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12.03.2002 11:39

Dem Auf und Ab der Erdkruste auf der Spur - Schwerkraft-Experten treffen sich in Jena

Hubert J. Gieß Abteilung Hochschulkommunikation/Bereich Presse und Information
Friedrich-Schiller-Universität Jena

    Nicht nur die Meere unterliegen den Gezeiten, sondern auch die feste Erdkruste. Um immerhin 30 Zentimeter hebt und senkt sich der Erdboden unter unseren Füßen, und wir merken nicht einmal etwas davon. Feststellen läßt sich das mit Gravimetern - Instrumenten, die noch die allerkleinsten Schwankungen der Erdanziehungskraft entdecken können. In dieser Woche treffen sich rund drei Dutzend Geowissenschaftler aus aller Welt an der Uni Jena, um über supraleitende Gravimeter zu beraten - nahezu die gesamte Forscherelite auf diesem Gebiet. Organisiert wird das Treffen von dem Jenaer Geophysiker Prof. Gerhard Jentzsch und seiner Mitarbeiterin Dr. Corinna Kroner.

    Jena (12.03.02) Ebbe und Flut - wer je am Meer war, hat sie schon einmal erlebt. Dass aber nicht nur die Meere den Gezeiten unterliegen, sondern auch die feste Erdkruste, wissen die Wenigsten. Um immerhin 30 Zentimeter hebt und senkt sich der Erdboden unter unseren Füßen, und wir merken nicht einmal etwas davon. Zum Vergleich: Der Tidenhub in der Nordsee liegt im Schnitt bei 70 Zentimetern. Messen lassen sich die Erdgezeiten durch superempfindliche Instrumente, sogenannte Gravimeter. Freilich nicht direkt: Man bestimmt vielmehr allerkleinste Schwankungen in der Erdanziehungskraft, die mit den Gezeiten einhergehen.

    In dieser Woche treffen sich rund drei Dutzend Geowissenschaftler aus 14 Ländern an der Uni Jena, um über die Messung der Erdgezeiten und den Einsatz supraleitender Gravimeter zu beraten. Dabei ist die gesamte Forscherelite vertreten, die weltweit auf diesem Gebiet arbeitet. Organisiert wird das Treffen von dem Jenaer Geophysiker Prof. Gerhard Jentzsch und seiner Mitarbeiterin Dr. Corinna Kroner.

    Supraleitende Gravimeter sind auch superteuer, so dass es nur etwa 30 derartige Instrumente auf der Erde gibt. Eines davon - es hat etwa eine Million Mark gekostet - steht im Geodynamischen Observatorium der Uni Jena in Moxa, etwa 30 Kilometer südlich von Jena.

    Gravimeter bestehen im einfachsten Fall aus einem Gewicht, das an einer Feder aufgehängt ist. Schwankt die Erdanziehung, so wird die Feder um den Bruchteil eines Millimeters ausgelenkt. Die modernsten Gravimeter wie das in Moxa funktionieren aber nach einem anderen Prinzip: Eine Spule, die auf etwa minus 270 ° Celsius abgekühlt ist, erzeugt ein starkes Magnetfeld. Bei dieser Temperatur verlieren elektrische Leiter ihren Widerstand, Ströme lassen sich verlustlos transportieren. Das so erzeugte Magnetfeld hält eine ebenfalls abgekühlte Hohlkugel in der Schwebe. Auch bei solchen Gravimetern wirken Schwankungen der Erdanziehungskraft auf die Kugel und lenken sie aus. Diese Auslenkung wird durch ein Regelsystem ausgeglichen. Der dazu nötige Strom ist ein Maßstab für die Änderung der Erdanziehung. Die Maßeinheit für die Schwerkraft ist das Gal, 1 Gal entspricht dabei 1 cm/s². Supraleitende Gravimeter können noch Schwerkraftveränderungen vom zehnmillionsten Teil eines Gal messen - selbst ein fallendes Blatt könnte von ihnen wahrgenommen werden.

    Mit supraleitenden Gravimetern kann man aber nicht nur die Erdgezeiten messen: Schon von Natur aus ist die Schwerkraft an verschiedenen Orten unterschiedlich stark. Auch der Untergrund, ein Stausee, das Grundwasser, Regen und Schneefall, sogar Schwankungen des Luftdrucks vergrößern oder verkleinern die Anziehungskraft an einem bestimmten Punkt der Erde. So ist zum Beispiel über dem verhältnismäßig leichtem Schiefer die Schwerkraft geringer als über einer Erzlagerstätte. Deshalb eignen sich Gravimeter für die Suche nach Rohstoffen, etwa nach Ölvorkommen. Ob Salzstöcke, Gesteinsablagerungen, Gebirge, Tiefseegräben oder Kontinentalplatten, die sich gegeneinander verschieben - sie alle beeinflussen die Stärke der Schwerkraft. Selbst das Erdinnere mit seinem hin und her schwingenden Kern verändert das Schwerefeld.

    Auf der Tagung geht es darum, wie man die Gravimeter weiter verbessern und noch empfindlicher machen kann. Auch darüber, wie man die Daten am besten bearbeitet, archiviert und deutet, werden die Fachleute miteinander diskutieren. Und natürlich steht auch ein Ausflug nach Moxa auf dem Programm der Experten. Gerade die Deutung ist ein noch nicht völlig gelöstes Problem, weil sich die Effekte der verschiedenen Schwerkraftphänomene überlagern - schwankender Luftdruck oder ein Platzregen nehmen so Einfluss auf langfristige Messungen und müssen, wenn möglich, nachträglich herausgerechnet werden. Andererseits kann man aber gerade aus diesen örtlichen Wirkungen viele wertvolle Informationen über den Zustand der Erde nahe an ihrer Oberfläche erhalten. So hoffen die Wissenschaftler zum Beispiel, in den Signalen Anhaltspunkte für nahende Erdbeben oder Vulkanausbrüche zu finden.

    Weitere Informationen: Friedrich-Schiller-Universität Jena, Institut für Geowissenschaften, Lehrstuhl für Angewandte Geophysik, 07740 Jena, Prof. Dr. Gerhard Jentzsch, Tel. (0 36 41) 94 86 60, Fax: (0 36 41) 94 86 62, E-Mail: jentzsch@geo.uni-jena.de


    Bilder

    Superteuer, superempfindlich: Das Gravimeter von Moxa, hier bei einer Wartung. Es könnte noch die Schwerkraftänderung durch ein fallendes Blatt registrieren. Deshalb steht es normalerweise abgeschirmt, verankert auf einer Betonplatte. - Foto: U-Jena
    Superteuer, superempfindlich: Das Gravimeter von Moxa, hier bei einer Wartung. Es könnte noch die Sc ...

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    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Geowissenschaften
    überregional
    Buntes aus der Wissenschaft, Forschungsprojekte, Wissenschaftliche Tagungen
    Deutsch


     

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