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25.02.2002 11:16

Studiengebühren: Wissenschaftler der Uni Kassel sehen negative Auswirkung auf Studierendenquote

Ingrid Hildebrand Stabsstelle Kommunikation und Marketing
Universität Kassel

    Die Einführung von allgemeinen Studiengebühren in Deutschland verbietet sich nach Auffassung der Rechts- und Wirtschaftswissenschaftler Bernhard Nagel und Roman Jaich allein schon wegen der im internationalen Vergleich zu niedrigen Studentenzahlen in der Bundesrepublik.

    Der Autor des in der folgenden Meldung beschriebenen Gutachtens, Prof. Dr. Bernhard Nagel, steht am Mittwoch, 27. Februar 2002 von 9 bis 12 Uhr in unserer Reihe "Wissenschaft aktuell" (http://www.uni-kassel.de/presse/dbexpert.ghk) für ausführliche Interviews unter der Telefonnummer (0561) 804-3126 zur Verfügung.

    Kassel. Die Einführung von allgemeinen Studiengebühren in Deutschland verbietet sich nach Auffassung der Rechts- und Wirtschaftswissenschaftler Bernhard Nagel und Roman Jaich allein schon wegen der im internationalen Vergleich zu niedrigen Studentenzahlen in der Bundesrepublik. In einem Gutachten für die GEW-nahe Max-Träger-Stiftung verweisen die beiden Wissenschaftler von der Universität Kassel auf die jüngsten Erfahrungen aus Großbritannien, wonach die von Regierungschef Tony Blair eingeführten Studiengebühren zum Rückgang oder zur Stagnation der Zahl der Studienbewerber geführt haben. Eine solche Entwicklung könne sich aber Deutschland aus ökonomischen Gründen nicht leisten.
    Nagel und Jaich haben für die Stiftung eine Analyse der Bildungsfinanzierung in Deutschland vorgelegt und Gestaltungsvorschläge für ihre weitere Entwicklung gemacht. Sie kommen dabei zu dem Schluss, dass das deutsche Bildungssystem insbesondere im vorschulischen und im Primarbereich dringend der Qualitätsverbesserung bedarf. Dazu müssten auch die finanziellen Aufwendungen verstärkt werden. Zugleich sei eine Effizienzverbesserung innerhalb des Bildungssystems, vor allem im Hochschulbereich, notwendig. Dabei wenden sich Nagel und Jaich gegen eine reine Umverteilungs-Diskussion, wie sie derzeit im Blick auf die Bereiche Sekundarstufe II versus Primarstufe geführt wird.

    Im Bereich der Kindertagesstätten befürworten die Wissenschaftler eine Gebührenfreiheit. Das Argument, man dürfe nicht durch die Gebührenfreiheit den Kindergartenbesuch für die Kinder der Reichen finanzieren, verfange nicht. Mit derselben Begründung könnte der gebührenfreie Schulbesuch angegriffen werden, heißt es in dem Gutachten weiter. "Richtig ist es demgegenüber, im Rahmen der Steuerprogression sicherzustellen, dass die Reichen proportional mehr als die Armen zur Erfüllung der öffentlichen Aufgabe Finanzierung von Kindertagesstätten und Schulen beitragen."

    Die verschiedentlich vorgeschlagene Umstellung von institutioneller Förderung der Kindergärten auf Gutscheine erfordert aus Sicht der Wissenschaftler einen zu hohen Verwaltungsaufwand. Der Abbau von Ineffizienzen könne besser dadurch erreicht werden, dass man die Finanzierung der Träger pro Gruppe einführt, argumentieren Nagel und Jaich.
    Die Gebührenfreiheit in der Schule sollte erhalten bleiben, auch in der Sekundarstufe II. Damit wenden sich die beiden Wissenschaftler gegen die umstrittene Empfehlung in dem Bildungsfinanzierungs-Gutachten der DGB-nahen Hans-Böckler-Stiftung, die von Klasse 11 an eine Art Schulgeld für alle Kinder vorsieht. Eine wesentliche Änderung der bisherigen Finanzierung würde nach Auffassung von Nagel und Jaich zu einer sozialen Polarisierung führen und die Probleme des Schulbereichs, die im Rahmen der PISA-Studie deutlich geworden sind, noch vertärken.

    Im Hochschulbereich sollten zwar vermehrt Wettbewerbselemente eingeführt werden, insbesondere auch im Rahmen von Globalhaushalten. Diese könnten aber eine inhaltliche Reform der Hochschulen nicht ersetzen. Die Einführung von Studiengebühren würde zu einer "unvertretbaren Abschreckung von Studienbewerbern" führen. Auch wenn sie keine Studiengebühren zahlen, müssten die meisten Studierenden einen erheblichen Teil ihrer Studienkosten selber tragen. Die bisherige Balance zwischen Gebührenfreiheit einerseits und Beschränkung der Förderung der Lebenshaltungskosten auf einen bestimmten, nach sozialen Gesichtspunkten ausgewählten Kreis von BAföG-Empfängern, sollte beibehalten werden.

    Für die Berufsausbildung und die Weiterbildung schlagen Nagel und Jaich die Einführung von Fonds vor, die "die Tendenz zur Unterfinanzierung des betrieblichen Teils der beruflichen Bildung zu Gunsten der Gesamtinteressen der aus- und weiterbildenden Unternehmen beseitigen" sollen. Es solle dabei möglich sein, die finanziellen Zuflüsse zu den Fonds und ihre Verwaltung durch Tarifverträge auszugestalten und zu verbessern. Neben den Fonds sollten im Bereich der Weiterbildung für jeden Bürger Konten eingeführt werden, auf die der Staat bei Bedarf Weiterbildungsdarlehen einzahlt. Die Verpflichtung zur Rückzahlung solle daran gekoppelt werden, dass der Teilnehmer nachher vielleicht gleichviel oder mehr verdient.
    dpa


    Weitere Informationen:

    http://www.uni-kassel.de/presse/dbexpert.ghk


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    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Gesellschaft, Politik, Recht
    überregional
    Wissenschaftspolitik
    Deutsch


     

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