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17.04.1998 00:00

Afrikanischer Krallenfrosch

Dr. Elisabeth Zuber-Knost Presse und Kommunikation
Universität Karlsruhe (TH) - Forschungsuniversität.gegründet 1825

    Nr. 040 / 8. April 1998 / mea

    Umweltchemikalien fuehren zur Verweiblichung

    Afrikanischer Krallenfrosch dient Zoologischem Institut als Studienobjekt

    Ist die Gewaesserbelastung durch Umweltchemikalien Ausloeser fuer eine Verweiblichung bei Amphibien und damit Ursache fuer den Rueckgang dieser Populationen in Deutschland? Dieser Frage ist ein Projekt des Zoologischen Instituts II der Universitaet Karlsruhe auf der Spur.

    Bereits seit Beginn der 90er Jahre ist bekannt, dass bestimmte Chemikalien hormonelle Wirkungen entfalten koennen. Diese sogenannten ,endocrine disruptors" stoeren die hormongesteuerten Ablaeufe im Koerper und fuehren zu einer Verweiblichung im Tierreich. Das Phaenomen wurde bei Wirbeltieren in vielen Teilen der Erde unabhaengig voneinander beobachtet, vor allem nach Stoerfaellen in Chemiebetrieben. Doch auch in der ,ungeschaedigten" Umwelt sind solche Stoffe, die wie weibliche Sexualhormone (OEstrogene) wirken und ansonsten keine toxische Wirkung aufweisen, in hohen Konzentrationen enthalten und beeintraechtigen die Fortpflanzung bis hin zum Verschwinden ganzer Populationen aus OEkosystemen. Vor allem in Reinigungsmitteln, Farbstoffen, Kosmetika, Pestiziden, Spermiziden und in einigen Kunststoffen sind diese Stoffe zu finden.

    Ein Karlsruher Forscherteam unter der Leitung von Hochschuldozent Dr. Werner Kloas arbeitet an der Entwicklung einer zuverlaessigen Methode zum Nachweis der oestrogenen Wirkung von Chemikalien. ,Amphibien sind im Vergleich zu anderen Wirbeltieren hervorragend geeignete Studienmodelle, da ihre Keimdruesenentwicklung und damit die Geschlechtsdetermination waehrend der Entwicklung voellig hormonabhaengig ist", erklaert Werner Kloas. Die kuenstliche Zugabe von OEstrogenen fuehre daher irreversibel zu einer Verweiblichung. Kloas waehlte fuer seine Studien den afrikanischen Krallenfrosch Xenopus laevis. Diese bis zu 30 Zentimeter grosse, grau-gruene und im Wasser lebende Froschart wird im Institut gezuechtet und in Wasserbecken aufgezogen.

    Bei Biologen und Medizinern ist der Krallenfrosch bereits gut bekannt. So diente der wegen seiner raschen Entwicklungsphase beliebte Xenopus, der darueber hinaus sogar auf den Winterschlaf verzichtet, in den 40er Jahren zum Nachweis von Schwangerschaften: Kam es bei einem mit dem Urin von moeglicherweise schwangeren Frauen injizierten Tier zum Ablaichen, war die Schwangerschaft bewiesen.

    Das System von Kloas umfasst drei Komponenten. Zum einen finden Versuche mit lebenden Tieren statt, bei denen drei bis fuenf Tage alte Kaulquappen in Parallelansaetzen Waessern mit und ohne oestrogene Substanzen ausgesetzt werden. Nach Abschluss der Metamorphose wird verglichen, inwieweit sich das Geschlechterverhaeltnis beider Ansaetze unterscheidet. Bei erwachsenen Tieren wird zusaetzlich untersucht, wie stark die oestrogenen Substanzen vom Koerper aufgenommen werden.

    Die relativ zeitaufwendigen Untersuchungen am lebenden Tier werden durch zwei am Institut entwickelte Labormethoden ergaenzt. Bei der einen Methode bestimmen die Forscher das oestrogene Potential von Umweltchemikalien anhand der OEstrogenrezeptoren in der Leber. Dabei werden Bindungsparameter und Bindungsspezifitaet dieser Rezeptoren ueber sogenannte Radiorezeptorassays charakterisiert. Die Experimente zeigten eindeutig, dass einige Stoffe wie Bisphenol A, DDT, Diethylphthalat und Tetrachlorbiphenyl den OEstrogenrezeptor besetzen und damit auch wie das natuerlich vorhandene Hormon wirken koennen.

    Diese Komponente wird durch die molekularbiologische Methode der RT-PCR (reverse transcriptase - polymerase chain reaction) zum Nachweis spezifischer Proteine ergaenzt, deren Synthese normalerweise nur durch OEstrogene induziert wird. Die Bestimmung dieser oestrogenen Biomarker, zu denen das Eidotterprotein Vitellogenin und der OEstrogenrezeptor selbst gehoeren, erfolgt in Primaerkulturen von Leberzellen. Damit sind aufgrund der hohen Nachweisempfindlichkeit der Methode sehr viele Parallelansaetze zum Testen potentiell oestrogener Substanzen und Umweltproben moeglich.

    Ziel der Versuche ist es, eine Screening-Methode zum Nachweis der oestrogenen Wirkung von Umweltchemikalien zu entwickeln. Sie soll es erlauben, neue, vor der Zulassung stehende Stoffe schnell und zuverlaessig zu ueberpruefen. ,Die Verknuepfung dieser beiden Methoden ist fuer ein Screening oestrogener Substanzen am besten geeignet, da hier genauere Dosis-Wirkungsbeziehungen sowie schnellere Ergebnisse in zwei bis vier Tagen erhaeltlich sind", fasst Kloas zusammen. Die Untersuchungen zur Kaulquappenentwicklung, die demgegenueber sehr viel laenger dauern, sollen jedoch als ,Endpunktmethode" zur Bestaetigung der Laborexperimente weiterhin erhalten bleiben. ,Aus einer Zellkultur koennen wir jetzt 100 Proben herstellen, das bedeutet eine Verminderung der Tierversuche um mehrere Zehnerpotenzen", so Kloas.

    Das System wird derzeit im Rahmen des Landesprogrammes ,Baden-Wuerttemberg-Projekt Lebensgrundlage Umwelt und ihre Sicherung" (BW-PLUS) weiterentwickelt. Die Ergebnisse wurden juengst auf der Fachtagung der Deutschen Gesellschaft fuer Endokrinologie in Freiburg vorgetragen, fuer das dort ausgestellte Poster erhielt die Karlsruher Arbeitsgruppe, zu der auch Ilka Lutz, Susanne Bloedt und Steffen Scholpp gehoeren, einen mit 1000 Mark dotierten Preis.

    Naehere Informationen: HD Dr. Werner Kloas, Tel: 0721/608-4195, Fax: 0721/3992


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    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Biologie, Informationstechnik, Meer / Klima, Umwelt / Ökologie
    überregional
    Forschungsprojekte
    Deutsch


     

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