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27.02.2002 14:17

Acht Tonnen für die Umweltforschung

Inge Arnold Stabsabteilung Presse, Kommunikation und Marketing
Forschungszentrum Karlsruhe in der Helmholtz-Gemeinschaft

    Donnerstagnacht startet der riesige europäische Umweltsatellit ENVISAT - Mit an Bord das Instrument MIPAS aus dem Forschungszentrum Karlsruhe

    In der Nacht vom 28. Februar auf 1. März 2002 wird vom europäischen Weltraumbahnhof Kourou, Französisch-Guayana, der europäische Umweltsatellit ENVISAT starten. Mit an Bord des 2,3 Milliarden Euro teuren und 8200 kg schweren Satelliten: das Messinstrument MIPAS, eines der zentralen ENVISAT-Instrumente für die Atmosphärenforschung. Das auf einer Entwicklung des Instituts für Meteorologie und Klimaforschung des Forschungszentrums Karlsruhe basierende MIPAS kann mit Hilfe von Infrarotstrahlung gleichzeitig eine Vielzahl von Spurengasen messen, die für die Chemie der Atmosphäre - insbesondere die Ozonchemie - von großer Bedeutung sind. Mit ENVISAT steht für die europäische Umweltforschung im "Jahr der Geowissenschaften" ein weltweit einzigartiges Instrument zur Verfügung.

    Die Geschichte begann 1988: Damals schlug Professor Dr. Herbert Fischer, einer der Institutsleiter des Instituts für Meteorologie und Klimaforschung des Forschungszentrums Karlsruhe und der Universität Karlsruhe, der Europäischen Raumfahrtorganisation ESA erstmals vor, ein gekühltes Fourierspektrometer auf einem Umweltforschungs-Satelliten einzusetzen.

    Knapp 14 Jahre später wurde Professor Fischers Initiative von Erfolg gekrönt: "Für die Instrumentierung des ENVISAT-Satelliten hat die ESA schließlich MIPAS, das ist die Abkürzung für 'Michelson Interferometer für passive atmosphärische Sondierung', aus dem Forschungszentrum Karlsruhe ausgewählt", berichtet Fischer. "Die Entwicklung und Finanzierung dieses und sechs weiterer Satelliteninstrumente wurde - mit MIPAS als einzigem deutschen Beitrag - von der ESA übernommen."

    Darüber hinaus fliegen auf ENVISAT drei Instrumente mit, die von verschiedenen Ländern beigestellt werden. Unter diesen befindet sich ein zweiter deutscher Beitrag: das Spektrometer SCIAMACHY des Instituts für Fernerkundung der Universität Bremen.

    MIPAS ist ein Instrument, das im Institut für Meteorologie und Klimaforschung (IMK) des Forschungszentrums Karlsruhe für die Messung von Spurengasen in der Atmosphäre entwickelt worden ist. Spurengase sind gasförmige Bestandteile der Atmosphäre, die in kleinen Konzentrationen vorkommen, beispielsweise Kohlendioxid, Ozon oder Stickoxide. MIPAS wurde bisher in verschiedenen Ausführungen am Boden, auf Flugzeugen und mit Höhenforschungsballons eingesetzt. Nun entwickelte die ESA unter Mitwirkung des IMK das Instrument so weiter, dass es im ENVISAT-Satelliten zum Einsatz kommen kann. Die Kosten in Höhe von rund 100 Mio. Euro für das Satelliteninstrument übernahm die ESA.

    MIPAS nutzt die Eigenschaft von Gasen, charakteristische Infrarot-Strahlung auszusenden. Die charakteristische Strahlung gleicht einem Fingerabdruck - sie kann jeder Gasart unverwechselbar zugeordnet werden. Die Strahlungsbestandteile unterschiedlicher Spurengase ergeben zusammengesetzt ein so genanntes Spektrum, das MIPAS mit hoher Genauigkeit erfassen kann. Mithilfe der Analyse solcher Spektren können Konzentrationen von Spurengasen in der Atmosphäre bestimmt werden.

    Die ESA wird nur einige der Gase, die MIPAS misst, in Eigenverantwortung auswerten und die Ergebnisse den Wissenschaftlern weltweit zugänglich machen. Um auch die vielen anderen relevanten Spurengase auszuwerten, hat das Institut für Meteorologie und Klimaforschung entsprechende Methoden entwickelt und einen leistungsfähigen Datenprozessor aufgebaut. Viele Institutionen aus dem In- und Ausland haben an diesen Daten Interesse bekundet und gemeinsame Forschungsprojekte gestartet.

    "Mit den Daten, die wir von MIPAS erhalten, werden wir die Ozonchemie besser verstehen lernen, weil wir erstmals in der Lage sind, die wichtigsten daran beteiligten Spurengase gleichzeitig zu messen", blickt Professor Fischer in die Zukunft. "Daneben wird die globale Beobachtung der langlebigen Spurengase auch unser Verständnis von atmosphärischen Transportvorgängen verbessern."

    Der ENVISAT-Satellit

    Die Aufgabe des Satelliten ENVISAT besteht in der Untersuchung globaler Veränderungen der Umwelt. Mit 10 unterschiedlichen Instrumenten sollen Erdatmosphäre, Ozeane, Polarregionen sowie Veränderungen an Land parallel beobachtet werden, um daraus sowohl auf die natürlichen wie auf die von Menschen verursachten Einflüsse zu schließen. Die ENVISAT-Messdaten werden für eine Vielzahl relevanter Umweltfragen neue Erkenntnisse liefern: zur vermuteten globalen Erwärmung der Erde, zur Erforschung des Ozonlochs, der Versteppung oder Verwüstung von Landmassen und dem Abholzen von Regenwäldern, aber auch zum Bio-Inventar, der Verschmutzung der Meere und zur Entwicklung polarer Eisregionen.

    Der Satellit wiegt mehr als 8 Tonnen und soll in der Nacht vom 28. Februar auf 1. März (geplante Startzeit: 02:07 Uhr MEZ) mit einer Ariane-5-Rakete vom europäischen Weltraumbahnhof Kourou (Französisch-Guayana) in die Umlaufbahn gebracht werden. In einer mittleren Höhe von rund 800 km wird ENVISAT die Erde auf einer polaren Bahn in etwa 100 Minuten umkreisen. Wegen der polaren Bahn dreht sich die Erde quasi unter dem Satelliten durch, so dass innerhalb einiger Tage eine Messung der Gesamtatmosphäre möglich ist. Die Lebensdauer des Satelliten ist auf fünf Jahre ausgelegt.

    ENVISAT besteht aus zwei Teilen: der so genannten Polaren Plattform, einem Versorgungsmodul, und der Beobachtungs-Nutzlast, die die Instrumente trägt. Das gesamte Gerät ist beim Start 10 Meter hoch und hat einen quadratischen Grundriss mit vier Metern Seitenlänge. Im Betriebszustand mit ausgefahrenem Sonnensegel liegt die Gesamtlänge bei etwa 25 Metern. Das Versorgungsmodul übernimmt die Energieversorgung, die Bahn- und Lageregelung sowie die Datenspeicherung und -übertragung zur Bodenstation. ENVISAT ist der größte Erdbeobachtungssatellit, der je in Europa gebaut wurde.

    Das Atmosphärenforschungs-Instrument MIPAS

    MIPAS kann gleichzeitig die Temperatur und mehr als 30 Spurengase messen. Neben Ozon und Wasserdampf gehören dazu

    - die für die Atmosphäre wichtigen Stickoxide, die unter anderem die Ozonchemie bestimmen,

    - verschiedene Fluorchlorkohlenwasserstoffe (FCKW), die in der Stratosphäre unter Einfluss der UV-Strahlung Chlor abgeben und damit die Ozonschicht angreifen und die eine Rolle beim Treibhauseffekt spielen.

    Da MIPAS die von den Molekülen emittierte Infrarotstrahlung (Wärmestrahlung) misst, kann es sowohl bei Tag als auch bei Nacht Spektren aufnehmen. Die Messungen decken die Erde von Pol zu Pol ab; insbesondere können Daten im sonst schwer zugänglichen Polarwinter gewonnen werden.

    Im Höhenbereich zwischen 8 und 70 Kilometern erzeugt MIPAS Höhenprofile der Spurengase mit einer vertikalen Auflösung von 3 Kilometern. Die horizontale Auflösung beträgt etwa 500 Kilometer. MIPAS führt vom Satelliten aus Horizontsondierungen durch, das heißt, dass der Sehstrahl nicht senkrecht nach unten, sondern schräg durch die Atmosphäre verläuft.

    MIPAS misst die von den Luftmolekülen ausgesandte Infrarotstrahlung durch Interferometrie: Die Infrarotstrahlung wird dabei zunächst in zwei Strahlen zerlegt, die gegeneinander versetzt und dann wieder zusammengeführt werden. Aus den erzeugten Daten kann durch eine mathematische Operation - eine so genannte Fouriertransformation - das auswertbare Spektrum ermittelt werden. Die Lage der spektralen Signaturen ("Linien") gibt Aufschluss über die vorhandenen Spurengase, die Höhe der Linien über deren Häufigkeit.

    Joachim Hoffmann 26. Februar 2002

    Die Farbfotos senden wir Ihnen auf Wunsch gerne zu (Telefon 07247/82-2861).


    Bilder

    Der europäische Umweltsatellit ENVISAT beim Flug im Orbit (Simulation). (Quelle: ESA)
    Der europäische Umweltsatellit ENVISAT beim Flug im Orbit (Simulation). (Quelle: ESA)

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    Der ENVISAT-Satellit in der ESTEC-Anlage des ESA-Testzentrums in Noordwijk, Niederlande. (Quelle: ESA)
    Der ENVISAT-Satellit in der ESTEC-Anlage des ESA-Testzentrums in Noordwijk, Niederlande. (Quelle: ES ...

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    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Biologie, Chemie, Geowissenschaften, Informationstechnik, Mathematik, Meer / Klima, Physik / Astronomie, Umwelt / Ökologie
    überregional
    Forschungsprojekte
    Deutsch


     

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