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Wissenschaft
Bochum, 28.10.1997 Nr. 206
Deutsche - Juden - Polen SACHOR 7 im Klartext Verlag erschienen RUB-Studentische Arbeitsgruppe klärt über Antisemitismus auf
Das neueste Skandalvideo, in dem Bundeswehrsoldaten ihre antisemitische Gesinnung ausleben, ist ein weiterer Mosaikstein in der traurigen Bilanz des deutsch-jüdischen Verhältnisses. Im Nachbarland Polen, das sich auf dem Weg in die europäische Integration befindet, wurden im Parlamentswahlkampf ebenfalls antijüdische Gefühle bedient. So verkündete Ex-Premier Jan Olszewski, daß die Vertreter der Marktwirtschaft und die Ex-Kommunisten ihre ,Befehle aus internationalen jüdischen Kommandostellen mit der Zentrale in Brüssel" bekämen. Diesen antisemitischen Erscheinungen und der deutsch-jüdisch-polnischen Geschichte widmet sich die ,SACHOR 7. Zeitschrift für Antisemitismusforschung, jüdische Geschichte und Gegenwart". Die studentischen Herausgeber wollen mit ihrer Zeitschrift auf ,die Existenz der jüdischen Minderheit, die in und zwischen den beiden Nationalstaaten lebte" aufmerksam machen, die in den Veröffentlichungen zum deutsch-polnischen Verhältnis meist ausgeklammert wird.
Erstmals im Publikumsverlag
Nach sechs Ausgabe im Eigenverlag ist soeben SACHOR (hebräisch: ,Erinnere Dich!") erstmals in neuer Form im Klartext Verlag erschienen. Die Vorsitzende der herausgebenden Studentischen Arbeitsgemeinschaft für Antisemitismusforschung (StAGA e.V.), Heike Catrin Bala, bewertet diese neue Etappe in der Geschichte der Zeitschrift, ,als ersten bedeutenden Schritt in Richtung einer gesicherten Zukunft" für dieses ambitionierte studentische Projekt.
Erfolgreiche studentische Aufklärungsarbeit
Bereits die erste Ausgabe der SACHOR im Jahr 1993 erregte bundesweit Aufsehen. Der WDR urteilte damals: ,Erinnern, das bedeutet für die Herausgeber der SACHOR weder die gebetsmühlenartige Wiederholung von Lehrformeln noch Betroffenheitslyrik. Sie wollen informieren und aufklären." Diesem Anspruch folgte die StAGA e.V. in den vergangenen Jahren nicht allein durch die SACHOR, sondern auch durch eine Vorlesungsreihe zum deutsch-jüdischen Verhältnis, an der auch Ignatz Bubis teilnahm. Die Vorträge wurden im Frühjahr als Sammelband im Klartext Verlag veröffentlicht.
Antisemitismus in Deutschland und Polen
Nun wurde auch die SACHOR in das Programm des Publikumsverlages aufgenommen. Die erste Nummer im neuen Gewand und mit neuer Konzeption beschäftigt sich mit der Beziehungsgeschichte zwischen Polen, Juden und Deutschen. Beginnend mit einer Analyse von Marc Olejniczak zum Leben der Juden in Polen in der Frühen Neuzeit, untersuchen die Autorinnen und Autoren das Verhältnis zwischen den drei Gruppen bis in die Gegenwart. So geht Andrea Löw in ihrem Beitrag der Frage nach, welche Unterschiede und Gemeinsamkeiten der politische Antisemitismus eines Nationalstaates (Deutsches Reich) und einer Nationalstaatsbewegung (polnische Teilungsgebiete) existieren und welche Formen der Judenhaß im heutigen Polen annimmt.
Kontinuitäten in der Ostjudenfeindschaft
Mit dem Stereotyp des polnischen ,Ostjuden" im deutschen Antisemitismus in Monarchie und Republik setzen sich Stefanie Markus und Christian Scholz auseinander. Ausgehend von Treitschkes Parole von der ,Invasion der hosenverkaufenden Jünglinge", die aus dem polnisch-russischen Teilungsgebiet ins Deutsche Reich einwanderten, werden die Kontinuitäten und Unterschiede der Ostjudenfeindschaft bis in die Zwischenkriegszeit herausgearbeitet. In dieser Zeit wirkte der deutsch-jüdische Pazifist Kurt R. Grossmann, dessen individueller Einsatz für die deutsch-polnische Verständigung von seinem Biographen und beratenden Redaktionsmitglied der Sachor, PD Dr. Dr. Lothar Mertens, skizziert wird. Noch nach der ,Machtergreifung" der Nazis organisierte Grossmann im Februar 1933 eine Protestveranstaltung, im gleichen Monat flüchtete er nach Prag.
Unveröffentlichtes Dokument
Zudem wird in der SACHOR 7 erstmals der Bericht einer Bochumer ,Ostjüdin" über ihre Abschiebung im Jahre 1938 in das Lager Zbaszyn in Polen veröffentlicht. Die damals 15jährige Susi Schmerler, die die Nazi-Herrschaft überlebte und heute unter dem Namen Shulamit Nadir in Israel lebt, schrieb ihre Erlebnisse in hebräischer Sprache nieder. Bevor sie ihren Bericht an die Gedenkstätte Yad Vashem übergab, wo er noch heute archiviert ist, fertigte sie eine Abschrift in deutscher Sprache an, die nun den Leserinnen und Lesern der SACHOR zugänglich ist und von Jens Brockschmidt transkribiert und eingeleitet wurde.
Polnischer Widerstand
Der Widerstand gegen die deutsche Besatzung Polens während des Zweiten Weltkriegs wird von Christina Oehrl untersucht. Sie stellt eine wenig beachtete Form der Resistenz in den Mittelpunkt und versucht zugleich, die Beziehungen zwischen dem polnischen und jüdischen Widerstand darzustellen.
Goldhagen und andere
Neben einem Rückblick auf die Goldhagen-Debatte von Andrea Löw beinhaltet der allgemeine Teil dieser Ausgabe zwei Interviews. Zum einen hat Dr. Hubert Schneider mit dem lettischen Historiker und Shoah-Überlebenden Margers Verstermanis gesprochen. Christian Scholz analysiert in seinem Beitrag ausführlich die Symbolik des Staates Israel und ermöglicht so einen Einblick in die politische Kultur und das Selbstverständnis des Landes. Ein umfangreicher Rezensionsteil rundet dieses Ausgabe ab.
Rezensionsexemplare
Weitere Informationen und Rezensionsexemplare sind zu beziehen über den Klartext-Verlag, Presseabteilung, Frau Melanie Brockes, Dickmannstraße 2-4, 45143 Essen, Tel.: 02 01/86 506-29, Fax: 02 01/86 206-22, email: Klartext-Verlag@t-online.de.
Titelaufnahme
Sachor. Zeitschrift für Antisemitismusforschung, jüdische Geschichte und Gegenwart, hrsg. von der StAGA e.V., Essen: Klartext Verlag, ISSN: 0948-2415. Band 7: Deutsche - Juden - Polen. Aspekte einer wechselvollen Beziehung, Essen 1997 (160 Seiten, br., DM 25,00/DM 20,00), ISBN: 3-88474-613-8. (Die SACHOR erscheint einmal im Jahr und kostet als Einzelheft, das über den Buchhandel und den Klartext Verlag bezogen werden kann, DM 25,00. Ein Abonnement kostet DM 20,00.)
Herausgeberin
StAGA e.V., c/o AStA der Ruhr-Universität Bochum, Universitätsstraße 150, 44780 Bochum, Tel.: 02 34/700-47 02, Fax: 02 34/70 16 23 [Fax-Vermerk: z.Hd. StAGA], email: staga@rz.ruhr-uni-bochum.de, Internet: http://www.ruhr-uni-bochum.de/staga.
Merkmale dieser Pressemitteilung:
Geschichte / Archäologie, Gesellschaft, Politik, Recht
überregional
Es wurden keine Arten angegeben
Deutsch
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