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Wissenschaft
Am 14. Mai 2011 wird in einem Festakt die weltgrößte noch existierende Springladen-Orgel in Borgentreich/Westfalen nach über fünfjähriger Restaurierung wiedereingeweiht. An der erfolgreichen Restaurierung waren auch Wissenschaftler vom Helmholtz-Zentrum Dresden-Rossendorf (HZDR) sowie von der TU Bergakademie Freiberg beteiligt. Springladen waren im 17. Jahrhundert, der Blütezeit der deutschen Orgelkultur und Entstehungszeit dieser Orgel, die komplexesten „Steuerschränke“ für den Orgelwind.
Das gesamte Restaurierungs-Projekt lag in den Händen der renommierten sächsischen Firma Eule Orgelbau GmbH aus Bautzen, die bereits andere weltweit beachtete Restaurierungen wie die der Ladegast-Orgel der Leipziger „Revolutionskirche“ St. Nicolai oder der von J.S. Bach mitkonzipierten Naumburger Hildebrandt-Orgel erfolgreich ausgeführt hatte.
Der Hitech-Materialforscher Wolfgang Skorupa vom Helmholtz-Zentrum Dresden-Rossendorf, im Privatleben begeisterter Organist und Organologe, hatte schon im Jahr 2006 gemeinsam mit dem Chefrestaurator der Orgelbaufirma, Helmut Werner, die Notwendigkeit für ein Forschungsprojekt erkannt. Für die Herausforderung, die heute verschüttete Tradition der Herstellung von Orgelpfeifen mit einem Bleianteil von mehr als 95 Prozent neu zu entwickeln, war eine Technologie gefragt, mit der ansonsten Mikrochips optimiert werden.
In einem von der Sächsischen Aufbaubank geförderten Projekt mit der Orgelbaufirma und dem Helmholtz-Zentrum als Partnern, wobei auch Wissenschaftler der TU Bergakademie Freiberg mitwirkten, konnten die technologischen Grundlagen für die Herstellung der Orgelpfeifen aus hochprozentigen Bleilegierungen erkundet werden. Kernstück war die Wiedereinführung einer Gießbank mit beschleunigter Abkühlung für das flüssige Blei auf Basis einer Lausitzer Granitplatte als schnell wirkender Wärmesenke. „Wir haben diese für uns unkonventionelle Unterstützung durch die sächsische Materialforschung als beispielgebend und einzigartig in die Annalen unserer seit 1872 bestehenden Firma eingebrannt“, sagen Anne-Christin Eule, Geschäftsführerin der Orgelbaufirma, und Helmut Werner.
Für die Forscher aus Dresden und Freiberg wiederum war die Entdeckung faszinierend, dass bei der gewählten Prozessführung die gleichen physikalischen und ingenieurtechnischen Prinzipien wirken wie bei hochmoderner Materialbearbeitung. Denn eigentlich beschäftigt sich die Gruppe von Wolfgang Skorupa in enger Zusammenarbeit mit den Freiberger Materialforschern um David Rafaja damit, zuvor behandelte Halbleiter-Oberflächen mit Hilfe von Blitzlampen und Lasern im Millisekunden-Bereich zu erhitzen. Dieser „Temperung“ genannte Prozessschritt führt nicht zu einer kompletten Durchwärmung des Materials, sondern nur zu einer ultrakurzen Erhitzung der Oberfläche mit sofortigem Wärmeabtransport in die Unterlage, hier einen Silizium-Wafer. „Die von uns mitentwickelte Technologie wird inzwischen bereits für die Fertigung modernster Mikroprozessor-Chips eingesetzt, auch in Dresden!“, so Skorupa der mit seiner Kollegin Heidemarie Schmidt noch in diesem Jahr einen Workshop dazu veranstaltet (www.subtherm.de).
Und heute stehen die alten und neugefertigten Pfeifen dunkel glänzend im Prospekt der Borgentreicher Orgel und erfreuen Organisten und Zuhörer mit ihrer satten Tongebung.. „Letztendlich aber ist es diese Synergie von modernster Materialwissenschaft und altehrwürdigem, gediegenem Handwerk im Dienst der Musik, die mich begeisterte und auch weitertreibt“, freut sich Wolfgang Skorupa, der bereits ein neues Orgelprojekt konzipiert. Dabei soll erstmalig eine von ihm und seinen Kollegen am Helmholtz-Zentrum in Dresden entwickelte Nano-Technologie für den Korrosionsschutz solch hochprozentiger Bleilegierungen gegen aggressive Umwelteinflüsse eingesetzt werden. Die Technologie selbst basiert auf der Implantation von schnellen geladenen Teilchen (Ionen), was im Ionenstrahlzentrum des Zentrums möglich ist. Orgelbauer und Organologen aus Europa und den USA haben bereits ihr starkes Interesse bekundet.
Die Restaurierung der Springladen-Orgel Borgentreich stand unter der Schirmherrschaft von Bundestagspräsident Norbert Lammert.
Weitere Informationen
Dr. Wolfgang Skorupa
Helmholtz-Zentrum Dresden-Rossendorf
Institut für Ionenstrahlphysik und Materialforschung
Tel. 0351 260-3612
w.skorupa@hzdr.de
Anne-Christin Eule, Geschäftsführerin
Hermann Eule Orgelbau GmbH
Wilthener Straße 6
02625 Bautzen
Tel.: 035 91 30 45 76
anne-christin.eule@ euleorgelbau.de
Pressekontakt
Dr. Christine Bohnet
Presseprecherin
Tel. 0351 260-2450 oder 0160 969 288 56
c.bohnet@hzdr.de
www.hzdr.de
Helmholtz-Zentrum Dresden-Rossendorf
Bautzner Landstr. 400
01328 Dresden
Das Helmholtz-Zentrum Dresden-Rossendorf (HZDR) hat das Ziel, langfristig ausgerichtete Spitzenforschung auf gesellschaftlich relevanten Gebieten zu leisten. Folgende Fragestellungen stehen hierbei im Fokus:
• Wie verhält sich Materie unter dem Einfluss hoher Felder und in kleinsten Dimensionen?
• Wie können Tumorerkrankungen frühzeitig erkannt und wirksam behandelt werden?
• Wie schützt man Mensch und Umwelt vor technischen Risiken?
Zur Beantwortung dieser wissenschaftlichen Fragen werden sechs Großgeräte mit teils einmaligen Experimentiermöglichkeiten eingesetzt, die auch externen Nutzern zur Verfügung stehen.
Das HZDR ist seit 1.1.2011 Mitglied der Helmholtz-Gemeinschaft, der größten Wissenschaftsorganisation Deutschlands. Es hat drei Standorte in Dresden, Leipzig und Grenoble und beschäftigt rund 800 Mitarbeiter – davon 370 Wissenschaftler inklusive 120 Doktoranden.
http://www.hzdr.de
http://www.euleorgelbau.de
Der restaurierte Prospekt der Borgentreicher Orgel und das Labium einer historischen Blei-Pfeife mit ...
Fotos: Jörg Kraemer, Borgentreich
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Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten, Wissenschaftler, jedermann
Kunst / Design, Werkstoffwissenschaften
überregional
Forschungs- / Wissenstransfer, Forschungsergebnisse
Deutsch
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