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07.09.2011 10:38

Studie: „Versicherungsbetrug betrachten viele als reines Kavaliersdelikt“

Friederike Meyer zu Tittingdorf Pressestelle der Universität des Saarlandes
Universität des Saarlandes

    Wer bei Versicherungsunternehmen überhöhte Schadensmeldungen einreicht oder bewusst falsche Angaben macht, glaubt häufig nicht, dass er damit eine Straftat begeht. Auch die Versicherungsvermittler haken Betrugsversuche oft als Kavaliersdelikt ab, um keine Kunden zu verlieren. Auch die Versicherungsunternehmen selbst gehen erstaunlich kulant mit Betrugsrisiken um und halten sich bei Straftaten ihrer Kunden eher bedeckt, obwohl in der Summe hohe Schäden entstehen. Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie der Universität des Saarlandes zum „Management von Betrugsrisiken in Versicherungsunternehmen", die von der promovierten Betriebswirtin Jessica Knoll jetzt im Nomos-Verlag veröffentlicht wurde.

    „Rund 40 Prozent der von mir befragten Versicherungsnehmer waren der Meinung, dass fast jeder Kunde schon einmal seine Versicherung betrogen hat. Eine ähnlich hohe Zahl hat einen Versicherungsbetrug im engeren persönlichen Umfeld beobachtet und hält es für etwas Alltägliches“, sagt Jessica Knoll. Für ihre Doktorarbeit an der Saar-Uni hat die Betriebswirtin rund 400 Fragebögen von Versicherungsnehmern und über hundert Fragebögen von Versicherungsvermittlern ausgewertet, um herauszufinden, wie sie Betrügereien bei Versicherungsunternehmen einschätzen und bewerten. Darüber hinaus hat sie die umfangreiche Literatur zum Versicherungsbetrug ausgewertet und untersucht, wie das Management von Versicherungsunternehmen mit dem Betrugsrisiko umgeht. „Nach Schätzungen der Versicherungswirtschaft muss die Branche jedes Jahr rund vier Milliarden Euro Verlust in Kauf nehmen aufgrund des betrügerischen Verhaltens ihrer Kunden. Angesichts dieses Betrages finde ich es erstaunlich, dass viele Versicherungsunternehmen häufig nicht konsequent genug gegen Betrugsfälle vorgehen“, stellte Jessica Knoll bei ihrer Studie fest.

    Auch das Unrechtsbewusstsein der angestellten oder selbstständig tätigen Versicherungsvermittler hält sich offenbar in Grenzen. „Bei meiner anonymen Umfrage sahen es mehr als die Hälfte der Vermittler nur als Kavaliersdelikt an, wenn man die Schilderung des Schadens so verändert, dass das Versicherungsunternehmen auf jeden Fall bezahlt“, stellte die Wissenschaftlerin fest. Immerhin betrachten es mehr als 60 Prozent der Befragten als Straftat, wenn man Versicherungsnehmern empfiehlt, notwendige Angaben bewusst zu unterlassen. „Die Mehrheit der Vermittler meinte, dass ihre Versicherungsunternehmen den Betrug nicht aktiv fördern, aber auch nicht konsequent bekämpfen würden. Rund 90 Prozent der Befragten gaben an, dass sie mit versuchten Fällen von Versicherungsbetrug in Berührung gekommen seien, der finanzielle Schaden hieraus für die betroffenen Versicherungsunternehmen aber nicht sehr hoch zu sein scheint“, erläutert Knoll. Immerhin bewerten die Vermittler den Versicherungsbetrug eher als Straftat und stufen nur die Fahrerflucht und Steuerhinterziehung als geringfügigere Delikte ein. Bei der Umfrage unter den Endkunden wurde hingegen der Versicherungsbetrug eindeutig als „Kavaliersdelikt“ eingestuft.

    „Vor diesem Hintergrund verwundert es vielleicht nicht, dass ein Drittel der befragten Endkunden meint, eine Versicherung lohne sich nur, wenn auch mal ein Schaden eintritt. Und jeder achte glaubt, dass sich Versicherungen eine goldene Nase verdienen und es daher nicht ins Gewicht falle, wenn man sich als Kunde etwas von seiner Versicherungsprämie zurückholt“, stellte die Saarbrücker Betriebswirtin fest. Zugleich gewann sie bei ihrer anonymen Befragung den Eindruck, dass die Versicherungsnehmer überschätzen, wie häufig Betrügereien tatsächlich aufgedeckt werden. „Die Unternehmen selbst kehren offenbar viele Betrugsfälle unter den Teppich und kündigen lieber den untreuen Kunden, bevor sie durch Strafanzeigen ein schlechtes Image bekommen“, erklärt Knoll. Wenngleich die in den Studien gewonnenen Erkenntnisse zunächst nur für die betrachteten Stichproben gelten, so bestätigen sie doch viele Erkenntnisse aus der einschlägigen Literatur und aus ähnlichen Studien. Jessica Knoll rät den Versicherungsunternehmen daher, ihre Mitarbeiter und Vermittler intensiver zu schulen und diese so stärker für mögliche Betrügereien zu sensibilisieren. „Es gibt viele Verdachtsmomente, über die Betrugsfälle frühzeitig erkannt und aufgedeckt werden könnten. Hierbei kann insbesondere eine Software helfen, die in etlichen Unternehmen schon eingesetzt wird, um Unregelmäßigkeiten bei der Schadensabwicklung aufzuspüren“, erläutert Jessica Knoll.

    Die Ergebnisse ihrer Doktorarbeit hat die promovierte Betriebswirtin Jessica Knoll jetzt in dem Buch „Management von Betrugsrisiken in Versicherungsunternehmen“ im Nomos-Verlag veröffentlicht. Rezensionsexemplare sind beim Verlag erhältlich.

    Interviewwünsche vermittelt die Pressestelle: Tel. 0681/302-3610

    Fragen beantwortet:
    Dipl.-Hdl. Dr. Jessica Knoll
    Lehrstuhl für Betriebswirtschaftslehre, insb. Bankbetriebslehre der Universität des Saarlandes
    Mail: jessica.knoll@bank.uni-saarland.de

    Hinweis für Hörfunk-Journalisten: Sie können Telefoninterviews in Studioqualität mit Wissenschaftlern der Universität des Saarlandes führen, über Rundfunk-ISDN-Codec. Interviewwünsche bitte an die Pressestelle (0681/302-3610) richten.


    Bilder

    Jessica Knoll, promovierte Betriebswirtin an der Universität des Saarlandes
    Jessica Knoll, promovierte Betriebswirtin an der Universität des Saarlandes
    Jörg Pütz/Universität des Saarlandes
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    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Journalisten, Wirtschaftsvertreter, jedermann
    Psychologie, Recht, Wirtschaft
    überregional
    Forschungsergebnisse
    Deutsch


     

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