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07.01.2002 15:19

Fotografie und Eros

Dipl.-Ing. Kerstin Baldauf Presse- und Informationsstelle
Hochschule Wismar, University of Technology, Business and Design

    Interessenten sind von Frau Prof. Dr. Susanne Deicher, die am Fachbereich Design/Innenarchitektur der Hochschule Wismar Kultur- und Kunstgeschichte lehrt, und dem Städtischen Museum Schabbellhaus Wismar zum Vortrag an der Hochschule Wismar, Haus 1, Hörsaal 301 am Donnerstag, 10. Januar um 19.00 Uhr herzlich eingeladen.

    Die Kamera ersetzte für viele moderne Maler den Skizzenblock. Für Ernst Ludwig Kirchner, den großen deutschen Expressionisten, der die Lebenswelten seiner Zeit in leuchtenden Farben und neuartigen Formen darstellte, wurde die Fotografie besonders wichtig. Bettina Gockel untersucht das Verhältnis von Kunst und Sexualität bei Kirchner und stellt die Frage, warum der Künstler eigentlich beinahe ausschließlich sich selbst, seine Frauen, seine Freunde und ihre ausschweifenden Feste im engen Raum des Ateliers fotografierte.

    Zahlreiche fotografische Selbstbildnisse, nahsichtig aufgenommen mit dem Selbstauslöser, existieren, dagegen kaum Außenaufnahmen der Natur oder der in seiner Malerei so oft dargestellten Städte Dresden und Berlin. Offenbar war die Fotografie für Kirchner ein Instrument der Selbstvergewisserung in einer unruhigen Zeit. Die Referentin zeichnet nach, wie die Fotografie in Kirchners späten Jahren von 1919 bis 1938, die der Künstler zurückgezogen auf einer Schweizer Alm verbrachte, immer mehr zum Instrument der Neuerfindung eines stabilen künstlerischen und psychischen Ichs wurde. In den frühen Jahren hatte Kirchner oft seine Freundinnen fotografiert und versucht, Erotik selbst auf die fotografische Platte zu bannen. Nach 1919, in der Schweiz, dienten jedoch selbst Aufnahmen von Gruppen tanzender nackter Frauen auf dem Davoser Wildboden dem Ziel, die Verzichtbarkeit der Sexualität und die Möglichkeit eines asketischen Künstlerlebens zu untersuchen. Der Maler wurde nun auch zum Theoretiker der Kunst und der Fotografie - er las Platon und fand in dessen Schriften die Konzeption einer vergeistigten Erotik und die Idee eines zweigeschlechtlichen Menschenwesens, das immer schon bedürfnislos mit sich selbst versöhnt ist. Kirchners verwob diese Theorien mit bildnerischen und fotografischen Darstellungen seines Lebens zur komplexen Konstruktion einer "geistigen Wache der Welt", die er als Aufgabe des Künstlers neu bestimmte.

    Bettina Gockel, geboren 1966 in Paderborn, ist Wissenschaftliche Mitarbeiterin am Kunsthistorischen Institut der Universität Tübingen. Sie hat sich vor allem mit der englischen und deutschen Malerei des 19. und 20. Jahrhunderts beschäftigt - mit Schwerpunkt auf dem Wechselverhältnis von Kunst, Politik und Naturwissenschaften. Der von ihr mit herausgegebene Sammelband "Natur der Wahrnehmung -Wahrnehmung der Natur" (2000) untersucht die Bedeutung der wachsenden Einsicht in die physischen Grundlagen des Sehens für die Kunst seit dem 18. Jahrhundert. 1999 erschien ihre Dissertation "Kunst und Politik der Farbe. Gainsboroughs Porträtmalerei". Zum Katalog der aktuellen Brücke-Ausstellung in Dresden trug sie den Aufsatz "Vom Geschlecht zum Geist. Körpererfahrungen und -konzeptionen im Werk Kirchners und anderer "Brücke"-Künstler" bei. Derzeit ist Bettina Gockel Mitglied der Forschungsgruppe "Zur Experimentalisierung des Lebens" am Max Planck Institut für Wissenschaftsgeschichte in Berlin ­ in diesem Rahmen wird sie in der nächsten Zukunft weiterhin Fragen der Konstruktion der künstlerischen Identität in der modernen Epoche untersuchen. Ihre Rückfragen richten Sie bitte direkt an Frau Prof. Dr. Deicher, Tel.: (03841) 753 355 bzw. per E-Mail: s.deicher@di.hs-wismar.de.

    Kerstin Baldauf - Pressesprecherin


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    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Kunst / Design, Musik / Theater
    überregional
    Buntes aus der Wissenschaft
    Deutsch


     

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