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Wissenschaft
Große Studien haben die Akupunktur bei bestimmten Schmerzformen salonfähig gemacht. „Doch bei anderen Schmerzarten, etwa Muskel- und Nackenschmerz wird sie nicht eingesetzt, obwohl wir in Studien gezeigt haben, dass sie der konventionellen Behandlung überlegen ist“, bedauert Dr. Dominik Irnich, Ärztlicher Leiter der interdisziplinären Schmerzambulanz der Ludwig-Maximilians-Universität München auf dem Deutschen Schmerz- und Palliativtag 2011 in Frankfurt.
Telefonkonferenz für Medien
Heute, 24.03.2011 · 16.00 bis 16.30 Uhr
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Code: 240311
Experten: Dr. med. Thomas Cegla, Wuppertal
Dr. med. Dominik Irnich, München
Vor neun Jahren ging die Nachricht durch die Presse: „Akupunktur lindert bei über 70 Prozent der behandelten Patienten Kopf-, Rücken- und Gelenkschmerzen.“ Seit das weltweit größte naturheilkundliche Forschungsprojekt „Modellvorhaben Akupunktur der 10 Ersatzkassen“ die Integration der Akupunkturbehandlung in die Regelversorgung anstieß, boomt die fernöstliche Nadeltechnik. Das gilt allerdings nur für jene Indikationen, bei denen die gesetzlichen Krankenkassen eine Nadelbehandlung bezahlen: chronische Rückenschmerzen und Kniearthrose. „Man kann sagen, dass die Akupunkturbehandlung in den von den Kassen bezahlten Indikationen inflationär angestiegen ist. In allen anderen Bereichen, beispielsweise bei Nacken- oder Muskelschmerzen, spielt sie praktisch keine Rolle – obwohl wir in Studien gezeigt haben, dass sie der konventionellen Behandlung überlegen ist“, bedauert Dr. Dominik Irnich, Ärztlicher Leiter der interdisziplinären Schmerzambulanz der Ludwig-Maximilians-Universität München auf dem Deutschen Schmerz- und Palliativtag 2011 in Frankfurt.
IN DER BREITENVERSORGUNG NOCH NICHT ANGEKOMMEN. Die Akupunktur fehlt beispielsweise in vielen Versorgungsverträgen, auch die Behandlungsleitlinien gewichten die Akupunktur nur schwach. „Wir bedauern sehr, dass die Akupunktur nicht einmal in der ‚Nationalen Versorgungsleitlinie Kreuzschmerz’ genügend berücksichtigt wurde“, kommentiert Dr. Thomas Cegla, Zentrum St. Josef Wuppertal.
Vizepräsident der Deutschen Gesellschaft für Schmerztherapie e.V. „Sie ist ein wichtiger Bestandteil in der multimodalen Schmerztherapie und nicht nur bei chronischem Rückenschmerz und arthrosebedingtem Knieschmerz sehr erfolgreich, sondern darüber hinaus bei chronischen Schmerzen im Schulter-, Kopf- und Gesichtsbereich.“
Die fernöstliche Nadelbehandlung lindert in Ergänzung zu konventionellen Therapiestrategien nicht nur chronische Rückenschmerzen, sondern auch die häufig damit einhergehenden Depressionen deutlich wirksamer als die konventionellen Strategien allein. Das bestätigt eine aktuelle Metastudie des australischen „Nationalen Institutes für komplementäre Medizin“. Als alleinige Methode erwies sich jedoch auch die Akupunktur als zeitlich nur sehr begrenzt wirksam.
Überraschend positive Ergebnisse lieferte im letzten Jahr eine Vergleichsstudie, bei der ein Forscherteam um Albrecht Molsberger an der Ruhr-Universität Bochum die Erfolge der Akupunkturbehandlung mit der konventionellen orthopädischen Therapie verglich. Die Forscher teilten 424 Patienten mit chronischem Schulterschmerz in drei Gruppen ein: eine Gruppe bekam 15 „echte“ Akupunkturbehandlungen (es wurden echte Akupunkturpunkte gestochen) , die zweite Gruppe unterzog sich 15 Scheinakupunkturbehandlungen, die dritte Gruppe bekam konventionelle Therapie, bestehend aus Physiotherapie und Schmerzmitteln. Das Fazit: Bei mehr als drei Viertel der Akupunkturpatienten war der Schmerz noch drei Monate nach der Behandlung mehr als halbiert worden. Über so gute Ergebnisse konnte sich nach konventioneller Behandlung nicht einmal die Hälfte der Studienteilnehmer freuen. Die geringste Schmerzlinderung erfuhren jene Patienten, die eine Scheinakupunktur bekommen hatten.
Zwar belastet eine Akupunkturbehandlung bei Indikationen, für deren Behandlung die Kassen die Kosten nicht übernehmen, das private Portemonnaie mit 25 bis 50 Euro pro Sitzung, doch für viele Patienten wäre dies dennoch kein Grund, die Therapieform abzulehnen. Offenbar verschreiben Ärzte, ohne Alternativen vorzuschlagen – quasi reflexartig – zunächst Schmerzmittel. Das legt eine Umfrage nahe, bei der 332 Ärzte - Schmerztherapeuten, Rheumatologen und Orthopäden - einen Fragebogen über die Behandlung von Muskelschmerzen in ihrer Praxis ausfüllten. Das Fazit: Medikamente wie Ibuprofen und Diclofenac wurden zwar von den Ärzten als wenig wirksam eingeschätzt, aber dennoch häufig angewendet. „Dagegen wurde die Akupunktur als effektiv eingestuft, aber selten genutzt“, so Irnich.
„MEISTER DER AKUPUNKTUR“. Die Nachfrage nach Akupunktur ist bei Patienten und Ärzten deutlich angestiegen. Da die zunächst festgesetzten 200 Ausbildungsenheiten für die Zusatzbezeichnung „Akupunktur“ den Akupunktur-Fachgesellschaften deutlich zu wenig erschienen - der internationale Standard liegt bei 300 bis 500 Einheiten - bietet die Deutsche Ärztegesellschaft für Akupunktur (DÄGfA) inzwischen weiterführende Fortbildungszertifikate an, bis hin zum „Meister der Akupunktur.“ „Wir raten den Patienten, sich entweder über die Akupunkturgesellschaften oder über die Deutsche Schmerzliga zu informieren, wo sie eine qualitativ hochwertige Therapie bekommen, denn unter qualitativ hochwertig verstehen wir nicht nur das Nadeln an sich. Zu einer professionellen Akupunkturbehandlung gehört ebenso die Untersuchung und das Gespräch mit dem Patienten, aus dem sich mitunter Hinweise auf weitere therapeutische Maßnahmen ergeben“, ergänzt Cegla.
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