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Wissenschaft
Bochum, 16.01.1998 Nr. 13
Einmal Verräter - immer Verräter?! Zur Integration deutscher Widerstandskämpfer nach 1945 RUB-Projekt: Anfänge der westdeutschen Nachrichtendienste
Der Fall John hat Wellen geschlagen: 1954 wechselte der Verfassungsschutz-Präsident der Bundesrepublik in die DDR über. Dort machte er Propaganda gegen den bundesdeutschen Beitritt zur Nato. John hatte damit das Vertrauen enttäuscht, das man in ihn als ,überzeugten Demokraten" und ,ausgewiesenen Mann des Widerstands" gegen Hitler gesetzt hatte. Speziell die Nachrichtendienste und die Gründungsväter der Bundeswehr fühlten sich bestätigt in ihren Vorbehalten gegen die Aufnahme ehemaliger Widerstandskämpfer. Mit diesem Teil deutscher Geschichte befaßt sich das Projekt der Bochumer Historikerin Dr. Susanne Meinl ,Einmal Verräter - immer Verräter?! - Der deutsche Widerstand und die Anfänge der westdeutschen Nachrichtendienste", das Prof. em. Dr. Hans Mommsen betreut. Die Volkswagen-Stiftung fördert seit kurzem großzügig das Projekt in für einen Zeitraum von 18 Monaten.
Das Dilemma beim Aufbau der Bundeswehr
,Wer einmal zum Verräter geworden ist ..., hat die charakterliche Neigung, das bei der nächsten Belastung wieder zu sein": Dieses Diktum des späteren Justizministers von Merkatz fand Gehör auch in Regierungskreisen. Doch man befand sich beim Aufbau der neuen Bundeswehr in einer Zwickmühle. Einerseits sah man sich in den Vorverhandlungen angewiesen auf die Soldatenverbände, die die ehemaligen Widerstandskämpfer in der Armee vehement ablehnten. Andererseits brauchte die Regierung die Identifikation mit dem Widerstand, um politische Bedenken gegen die Remilitarisierung zu zerstreuen. Deshalb hatte man mit John 1950 im Verfassungschutz einen radikalen Neuanfang symbolisieren wollen. 1954 schien das Überlaufen Johns allerdings die alten Unkenrufe zu bestätigen.
Von Verschwörern und Helden
Der Aufbau der Nachrichtendienste stand - wie der des neuen Heers - nach 1945 zunächst unter der Ägide der Alliierten. So gab es die vom CIA unterstützte ,Organisation Gehlen", die auch hochrangige SS-Führer rekrutierte. Reinhard Gehlen, der spätere Chef des Bundesnachrichtendienstes, bekämpfte die Vorläufer des späteren Verteidigungsministeriums, die ,Dienststelle Schwerin" und das ,Amt Blank", nicht allein, weil sie Mitglieder des ehemaligen Widerstands beschäftigten, sondern auch, weil sie seine Übernahme in den Bundesdienst verzögerten. Der Fall John und das Voranschreiten des Kalten Krieges sorgten für Angst vor Spionen, Agenten und kommunistischen Verschwörungen. Dadurch gelang es der Gruppe um Gehlen schließlich, den Sieg über die ,Offiziere der Hitler-Oposition" davonzutragen. Dr. Susanne Meinl kommentiert: ,Nüchtern betrachtet war es wohl kaum die große Konspiration der Ewiggestrigen gegen die - wohl auch nicht ganz so hehren - Helden des Widerstands".
Umfang der Untersuchung
Die Bochumer Historikerin untersucht den Einfluß der verschiedenen Nachrichtendienste auf die Politik Adenauers bis 1955. Sie will die Rolle der Besatzungsmächte, speziell die der Amerikaner, im Aufbau der Dienste beleuchten. Schließlich geht es um die Frage, wie weit persönliche und ideologische Reibereien zwischen Regimegegnern und Parteigängern des NS-Staates dabei mitgespielt haben.
Weitere Informationen
Dr. Susanne Meinl, Ruhr-Universität Bochum, Fakultät für Geschichtswissenschaft, Lehrstuhl für Neuere Geschichte II, 44780 Bochum, Tel. 0234/700-2196, privat: Tel./Fax: 06406/904648
Merkmale dieser Pressemitteilung:
Geschichte / Archäologie, Gesellschaft, Politik, Recht
überregional
Forschungsprojekte
Deutsch
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