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Wissenschaft
Lebensraum Polarmeer: Enorme Artenvielfalt und ungewöhnliche Nahrungsbeziehungen
Internationales Biologenteam von der "Polarstern" aus der Antarktis zurückgekehrt
Strandende Eisberge vernichten immer wieder artenreiche Bodentiergemein-schaften in der Antarktis. Jetzt haben deutsche Wissenschaftler zusammen mit Kollegen aus den europäischen Nachbarländern, Südafrika und Korea Seescheiden, Hornkorallen, Schwämme und einige Fischarten als charakteristisch für verschiedene Stadien der Wiederbesiedlung identifiziert - und damit Grundlagen für die Bewertung der Flexibilität und Belastbarkeit polarer Ökosysteme geschaffen. Unter günstigen Wetter- und Eisverhältnissen waren die Wissenschaftler fast elf Wochen an Bord des Forschungseisbrechers "Polarstern" in der Hochantarktis und im Bereich der Südshetlandinseln unterwegs. "Die Expedition hat uns neue, detaillierte Einsichten ermöglicht und einmal mehr den Wert internationaler Kooperation auf einer großen Forschungsplattform wie der "Polarstern" aufgezeigt", freut sich Fahrtleiter Prof. Wolf Arntz vom Alfred-Wegener-Institut für Polar- und Meeresforschung. "Durch die spontane Zusammenarbeit der Wissenschaftler unterschiedlichster Arbeitsgruppen konnten viele Fragen bereits direkt vor Ort geklärt werden."
Eisberge hinterlassen regelrechte Pflugspuren auf dem Meeresboden und stören dabei die am Boden lebenden Tiere erheblich. Mit Hilfe der ermittelten Charakterarten wollen die Biologen die verschiedenen Stadien der Wiederbesiedlung zeitlich einordnen und damit herausfinden, welche Arten sich nach und nach wieder ansiedeln und wie lange dieser Prozeß dauert. Der Anteil der gestörten Böden in 150 bis 300 Meter Tiefe erwies sich während der Expedition als wesentlich höher als bisher angenommen. Für einen Langzeitversuch brachten die Wissenschaftler Tonziegel aus, um den Tieren ein künstliches Hartsubstrat zur Besiedlung anzubieten.
Die Suche nach Lock- und Schreckstoffen, die von marinen Lebewesen, z.B. Nacktschnecken und Schwämmen, für die Partnersuche, die Abwehr von Feinden oder andere biologische Wechselbeziehungen entwickelt werden, war ebenfalls Thema der Expedition. Diese sogenannten Sekundärmetabolite stoßen besonders in der Medizin und der Pharmazie auf großes Interesse.
Die enorme Artenvielfalt der antarktischen Gewässer zeigte sich auch bei dieser Expedition: Allein innerhalb der Gruppe der Flohkrebse wurden mehr als 50 neue Arten entdeckt. Die Erfassung des Artenbestandes, der Verbreitungsgrenzen und Verwandtschaftsverhältnisse der polaren Bodentiere soll neue Erkenntnisse über die Auswirkungen von Kontinentaldrift und Klimaveränderung ermöglichen und helfen, zukünftige Entwicklungen vorauszusagen. Besonders die Untersuchungen vor den Südshetlandinseln sind Teil einer umfassenden Bilanz, die ökologische und Verwandschaftsbeziehungen zwischen dem Ökosystem der Antarktis und dem an der Südspitze Südamerikas klären soll. Noch vor etwa 20 Mio. Jahren besaßen diese Gebiete eine gemeinsame Tierwelt.
Das Nahrungsangebot und Tauchverhalten von Weddellrobben stand im Mittelpunkt der Arbeiten einer weiteren Wissenschaftlergruppe. Diese Robben stellen sich perfekt auf den jeweiligen Aufenthaltsort ihrer Fischnahrung ein und tauchen bis in große Tiefen. Eine andere Robbenart, die Krabbenfresser, wurde von einem Iglu-Camp auf dem Meereis aus mit Satellitentransmittern ausgerüstet und die Wanderungen der Tiere über mehrere Wochen verfolgt. Diese Art hält sich vorwiegend in der Packeiszone auf und war in diesem Jahr mit deutlich weniger Tieren vertreten als üblich - ähnlich wie 1983. Interssant ist, daß in beiden Jahren das El Nino - Phänomen stark war.
Die Expedition war Teil des des EASIZ-Programms (Ecology of the Antarctic Sea Ice Zone) des Internationalen Rats für Antarktisforschung. Während die Biologen jetzt in den Heimatlabors mit der Auswertung ihrer Proben und Daten beginnen, ist "Polarstern" zum letzten Fahrtabschnitt ihrer Antarktisexpedition aufgebrochen. Diese Reise ist ozeanographischen Messungen gewidmet und endet am 24. Mai in Kapstadt. In seinem Heimathafen Bremerhaven wird das Schiff am 21. Juni zurück erwartet.
Bremerhaven, den 01.04.1998
Merkmale dieser Pressemitteilung:
Biologie, Informationstechnik, Mathematik, Meer / Klima, Physik / Astronomie, Umwelt / Ökologie
überregional
Forschungsprojekte
Deutsch
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