehemaligen stalinistischen Straflagers vor allem für politische Häftlinge befindet. Durch Privatinitiative vor dem Verfall gerettet, ist es heute nicht nur ein besonderer Gedenkort, sondern auch eine überregional ausstrahlende Begegnungsstätte. Die einstige NKWD-Hinrichtungsstätte „Schießplatz Butowo“ in Moskau dagegen wird als Erinnerungsort von der Russisch-Orthodoxen Kirche unterhalten und die Opfer der Massenerschießungen im Großen Terror 1937/38 hier in ein religiöses Gedenken integriert. „Der Staat hat sich noch nicht auf eine klare Linie festgelegt und sendet sehr widersprüchliche Signale aus“, sagen Jörg Ganzenmüller und Raphael Utz. Gerade in dieser noch offenen Situation sei es wichtig, eine erste größere Bestandsaufnahme zu machen, meinen die beiden Jenaer Osteuropahistoriker.
Die Jenaer Fachtagung ist in drei Sektionen gegliedert: „Identitäten“, „Akteure“ und „Orte“. Neben deutschen Historikern wurden russische und polnische Fachkollegen eingeladen, außerdem werden eine Literaturwissenschaftlerin und eine Politologin Beiträge liefern. Die Tagung beginnt am Freitag (26. November) um 9 Uhr in den Rosensälen der Friedrich-Schiller-Universität (Fürstengraben 27). Die interessierte Öffentlichkeit ist ausdrücklich eingeladen, die Teilnahme ist kostenfrei. Um Anmeldungen bis zum 24. November wird gebeten: Joerg.Ganzenmueller[at]uni-jena.de.
Kontakt:
Dr. Jörg Ganzenmüller
Historisches Institut der Friedrich-Schiller-Universität Jena
Fürstengraben 13, 07743 Jena
Tel.: 03641 / 944463
E-Mail: Joerg.Ganzenmueller[at]uni-jena.de
http://www2.uni-jena.de/philosophie/histinst/osteuropa/
Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten, Wissenschaftler, jedermann
Geschichte / Archäologie
regional
Wissenschaftliche Tagungen
Deutsch
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