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15.01.2002 18:13

Insolvenzrecht auch für Staaten?

Dr. Christian Jung Stabsreferat Kommunikation
VolkswagenStiftung

    Fachkongress in Münster vom 17. bis 19. Januar erörtert Fragen zur Überwindung der internationalen Schuldenkrise - begleitendes Forschungsprojekt von der VolkswagenStiftung mit 190.000 Euro gefördert

    Die Massenproteste und die politisch instabile Lage in Argentinien haben die Aufmerksamkeit für die internationale Schuldenkrise erhöht. Eine mögliche Lösung des Problems könnte in der Einführung eines Insolvenzrechts für Staaten liegen. Ob und inwieweit das wirklich Sinn macht, und wie eine solche Regelung genau aussehen könnte - das soll bei einer interdisziplinär besetzten Fachtagung diskutiert werden, die das Institut für Christliche Sozialwissenschaften der Universität Münster in Kooperation mit und in der Akademie Franz Hitze Haus vom 17. bis 19. Januar 2002 veranstaltet.

    Wissenschaftler unterschiedlicher Fachgebiete werden im Verlauf der Veranstaltung erörtern, wie Entschuldung aus philosophischer und theologischer Perspektive begründet und konkret mit Hilfe eines Insolvenzrechts für Staaten umgesetzt werden kann. Vorbereitet von Mitarbeitern des Instituts für Christliche Sozialwissenschaften, steht die Tagung im Zusammenhang mit dem von der VolkswagenStiftung dort mit 190.000 Euro geförderten Forschungsprojekt "Wirtschaftsethische Beurteilung aktueller Lösungsstrategien zur Überwindung der Internationalen Schuldenkrise". An diesem Projekt unter Leitung von Professor Dr. Dr. Karl Gabriel, Direktor des Instituts für Christliche Sozialwissenschaften, sind beteiligt der Wirtschaftswissenschaftler Dr. Martin Dabrowski, der Diplomtheologe Andreas Fisch und der Philosoph und Theologe Dr. Christoph Lienkamp.

    Die Forscher setzen sich unter anderem mit der Frage auseinander, ob sich die Institution des Insolvenzrechts, die bislang nur auf nationaler Ebene existiert, auch international auf verschuldete Länder anwenden lässt. Dabei geht es den Forschern um eine fächerübergreifende Perspektive: So bezieht Andreas Fisch aus der biblischen Option für die Armen die sozialethischen Argumente für ein Insolvenzrecht für Staaten, denn: "Es sind die sozial Benachteiligten der jeweiligen Länder, die die Lasten der Verschuldung zu tragen haben, ohne dass Grenzen der 'Pfändbarkeit' Menschenrechte sichern würden", argumentiert der Wissenschaftler.

    Entschuldung sei aber nicht allein ethisch, sondern auch ökonomisch sinnvoll und notwendig, meint Martin Dabrowski: "Die grundsätzlich positive Integration möglichst vieler Staaten und Wirtschaftssubjekte in den Weltmarkt lässt sich nur erreichen, wenn die internationale Schuldenkrise überwunden wird." Nur durch einen genau geregelten Schuldenerlass für hoch verschuldete Länder ist nach Ansicht des Projektteams die dringend notwendige Verbesserung der Lebenssituation der armen Bevölkerung und eine eigenständige wirtschaftliche Entwicklung möglich. Dabei zielt das interdisziplinäre Forschungsprojekt darauf ab, einerseits ethische Forderungen nicht unabhängig von den ökonomischen Bedingungen zu erheben, gleichzeitig aber die ökonomische Sachlogik einer ethischen Beurteilung zu unterziehen. "Dieser übergreifende Ansatz, der sich auch an den Tagungsbeiträgen zeigt, war ausschlaggebend für die Förderung des Projekts durch die Stiftung", betont Dr. Wilhelm Krull, Generalsekretär der VolkswagenStiftung.

    Und so kommt dem Forschungsprojekt die bevorstehende Veranstaltung in Münster mit ihrem breiten Spektrum wissenschaftlicher Diskussionsbeiträge unmittelbar zugute. Der Philosoph Professor Dr. Wilfried Hinsch von der Universität des Saarlandes wird in seinem Beitrag die Verschuldung armer Länder aus Sicht einer universalistischen Ethik beleuchten. Er leitet aus dem vorhandenen Reichtum der Industrienationen deren "kollektive Verantwortung" zur Armutsbekämpfung ab; angesichts der ausgeprägten Not in zahlreichen Entwicklungsländern sei man hier unmittelbar zur Hilfe verpflichtet. Aus dem Blickwinkel der Menschenrechte wird der Theologe Professor Dr. Thomas Hoppe von der Bundeswehrhochschule in Hamburg das Thema erörtern; dabei geht es ihm vor allem um die Verwirklichung eines Mitspracherechts der Regierungen wie auch der Bevölkerung der Schuldnerländer.
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    Tagungsort: Akademie Franz Hitze Haus, Kardinal-von-Galen-Ring 50, 48149 Münster
    Tagungsbüro Telefon: 0251-98180
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    Mit der juristischen Klärung eines Insolvenzverfahrens auf der Ebene der Staaten setzt sich Professor Dr. Christoph Paulus von der Humboldt-Universität zu Berlin auseinander. Er halte ein staatliches Schuldenregulierungsverfahren in Anlehnung an das existierende privatrechtliche Insolvenzrecht für durchaus praktikabel, erklärt er. Dabei komme es aus Gründen der Rechtsstaatlichkeit darauf an, dass eine neutrale Instanz dieses Verfahren leite - und nicht wie bisher die Gläubiger. Der Wirtschaftswissenschaftler Privatdozent Dr. Detlef Aufderheide vom Lehrstuhl für Volkswirtschaftstheorie favorisiert in seinem Vortrag eine "große Lösung" der Schuldenkrise durch die grundlegende Veränderung der Anreizstrukturen - anstelle von Reparaturen innerhalb der geltenden Rahmenbedingungen. Aus seiner Sicht ist es möglich, dass ein geschickt eingerichtetes Insolvenzrecht zugleich im Interesse der betroffenen Schuldner und der Gläubigerbanken sein wird.

    Die Wissenschaftler erhoffen sich eine intensive Diskussion darüber, ob das Insolvenzrecht für Staaten eine angemessene Strategie zur Lösung des Problems ist: "Wir erwarten eine kritische Reflexion unserer Forschungsthese, dass das Insolvenzrecht für Staaten der erfolgversprechendste Ansatz zur Überwindung der internationalen Schuldenkrise und zur Verhinderung künftiger Schuldenkrisen ist", betont Projektmitarbeiter Dr. Martin Dabrowski.
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    Kontakt: VolkswagenStiftung, Presse- und Öffentlichkeitsarbeit, Dr. Christian Jung, Telefon: 0511/83 81-380, E-Mail: jung@volkswagenstiftung.de
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    Kontakt Uni Münster: Institut für Christliche Sozialwissenschaften, Projekt Internationale Verschuldungskrise, Andreas Fisch, Hüfferstr. 27, 48149 Münster, Telefon: 0251/8330061
    E-Mail:fischa@uni-muenster.de
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    Kontakt Förderung VolkswagenStiftung: Dr. Alfred Schmidt, Tel.: 0511/8381-237, E-mail: schmidt@volkswagenstiftung.de


    Bilder

    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Geschichte / Archäologie, Gesellschaft, Philosophie / Ethik, Politik, Recht, Religion, Wirtschaft
    überregional
    Buntes aus der Wissenschaft, Forschungsprojekte, Wissenschaftliche Tagungen
    Deutsch


     

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