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Wissenschaft
Bochum, 18.07.1996 Nr. 137
Wenn der Verkehr zusammenbricht
UEber die Ursachen des Geschwindigkeitsverhaltens
RUB-Studie ueber Leistungsfaehigkeit von Autobahnen
Nicht nur vor Ferienreisen fragen sich viele, warum Autobahnen verstopfen? Was veranlasst Autofahrer, schneller oder langsamer zu fahren? Bisher unbestaetigte Vermutungen ueber Stoerungen im Autobahnverkehr konnte Dr.-Ing. Martin Ponzlet in seiner Dissertation ,Dynamik der Leistungsfaehigkeiten von Autobahnen" weitgehend festschreiben. Dabei gelang es ihm, erstmals fuer deutsche Verhaeltnisse das sogenannte capacity-drop Phaenomen zu beschreiben: die Reduzierung der Leistungsfaehigkeit bei der Stauaufloesung. Seine Ergebnisse ueber die Wirkungen von zeitlich veraenderlichen Einflussfaktoren auf den Verkehrsfluss setzen neue Standards fuer die regelmaessig angepassten Richtlinien fuer das Strassenwesen (RAS-W und RAS-Q). Die von Prof. Dr.-Ing. Werner Brilon (Verkehrswesen, Fakultaet fuer Bauingenieurwesen der RUB) betreute Arbeit baut auf einem von 1993-1995 in Bochum durchgefuehrten Forschungsprojekte im Auftrag des Bundesministers fuer Verkehr auf.
Ob feucht, ob Freitag ...
Vom Strassenzustand und der Zeit haengt ab, wie schnell auf Autobahnen gefahren wird. Die Geschwindigkeiten schwanken systematisch in sich wiederholenden taeglichen, woechentlichen oder jaehrlichen Zyklen. Zum anderen sind sie aber auch von aeusseren Bedingungen wie Regen oder Dunkelheit beeinflusst. Die Leistungsfaehigkeit von Autobahnen ergibt sich aus der Beziehung zwischen Verkehrsstaerke und Geschwindigkeit. AEndern Autofahrer ihr Geschwindigkeitsverhalten, so wirkt sich dies automatisch auf die Leistungsfaehigkeit der Autobahnen aus.
Jaehrlich 1 Km/h schneller auf Autobahnen
Die Untersuchung Dr. Ponzlets bestaetigte den generellen Trend zu steigenden Geschwindigkeiten: Jaehrlich steigt die mittlere Geschwindigkeit auf Autobahnen um etwa 1 km/h. Und bei dichtem Verkehr fahren bis zu 68% der Fahrzeuge auf der linken Spur. Zur Hauptreisezeit, im Juli und August, werden geringere Geschwindigkeiten gefahren, ebenso an Wochenenden - da wird es deutlich gemuetlicher, obwohl die Lkw fehlen, was eine erhoehte Durchschnittsgeschwindigkeit erwarten liesse.
... aber nicht bei Regen und Dunkelheit
Auch Dunkelheit und Naesse reduzieren die Geschwindigkeiten, bei zaehfluessigem Verkehr und Dunkelheit um immerhin bis zu 5 km/h an Verbindungsstrecken und ca. 7 km/h in Ballungsgebieten, bei Naesse (mittlere Niederschlagsintensitaet von mindestens 1 mm/pro Stunde) sogar um mehr als 10 km/h bei freiem Verkehr und ca. 7 km/h bei zaehfluessigem Verkehr. Wie leistungsfaehig manche Teilstrecken sind, zeigt sich am Montagmorgen und am Freitagnachmittag (bzw. der Tag vor einem Feiertag) wenn Wochenend- und Berufsverkehr sich ueberlagern: Die Werte sinken dann durchschnittlich um 9% bei Dunkelheit, um 13% bei Naesse und Helligkeit und um ca. 30% bei Naesse und Dunkelheit.
Drei Modelle fuer die Planung
Der RUB-Bauingenieur hat das Geschwindigkeitsverhaltens und die Leistungsfaehigkeit von Autobahnen in drei unterschiedlichen Verkehrsflussmodellen beschrieben und zeigen koennen, mit welcher Verzoegerung Autofahrer bei Stauaufloesung dem vor ihnen fahrenden Auto folgen. Dabei gelang es ihm erstmals fuer deutsche Verhaeltnisse das capacity-drop Phaenomen genau zu beschreiben, die Reduzierung der Leistungsfaehigkeit bei der Stauaufloesung.
Repraesentative Messquerschnitte
Die Datenbasis wurde ueber einen Zeitraum von drei Jahren (1991-1993) aus den Messwerten von Dauerzaehlstellen zusammengetragen, die an zwei- bis dreistreifigen Richtungsfahrbahnen eingerichtet waren. Es wurden moeglichst repraesentative Streckenabschnitte fuer die Messquerschnitte ausgewaehlt und gleichzeitig typische Gruppen von Zeitraeumen (z.B. alle Werktage bei Helligkeit und trockener Fahrbahn) in Beziehung gesetzt. Aus dem Vergleich linearer Verkehrsstaerke-Geschwindigkeit (q-v-) Beziehungen fuer die einzelnen Tagesarten (Wochentage, Feiertage etc.) bei vergleichbaren Umfeldbedingungen ergab sich, dass fuer unterschiedliche Tagesarten auch unterschiedliche q-v-Beziehungen gelten, die jedoch an den einzelnen Zaehlstellen erheblich variieren.
Lineares Modell fuer verschiedene Umweltbedingungen und Tageszeiten
Um das Geschwindigkeitsverhalten der Autofahrer zu erfassen, wendete Dr.-Ing. Ponzlet eine im Ansatz dem bereichsweise linearen Verkehrsdichte-Geschwindigkeit- (k-v-) Modell entsprechende Methode an. Mit dem streng mathematisch orientierten Verfahren der Varianzanalyse, konnten systematische Unterschiede im Geschwindigkeitsverhalten aufgedeckt entdecken. Aus dem k-v-Modell lassen sich Verkehrsstaerke-Geschwindigkeit (q-v)-Diagramme erstellen, die auf den unterschiedlichen Geschwindigkeitsniveaus parallel verlaufen. Aus den Differenzen der maximalen Verkehrsstaerken ergeben sich verallgemeinerte Reduzierungen der Leistungsfaehigkeiten.
Hochrechnungen moeglich
Mit einem einteiligen nichtlinearen k-v-Modell konnten realistische q-v-Beziehungen und Leistungsfaehigkeiten fuer unterschiedliche Tagesarten und Umweltbedingungen hergeleitet werden. Sogar Hochrechnungen auf nicht direkt beobachtete Verkehrsverhaeltnisse auf den Autobahnen erscheinen mit diesem Modell moeglich zu sein. In Zukunft sollte das - realistische Beschreibungen des Verkehrsflusses liefernde - k-v- Modell zur Ermittlung repraesentativer q-v-Diagramme fuer Autobahnen bevorzugt eingesetzt werden.
Weitere Informationen
Dr. Martin Ponzlet, Ruhr-Universitaet Bochum, Fakultaet fuer Bauingenieurwesen, Lehrstuhl fuer Verkehrswesen, 44780 Bochum, Tel.: (0234) 700-7597.
Merkmale dieser Pressemitteilung:
Bauwesen / Architektur, Politik, Recht, Wirtschaft
überregional
Forschungsprojekte
Deutsch
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