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20.12.2010 11:00

Anfänger müssen das System verstehen

Sigrid Neef Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Fachhochschule Jena

    Berufseinsteigertagung zur Praxis des Betreuungswesens in der FH Jena

    Die erste „Applied-Science-Tagung zur Theorie und Praxis des Betreuungswesens" fand Ende September in der Fachhochschule Jena statt. Der Fachbereich Sozialwesen und die BdB-Landesgruppe Thüringen hatten angehende und neue Berufsbetreuer eingeladen, um sie auf ihre verantwortungsvolle Tätigkeit vorzubereiten.

    Mehr als 1,3 Millionen Menschen in Deutschland haben vom Betreuungsgericht einen Betreuer oder eine Betreuerin als rechtlichen Vertreter bestellt. Das betrifft Menschen, die ihre Angelegenheiten wegen einer psychischen Erkrankung oder geistigen Behinderung nicht regeln können. Mitnichten sind das aber nur ältere Demenzkranke, auch nach einem schweren Unfall, einer Suchterkrankung oder einer langwierigen psychischen Krankheitsphase ist man auf einen rechtlichen Vertreter angewiesen.

    Oft sind das dann selbständige Berufsbetreuer, die neben Lebenserfahrung und persönlicher Reife vor allem eine fundierte rechtliche Ausbildung, sehr gute Kenntnisse in psychiatrischen und anderen Gesundheitsthemen haben müssen. Denn von deren Aktivitäten und Fachlichkeit kann das Schicksal der Betroffenen abhängen. Das Betreuungswesen spielt zunehmend für die Sozialarbeit eine wichtige Rolle. In der FH Jena gibt es deshalb seit Jahren gezielte Seminare, um sich mit diesem Berufsfeld vertraut zu machen.

    Wie aber gelingt der Berufseinstieg und worauf ist als Freiberufler zu achten? Wieso sollte in der Betreuungskanzlei ein Qualitätsmanagement nach ISO 9001 eingeführt werden? Welche Erwartungen und Stellung im Betreuungswesen haben die Gerichte und Behörden? Wie können CASE-Management und Betreuungs-Software im Alltag eingesetzt werden? Diese Fragen standen in den Workshops und Vorträgen zum ersten Berufseinsteigertag an der FH Jena im Vordergrund. In einem Theorieseminar mit Studierenden mussten aber zuerst die rechtlichen und fachlichen Grundlagen gelegt werden, danach konnte die Tagung mit den Berufseinsteigern starten.

    Rund 60 Teilnehmer folgten dem innovativen Angebot an der Schnittstelle von Wissenschaft und Berufspraxis. „Ein entscheidender Impuls war, dass wir perspektivisch einen Fachkräftemangel erwarten, da ältere Betreuerinnen und Betreuer gehen und zu wenig junge nachkommen. Daher sind die Studierenden der Sozialen Arbeit eine wichtige Zielgruppe für unsere Profession“, sagte Martin Kristen, Sprecher der Landesgruppe Thüringen und Mitinitiator der Veranstaltung.

    Der Berufseinsteigertag war auch Ergebnis langjähriger Zusammenarbeit von Landesgruppe und Fachhochschule Jena. Professor Reiner Adler vom Fachbereich Sozialwesen nimmt sich schon länger auch als ehemaliger Berufsbetreuer des akademischen Nachwuchses an. „An Hochschulen herrschen Defizite, was die Ausbildung zum Thema Betreuung angeht. Curricula sind dünn, und auch die empirische Erfassung des Berufsfeldes ist lückenhaft“, so seine Erkenntnis. Die gute Resonanz auf den von ihm verantworteten Berufseinsteigertag zeige den offensichtlichen Bedarf nach Information und Austausch.

    Für Adler kristallisierten sich am 22. September auch bekannte Problemfelder heraus: „Es gibt eine Grauzone im Hinblick auf den Berufszugang. Für viele Betreuer entsteht ein unerträglich langes Praktikum, wenn sie von Gerichten und Behörden an der Grenze von zehn Betreuungen gehalten werden, eine Art Langzeit-Assessment-Center für zum Teil hochqualifizierte Kräfte. Das ist unerträglich.“ Auch erlebten viele einen Praxisschock im Umgang mit Behörden und Gerichten. Den Eindruck teilt Berufsbetreuerin und Landesgruppen-Vorstandsmitglied Heike Reinhard: „Mir wurde klar, wie unterschiedlich der Umgang mit Berufsbetreuern in einigen Regionen ist.“

    In punkto Verständigung schaffte die Veranstaltung Abhilfe: Durch die Einbindung der Leiterin der örtlichen Betreuungsbehörde, Frau Dipl. Psychologin Lindner, und der Gothaer Betreuungsrichterin Frau Daubitz, bekamen die am Betreuungsprozess beteiligten Stellen nicht nur ein Gesicht, „sie konnten den Einsteigern auch Rückgrat mitgeben“, lobte Siegmar Mücke, Berufsbetreuer aus Erfurt.

    Ein allseits positives Fazit bestärkt die Initiatoren, eine Neuauflage des Berufseinsteigertages ins Auge zu fassen, „vielleicht auch länderübergreifend“, so Martin Kristen. Adlers Empfehlung für andere Veranstalter liegt klar in einer Verzahnung von Wissenschaft und Praxis sowie der richtigen Inhalte: „Neulinge brauchen vor allem Informationen, um das System zu verstehen.“ Eine Dokumentation der Veranstaltung wird voraussichtlich bis Anfang 2011 erstellt.

    Prof. Dr. Reiner Adler
    reiner.adler@fh-jena.de


    Weitere Informationen:

    http://www.fh-jena.de


    Bilder

    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Journalisten, Studierende, Wissenschaftler
    Gesellschaft, Psychologie, Recht
    überregional
    Wissenschaftliche Tagungen, wissenschaftliche Weiterbildung
    Deutsch


     

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