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17.12.2001 13:49

Migrantenkinder häufiger in Sonderschulen

Dr. Antonia Rötger Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Max-Planck-Institut für Bildungsforschung

    Studie des Max-Planck-instituts für Bildungsforschung belegt: Kinder ausländischer Familien sind in Sonderschulen deutlich überrepräsentiert, ohne dass ihnen dort die notwendige Sprachförderung zuteil wird. Dabei sind es oft Sprachschwierigkeiten, die zur Überweisung von einer Regelschule in eine Sonderschule führen. Diese Überweisung vergrößert jedoch nicht die Chancen auf Integration der ausländischen Kinder, sondern zementiert ihre Ausgrenzung aus der Gesellschaft.

    Ausgrenzung statt Förderung
    Studie am Max-Planck-Institut für Bildungsforschung, Berlin belegt: Kinder ausländischer Familien sind in Sonderschulen deutlich überrepräsentiert, ohne dass ihnen dort die notwendige Sprachförderung zuteil wird

    Die PISA-Studie hat mit schockierender Deutlichkeit gezeigt, dass das deutsche Bildungswesen im internationalen Vergleich schlecht abschneidet. Einer der Hauptgründe dafür ist, dass die Schule Kindern aus schwierigen sozialen Verhältnissen nur sehr geringe Kenntnisse vermittelt. In der gegenwärtigen Diskussion der deutschen PISA-Ergebnisse wird jedoch über sozial unterprivilegierte Kinder, die eine Sonder- bzw. Förderschule besuchen, nicht gesprochen. Darauf weist Dr. Heike Solga hin, die am Max-Planck-Institut für Bildungsforschung das Projekt "Ausbildungslosigkeit: Bedingungen und Folgen mangelnder Berufsausbildung" leitet. Doch gerade im Sonderschulbereich gibt es deutliche Unterschiede zu anderen Ländern. Während Kinder und Jugendliche mit Lernbehinderungen in Deutschland, darunter überdurchschnittlich viele Migrantenkinder, in speziellen Sonder- bzw. Förderschulen unterrichtet werden, bleiben sie in vielen anderen Ländern in den Regelschulen integriert.

    Sandra Wagner und Justin Powell, Doktoranden der Forschergruppe, haben Daten über Sonderschulen in Deutschland ausgewertet. Sie zeigen, dass auch heute noch Kinder aus nichtdeutschen Familien in Sonderschulen deutlich überrepräsentiert sind. 1999 waren 9,4 Prozent der Schüler und Schülerinnen in allen Schulen nichtdeutscher Herkunft, unter den Sonderschülern waren es jedoch 15 Prozent. Während nur 3,8 Prozent der deutschen Kinder eine Sonderschule besuchen, geht von den Kindern aus ehemaligen Anwerbeländern ein deutlich höherer Anteil in Sonderschulen: mit Italien an der Spitze (7,8 Prozent), gefolgt von Portugal und der Türkei mit jeweils 6,1 Prozent sowie Griechenland mit 5 Prozent und Spanien mit 4,7 Prozent. 70 Prozent der Sonderschüler und Sonderschülerinnen nichtdeutscher Herkunft befinden sich auf Förder- oder Sonderschulen für Lernbehinderte, 30% besuchen Sonderschulen für geistig und körperlich Behinderte. Bei den deutschen Kindern gestaltet sich dieses Verhältnis dagegen 50 zu 50.

    Von besonderer Aktualität ist der Befund, dass dem derzeit vielerorts diskutierten Thema der Sprachförderung gerade in diesem Schultyp die geringste Aufmerksamkeit geschenkt wird. Bei Migrantenkindern sind es aber oft die Sprachschwierigkeiten, die zur Überweisung in die Sonderschule führen. Sie ist jedoch diejenige Schulform, in der am wenigsten Sprachunterricht stattfindet. Hier wird wesentlich weniger muttersprachlicher Unterricht für die großen Bevölkerungsgruppen der ausländischen Kinder angeboten als etwa in den Grund- und Hauptschulen. Während 9,5 Prozent der Grund- und Hauptschüler Italienisch wählen können, sind es an den Sonderschulen nur 0,3 Prozent. Bei der mit Abstand größten sprachlichen Gruppe, den türkischen Kindern, sieht es an den Grund- und Hauptschulen allerdings genauso schlecht aus wie an den Sonderschulen: Nur etwa ein Prozent der türkischen Kinder erhalten muttersprachlichen Unterricht. Und dies, obwohl zahlreiche wissenschaftliche Arbeiten gerade auf die Beherrschung der Muttersprache als eine wesentliche Voraussetzung für das erfolgreiche Erlernen einer zweiten Sprache, hier Deutsch, hinweisen. Vor diesem Hintergrund, so die Schlussfolgerung der Autoren, erhöht die Sonderschule nicht die Chance auf Integration, sondern das Risiko einer stärkeren Ausgrenzung.

    Hinweis an die Redaktion:
    Den vollständigen Arbeitsbericht von Sandra Wagner und Justin Powell finden Sie im Internet unter http://www.mpib-berlin.mpg.de/en/forschung/nwg/arbeitsberichte.htm. Weitere Fragen beantwortet gerne die Soziologin Sandra Wagner: E-Mail:jwagner@mpib-berlin.mpg.de; Tel.: 030-82406-260.
    Über ein Belegexemplar würden wir uns freuen.


    Weitere Informationen:

    http://www.mpib-berlin.mpg.de/en/forschung/nwg/arbeitsberichte.htm


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    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Gesellschaft, Pädagogik / Bildung
    überregional
    Forschungsergebnisse
    Deutsch


     

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