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Dresden. Dresdner Regenerationsforscher haben ein Versuchsmodell geschaffen, mit dem im erwachsenen Gehirn von Säugetieren Nervenzellen gezielt vermehrt werden können. Mit ihrer neu entwickelten Methode lässt sich zum ersten Mal die adulte Neurogenese im Säugetiergehirn an- und abschalten. Mit dem neuen Modell werden kontrollierte Versuche zum Einfluss der neuronalen Stammzellen auf die kognitiven Funktionen des Gehirns, einschließlich des Lernens, des Gedächtnisses und des Gemütszustands möglich. Die Wissenschaftler erhoffen sich nun auch verbesserte Forschungsansätze, für welche Therapien neuronale Stammzellen künftig zu nutzen sein könnten.
Stammzellen sind die Zellen, von denen andere Zellen abstammen. Sie sorgen dafür, dass unter anderem Säugetiere sich entwickeln und lebenslang anpassen können. Die regenerative Medizin birgt große Hoffnungen für neue Therapieansätze, die Forschung befindet sich jedoch noch in den Anfängen. So ist beispielsweise in sehr weiten Teilen die Funktion der Stammzellen im erwachsenen Gehirn noch unbekannt. Sicher ist, dass nicht nur im embryonalen, sondern auch im adulten (erwachsenen) Gehirn von Säugetieren die neuronalen Stammzellen die gesamte Lebenszeit hindurch Nervenzellen (Neuronen) und Gliazellen (Stützzellen) produzieren, die in ihrer Gesamtheit das Nervensystem bilden. Studien verschiedener Wissenschaftler konnten bisher nur Hypothesen aufstellen: Die neuronalen Stammzellen seien entscheidend für die Kontrolle der kognitiven Gehirnfunktionen wie Lernen, Gedächtnis und Gemütszustand. Eine verstärkte Neurogenese erhöhe auch die Lern- und Gedächtnisfähigkeit. Bei alternden Säugetieren nehme die Bildung von Nervenzellen ab, während zeitgleich die Lernfähigkeit und Gedächtnisleistung sinke. Das bisher fehlende Versuchsmodell, um die aufgestellten Hypothesen zu beweisen oder zu wiederlegen, haben Dr. rer. nat. Federico Calegari und Benedetta Artegiani vom DFG-Forschungszentrum für Regenerative Therapien Dresden (CRTD) mit ihrer Arbeitsgruppe entwickelt. In der aktuellen Ausgabe des Journal of Experimental Medicine wird nun das erste Mal das Versuchsmodell sowie die kontrollierte Vermehrung von neuronalen Stammzellen beschrieben. Die Forschungsergebnisse sind gemeinsam mit Prof. Dr. phil. Dirk Lindemann vom Institut für Virologie der Technischen Universität Dresden entstanden.
Neuronale Stammzellen konnten in erwachsenen Säugetiergehirnen bisher nur in begrenzter Anzahl gefunden werden. Sie ließen sich nur schwer vermehren; auch ihr Wechsel zu ausdifferenzierten Neuronen war schwer zu kontrollieren und nachzuweisen. Vor allem im hohen Alter ist die Anzahl der neugebildeten Nervenzellen sehr niedrig. „Zu Beginn unseres Forschungsprojektes gab es keine Methode, wie die Anzahl der Stammzellen in adulten Gehirnen von Säugetieren erhöht werden konnte“, beschreibt Federico Calegari die Ausgangssituation. In einer 2009 publizierten Studie konnten die Dresdner Wissenschaftler in embryonalen Mausgehirnen nachweisen, dass eine verkürzte Zeitspanne zwischen zwei Zellteilungen die Vermehrung der Stamm- und reifen Nervenzellen ermöglicht und dadurch das Gehirn vergrößern kann. Dafür hatte er die Menge des Proteinkomplexes cdk4 und cyclinD1 in sich entwickelnden Maus-Embryonen erhöht. Cdk4 und cyclinD1 sind in allen Zellen natürlicherweise vorhanden und steuern das Fortschreiten im Zellzyklus und damit die Zellteilung. Eine Regulation des Zellzyklus ist wichtig für die Entwicklung des Gehirns, jedoch schienen die gewonnenen Erkenntnisse für die Erforschung der adulten Neurogenese und den potentiellen Nutzen von neuronalen Stammzellen für die Therapie nicht von Bedeutung zu sein.
Calegari hat sich bei seinen Versuchen für den Hippocampus erwachsener Mäuse entschieden, eine Hirnregion, die enorm wichtig für die Gedächtniskonsolidierung, also die Überführung von Gedächtnisinhalten aus dem Kurzzeit- in das Langzeitgedächtnis, sowie das Lernen ist. Mit Hilfe genetisch programmierter Viren (virale Vektoren) führt er im Maus-Hippocampus eine Überexpression des Proteinkomplexes cdk4 und cyclinD1 herbei, die eine erhöhte Produktion von Stammzellen in Gang setzt. Gleichzeitig ist die Neurogenese, die Entwicklung von Stammzellen in ausdifferenzierte Neuronen, unterdrückt worden. Normalerweise teilt sich jede Stammzelle in zwei Zellen, von denen eine Zelle eine Stammzelle bleibt, während die andere sich ausdifferenziert. „Aus dem erhöhten Stammzellpool haben sich nach dem Abschalten verstärkt Neuronen gebildet“, berichtet Federico Calegari. „Wir haben damit nachgewiesen, dass es im erwachsenen Mausgehirn möglich ist, die Neurogenese positiv zu beeinflussen.“ Diese Technologie ist zum Patent angemeldet.
Das Modell der Dresdner Wissenschaftler, das nach Belieben das An- und Ausschalten der cdk4- und cyclinD1-Überexpression erlaubt, um zusätzliche neuronale Stammzellen oder Neuronen zu gewinnen, ist ein bedeutender Fortschritt für die Stammzellforschung und die Entwicklung neuer Therapien für neurodegenerative Erkrankungen oder Verletzungen des zentralen Nervensystems.
Publikation:
Benedetta Artegiani¹, Dirk Lindemann¹’² und Federico Calegari¹: Overexpression of cdk4 and cyclinD1 triggers greater expansion of neural stem cells in the adult mouse brain. The Journal of Experimental Medicine (2011).
¹ DFG-Forschungszentrum für Regenerative Therapien Dresden, Medizinische Fakultät der Technischen Universität Dresden
² Institut für Virologie, Medizinische Fakultät der Technischen Universität Dresden
Kontakt für Journalisten:
Birte Urban-Eicheler, Pressesprecherin CRTD/ BIOTEC
Tel.: 0351 463 40347
E-Mail: birte.urban-eicheler@crt-dresden.de
Dr. rer. nat. Federico Calegari, Forschungsgruppenleiter am CRTD
E-Mail: federico.calegari@crt-dresden.de
Das DFG-Forschungszentrum für Regenerative Therapien Dresden (CRTD) der Technischen Universität Dresden ist das bisher einzige DFG-Forschungszentrum und Exzellenzcluster in den neuen Bundesländern. Ziel des CRTD ist es, das Selbstheilungspotential des Körpers zu erforschen und völlig neuartige regenerative Therapien für bisher unheilbare Krankheiten zu entwickeln. Die Forschungsschwerpunkte des Zentrums konzentrieren sich auf Hämatologie und Immunologie, Diabetes, neurodegenerative Erkrankungen, Knochen- und Knorpelersatz sowie Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Zurzeit arbeiten fünf Professoren und elf Forschungsgruppenleiter am CRTD, die in einem interdisziplinären Netzwerk von über 80 Mitgliedern sieben verschiedener Institutionen Dresdens eingebunden sind. Zusätzlich unterstützen 18 Partner aus der Wirtschaft das Netzwerk. Dabei erlauben die Synergien im Netzwerk eine schnelle Übertragung von Ergebnissen aus der Grundlagenforschung in klinische Anwendungen.
http://www.crt-dresden.de/press-and-public/press-releases/ - zur Pressemeldung
Mikroskopisches Bild aus dem Gyrus dentatus im Hippocampus einer erwachsenen Maus, dem Hauptzentrum ...
Foto: CRTD: F. Calegari
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Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten
Biologie, Medizin, Psychologie
überregional
Forschungs- / Wissenstransfer, Forschungsergebnisse
Deutsch
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