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01.10.1996 00:00

100 Jahre Herbarium Haussknecht

Axel Burchardt Abteilung Hochschulkommunikation/Bereich Presse und Information
Friedrich-Schiller-Universität Jena

    100 Jahre Herbarium Haussknecht

    Am 18. Oktober 1896 wurde in Weimar auf einem Grundstueck zwi- schen Buchfarther Strasse 6 und verlaengerter Amalienstrasse (heute Carl-Haussknecht-Strasse) ein botanisches Museum eingeweiht, das unter dem Namen seines Gruenders Carl Haussknecht gegenwaertig zu den groessten Sammlungen seiner Art in Europa zaehlt.

    Am 30. November 1838 wurde Carl Haussknecht in Bennungen west- lich Sangerhausen geboren. Erste bedeutendere botanische Funde waehrend seiner Apotheker-Lehrzeit in Artern und Greussen brachten ihn in Verbindung mit dem bekannten Morphologen und Floristen Thilo Irmisch in Sondershausen. 1861 ging Haussknecht als Apo- thekergehilfe dann in die Schweiz, um die Flora der Alpen ken- nenzulernen. Auch hier gelang ihm gleich zu Beginn eine bedeu- tende botanische Entdeckung, die ein Wendepunkt im Leben Haussknechts werden sollte: Sie brachte ihm die Bekanntschaft mit dem bekannten Orientbotaniker Edmond Boissier ein. In dessen Auftrag bereiste Haussknecht 1865 bis 1869 sammelnd weite Teile des Vorderen Orients und legte damit schon den Grundstock fuer ein botanisches Museum. Da seine Eltern mittlerweile nach Weimar uebergesiedelt waren, liess auch er sich nach seinen Orientreisen an dieser kulturtraechtigen Staette nieder. Gaenzlich der Botanik verschrieben, entfaltete Haussknecht von Weimar aus ueberaus belebende Aktivitaeten. 1882 gipfelten sie in der Gruendung des Thueringischen Botanischen Vereins - der bis heute als Thueringi- sche Botanische Gesellschaft alle Tuecken der Geschichte als eigenstaendiger Verein ueberlebte - und 1896 in der Einweihung des Herbargebaeudes in Weimar. Nach dem Tode Haussknechts im Jahre 1903 wurde die Stiftung "Herbarium Haussknecht" als Traeger der Sammlungen errichtet und der Botaniker Joseph Bornmueller zum ersten Konservator erwaehlt. Unter ihm erlangte das Herbarium Haussknecht als Zentrum der Orientbotanik Weltruhm. Waehrend der Inflation zu Beginn der 20er Jahre ging das Stiftungskapital verloren; es begann eine wech- selvolle und teilweise auch gefahrvolle Geschichte fuer die Ein- richtung. Doch konnte schliesslich erreicht werden, dass Bornmuel- ler als Konservator aus Mitteln des Landes Thueringen ueber die Traegerschaft des Botanischen Instituts der Universitaet in Jena bezahlt wurde. Damit fand schon 1923 eine Anbindung an die Jena- er Universitaet statt, die nach dem zweiten Weltkrieg mit dem Umzug der Sammlungen 1949/50 in das Universitaets-Hauptgebaeude in Jena gaenzlich vollzogen wurde. Das Herbargebaeude war laengst zu klein geworden. Konservator des Herbarium Haussknecht war zu dieser Zeit Otto Schwarz, der 1948 auf den Lehrstuhl fuer Spe- zielle Botanik der Friedrich-Schiller-Universitaet berufen wurde. Von 1950 bis 1991 lag die Obhut ueber die Sammlungen des Herbari- um Haussknecht in den Haenden von Friedrich Karl Meyer.

    Als Teil des Institutes fuer Spezielle Botanik der Friedrich- Schiller-Universitaet Jena und Sitz der Thueringischen Botanischen Gesellschaft ist das Herbarium Haussknecht mit seiner Bibliothek und seinen Sammlungen nach wie vor ein Zentrum der botanischen Forschung in Thueringen und darueber hinaus aktiv in die Ausbil- dung von Biologen, Ernaehrungswissenschaftlern, Biologie-Lehrern, Geographen etc. eingebunden. Aktuelle Forschungsarbeit und hi- storische Ausstrahlung bilden in den Raeumen des Herbariums einen belebenden Naehrboden. In den Sammlungen spiegelt sich die menschliche Taetigkeit ueber rund fuenf Jahrhunderte in einer Viel- faeltigkeit wider, die einem Aussenstehenden zunaechst nicht un- mittelbar bewusst ist. Es sind nicht nur getrocknete Pflanzen- praeparate und Buecher schlechthin, die hier aufbewahrt, betreut und fuer Interessenten zur Verfuegung gestellt werden, sondern Zeitdokumente der botanischen Wissenschaften im weitesten Sinne und der damit verbundenen handwerklichen und kuenstlerischen Fertigkeiten. Entsprechend vielfaeltig sind auch die Nutzungs- moeglichkeiten der Sammlungen und die jaehrlichen Anfragen und Anforderungen. Natuerlich sind die rund drei Millionen Belege getrockneter Pflanzen, die rund 170 000 bibliographischen Ein- heiten umfassende Bibliothek und das umfangreiche Archiv haupt- saechlich Arbeitsgrundlage fuer die botanische Forschung. Aber der Bogen spannt sich weiter ueber wissenschafts- und allgemein hi- storische Aufgabenstellungen, ueber rein kuenstlerische Interessen an Illustration, Gestaltung und Schrift bis hin zu handwerkli- chen Fragen der Praeparation, Papierherstellung und Buchbinderei, des Buchdruckes oder der Herbartechnik.

    Ein Herbarium ist aber keine rein historisch ausgerichtete mu- seale Einrichtung. Jeder taxonomisch arbeitende Botaniker ist, um sich einen UEberblick ueber eine Pflanzengattung oder -familie und die gesamte vorhandene Merkmalsbreite schaffen zu koennen, auf Sammlungen in Herbarien angewiesen. Auch floristisch taetige Botaniker, also solche, die den Pflanzenbestand eines bestimmten Gebietes untersuchen und erfassen und damit Grundlagen fuer zahl- reiche naturschutzrelevante Fragestellungen liefern, muessen Sammlungen anlegen und nutzen, um sich eine entsprechende Arten- kenntnis zu erarbeiten. Durch die UEbergabe solcher Sammlungen an oeffentliche Herbarien werden ihre floristisch-pflanzengeographi- schen Erkenntnisse auf internationaler Ebene nachvollziehbar und ueberpruefbar. Selbst physiologisch, genetisch oder biochemisch arbeitende Biologen hinterlegen in Einzelfaellen ihre Ergebnisse in Form von Praeparaten in Herbarien, um ueber die Publikation hinaus weitere dauerhafte Dokumentation, aber auch eine moegliche Korrigierbarkeit zu erreichen.

    Gegenwaertig sind drei Wissenschaftler, drei technische Kraefte und zwei Bibliothekarinnen am Jenaer Herbarium Haussknecht be- schaeftigt. Sie versuchen, den oben kurz angerissenen Anforderun- gen gerecht zu werden, sind darueber hinaus aber auch in Lehrver- pflichtungen und Forschungsvorhaben des Instituts eingebunden. Den weitaus groessten Arbeitsumfang erfordern die jaehrlichen Leih- und Bearbeitungswuensche der Wissenschaftler des In- und Auslan- des sowie die Betreuung der zahlreichen Gaeste, die die Arbeits- moeglichkeiten am Herbarium direkt nutzen. Je nach Anforderung und internationalen Forschungsschwerpunkten (gegenwaertig vor allem Tropen- und Polarforschung) werden jedes Jahr zwischen 5 000 und 15 000 Herbarbelege ausgeliehen. Diese muessen aus der Gesamtsammlung separiert, zum Teil sortiert und entsprechend aufpraepariert werden. Dies erfordert oft eine zeitaufwendige Einarbeitung in die Merkmalsproblematik eines Verwandtschafts- kreises. AEhnlich kompliziert ist die Arbeit in der Bibliothek, die zu den bedeutendsten Spezialbibliotheken Deutschlands zaehlt. Um den oft problematischen Anfragen gerecht werden zu koennen, sind ungemein viele Erfahrungen im Umgang mit der Literatur notwendig. Zudem ergibt sich aus der grossen historischen Bedeu- tung auch eine bei der gegenwaertigen Flut botanischer Fachlite- ratur nicht leicht zu bewaeltigende Anforderung zur Erhaltung des hohen Standards.

    In ihrer Forschungstaetigkeit sind die Mitarbeiter des Herbariums gegenwaertig in verschiedene internationale und nationale Projek- te eingebunden (Flora von Cuba, Moosflora von Spitzbergen, tro- pische Lebermoose u.a.). Im Mittelpunkt stehen aber Aktivitaeten in Zusammenarbeit mit der Thueringer Landesanstalt fuer Umwelt zur Erforschung der Flora Thueringens, die um die Jahrtausendwende in einer neubearbeiteten "Flora von Thueringen" ihren Niederschlag finden sollen.

    Eine grosse Herausforderung war und ist auch das Jubilaeum "100 Jahre Herbarium Haussknecht". Zur Aufarbeitung der Zeitdokumente und der Herbarbelege zur Flora Thueringens konnte mit Hilfe des Vereins zur Regionalfoerderung von Forschung, Innovation und Technologie fuer die Strukturentwicklung, Jena (ReFIT) ein ABM- Projekt am Herbarium installiert werden. Die hier erreichten Ergebnisse fliessen in eine Festschrift und in eine Ausstellung ein, die waehrend der Festlichkeiten in der Zeit vom 9. bis 12. Oktober im Senatssaal der Friedrich-Schiller-Universitaet besich- tigt werden kann. Dr. Joachim Zuendorf

    Kontakt: Herbarium Haussknecht Kustos, Dr. Joachim Zuendorf, Tel.: (03641)6 32183, Fax: (03641)6 32494


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    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Biologie, Informationstechnik
    überregional
    Es wurden keine Arten angegeben
    Deutsch


     

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