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17.12.1997 00:00

Medikamentös Ohrformen korrigieren

Dr. Josef König Dezernat Hochschulkommunikation
Ruhr-Universität Bochum

    Bochum, 16.12.1997 Nr. 252

    Wen die Segelohren stören ... Kindern mit Medikamenten Operationen ersparen Novartis-Preis: RUB-Mediziner korrigiert Kaninchenohren

    Wem nicht gerade wegen seiner Segelohren eine erfolgreiche Karriere als Schauspieler in die Wiege gelegt ist, der leidet unter seiner Anomalie häufig sein Leben lang unter den Blicken der Mitmenschen. Wenige Tage nach der Geburt ist der Ohrmuschelknorpel hart, und dann bleibt nur die Operation als Korrekturmöglichkeit übrig. Vielleicht könnte in Zukunft das Enzym Hyaluronidase Hilfe bringen. In einem Test an weißen Neuseelandkaninchen konnte Dr. Holger Sudhoff (Medizinsche Fakultät der RUB) kürzlich nachweisen, daß man mit diesem Enzym Ohrmuschelknorpel dauerhaft und frei von Nebenwirkungen verändern kann. Der diesjährige mit DM 12.000 dotierte Preis der ,Novartis-Stiftung für therapeutische Forschung" (ehemals Sandoz-Stiftung) an der Medizinischen Fakultät der RUB war Dr. Sudhoffs Lohn für seine Dissertation ,Untersuchung zur nicht-operativen Verformbarkeit der Ohrmuschelform des Kaninchens - eine tierexperimentelle Studie"

    Verbände stellen selten zufrieden

    Abweichungen der Ohrmuschelform lassen sich im frühen Säuglingsalter mit Hilfe von Ohrverbänden in die ,normale" Kontur bringen. Die Eigenschaften des Ohrmuschelknorpels verändern sich jedoch im Laufe des Heranwachsens, so daß spätere Korrekturversuche keine zufriedenstellenden Ergebnissen zeitigen. Mit Hilfe dieser bereits bekannten, jedoch in Deutschland sehr selten durchgeführten Methode, kann man einigen Kindern eine Ohroperation ersparen. Diese würde man sonst in der Regel vor der Einschulung des Kindes durchführen.

    Erstmals nachgewiesen: Ohrknorpel haben Rezeptoren für Östrogen

    In seiner Arbeit hat der Bochumer Wissenschaftler versucht, die Eigenschaften des Ohrknorpels, insbesondere dessen Verformbarkeit, der des Säuglingsalters anzugleichen. Damit könnte man die auf die ersten Lebenstage beschränkte Ohrmuschelverformbarkeit auf spätere Zeiträume ausdehnen. Bisher ist nicht genau bekannt, weshalb sich die mechanischen Eigenschaften des Ohrknorpels ändern. Einige Wissenschaftler vermuten einen Zusammenhang zwischen dem bei der Geburt deutlich erhöhten Blutspiegel des weiblichen Geschlechtshormones Östrogen und der Ohrmuschelverformbarkeit. Dieses Hormon soll die Vernetzung und Zusammensetzung der Grundsubstanz und somit die mechanischen Eigenschaften des Knorpels beeinflussen. Bisher war es unbekannt, ob der Ohrknorpel Rezeptoren für Östrogen enthält. In dieser Arbeit konnte Dr. Sudhoff mit Hilfe bestimmter Nachweistechniken (unter Einsatz von Antikörpern, die spezifisch an den Rezeptor binden) erstmalig Östrogenrezeptoren im Ohrknorpel nachweisen. Hieraus ergab sich die Möglichkeit, den Knorpel direkt mit Östrogen zu behandeln.

    Experimente mit drei Substanzen

    Von verschiedenen Substanzen, die zur Zeit auch in der Therapie eingesetzt werden, ist bekannt, daß sie die Grundstubstanz von Geweben beeinflussen. Neben dem weiblichen Geschlechtshormon Östrogen, zählen hierzu die Enzyme Papain und Hyaluronidase. Papain ist ein Eiweiß, das aus der Ananas gewonnen wird und bereits in der Orthopädie zum Auflösen von Bandscheibenvorfällen eingesetzt wird. Hyaluronidase, ist ebenfalls ein Enzym, das unter anderem aus Stierhoden gewonnen werden kann und in der Krebstherapie eingesetzt wird. Kommt es versehentlich zu einem Einlaufen des Chemotherapeutikums in das Gewebe und nicht in die Vene, kann man mit Hilfe der Hyaluronidase einen beschleunigten Abbau des Chemotherapeutikums erreichen.

    Kaninchen mußten nicht leiden

    Dr. Sudhoff experimentierte an weißen Neusseelandkaninchen. Die drei untersuchten Substanzen wurden jeweils in die Ohrmuschel gespritzt, anschließend wurden Ohrverbände für drei Wochen angelegt. Nach einem, sieben und einundzwanzig Tagen wurden kleine Proben aus dem Knorpel entnommen, die dann weiter untersucht wurden. Nach der Abnahme der Ohrverbände wurden alle Kaninchen für einen Zeitraum von einen Monat beobachtet, um die Dauerhaftigkeit der Ohrmuschelkorrektur zu untersuchen.

    DNS bestimmt

    Alle entnommenen Proben wurden unter dem Lichtmikroskop und dem Elektronenmikroskop kontrolliert. Zusätzlich wurden bestimmte Moleküle der Grundsubstanz mit einem neuen Verfahren aus dem Knorpel isoliert und quantifiziert. Neben dem Wassergehalt wurden der Gehalt an Eiweißen und DNS, bzw. deren Veränderungen durch die jeweiligen Substanzen bestimmt.

    Nur mit Hyaluronidase erfolgreich

    Nur mit Hilfe des Enzyms Hyaluronidase konnten zufriedenstellende Korrekturergebnisse ohne Nebenwirkungen erzielt werden. Papain führte zu starken Nebenwirkungen und kann daher nicht für diese Fragestellung eingesetzt werden. Östrogen bewirkte eine Aufweichung des Knorpels sowie ein Wachstum der Knorpelzellen. Jedoch ließ sich darüber keine dauerhafte Formveränderung der Ohrmuschel erzielen.

    Auf Operationen verzichten

    Hyaluronidase führte zu einer schnellen und reversiblen Knorpelveränderung und ermöglichte somit eine Formveränderung der Ohrmuschelform. Mit Hilfe dieser Methode besteht möglicherweise die Aussicht, auf plastische Operationen bei der Korrektur kleinerer Konturveränderungen des Ohres zu verzichten. Die Möglichkeit einer nicht-operativen Therapie könnte somit auf spätere Zeiträume ausgedehnt werden.

    Norvarits-Stiftung (Ciba-Geigy + Sandoz) fördert junge Mediziner

    Die ,Novartis-Stiftung für therapeutische Forschung" ist die Rechtsnachfolgerin der Sandoz-Stiftung für therapeutische Forschung. Die Umbenennung erfolgte nach der Fusion von Sandoz mit Ciba-Geigy und der damit verbundenen Namensänderung in ,Novartis Pharma GmbH". Aus den Erträgen eines Stiftungskapitals von DM 20 Mio. DM (je nach Zinslage zwischen 1,5 bis 1,7 Mio DM) fördert die Stiftung medizinisch-therapeutische Forschungsprojekte an Universitäten, darunter junge Wissenschaftler an 15 medizinischen Fakultäten in der Bundesrepublik Deutschland. Seit 1996 wird auch die Medizinische Fakultät der RUB von der ,Novartis-Stiftung" gefördert.

    Weitere Informationen

    Dr. Holger Sudhoff, HNO-Klinik der Ruhr-Universität Bochum im St. Elisabeth-Krankenhaus Bochum, Tel. 0234/612-279, Fax: 0234/612-279, email: Holger.Sudhoff@ruhr-uni-bochum.de


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    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Biologie, Chemie, Ernährung / Gesundheit / Pflege, Informationstechnik, Medizin
    überregional
    Forschungsprojekte
    Deutsch


     

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