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16.04.2002 15:21

Kosmische Röntgenstrahlung gibt Hinweis auf neue Form von Materie

Michael Seifert Hochschulkommunikation
Eberhard Karls Universität Tübingen

    Tübinger Astronomen entdecken Stern, der aus Quarks besteht

    Das Röntgenobservatorium CHANDRA, das seit 1999 von der NASA im Weltraum
    betrieben wird, hat einen Stern beobachtet, dessen "zu kleiner" Durchmesser
    möglicherweise neue Er-kenntnisse über die Struktur der Materie liefert.
    Diese Entdeckung unterstreicht den engen Zusammenhang zwischen kosmischen
    Objekten und der Physik der Elementarteilchen. Die CHANDRA-Beobachtung des
    Objekts mit dem Katalognamen RXJ1856.3-3754 legt nahe, dass die Materie im
    Inneren des Sterns noch dichter ist als die Atomkernmaterie, die wir von
    der Erde her kennen. Es ist daher möglich, das dieser Stern aus freien
    Quarks besteht.

    Durch die Kombination von CHANDRA- und Hubble-Teleskop-Daten haben
    Astronomen herausgefunden, dass RXJ1856.3-3754 wie ein Festkörper mit
    einer Temperatur von 700.000 Grad strahlt, also mehr als 100 mal heißer als
    unsere Sonne ist. Der Durchmesser beträgt nur ungefähr 11 Kilometer. Ein
    solcher Durchmesser ist zu klein, als dass er mit Standardmodellen für
    Neutronensterne erklärt werden könnte, welche die bisher extremste bekannte
    Form von Materie darstellen. Daher lassen alle Beobachtungen dieses Sterns
    zusammengenommen den Schluss zu, dass er nicht aus Neutronen besteht,
    sondern aus Quarks. Quarks werden als fundamentale Bausteine der Atomkerne
    betrachtet, sie sind allerdings bisher niemals außerhalb eines Atomkerns
    als freie Teilchen beobachtet worden.

    Dies ist der wesentliche Inhalt einer Publikation, die im "Astrophysical
    Journal" am 20.06.2002 erscheinen wird. Das amerikanisch-deutsche
    Astronomen-Team wird geleitet von Dr. Jeremy Drake vom "Harvard-Smithsonian
    Center for Astrophysics" (USA). Zum Team gehören auch Dr. Stefan Dreizler
    und Prof. Dr. Klaus Werner vom Institut für Astronomie und Astrophysik der
    Universität Tübingen.

    Ein Fingerhut voll Neutronensternmaterial wiegt Milliarden von Tonnen.
    Seine außerge-wöhnlich hohe Dichte entspricht derjenigen von eng
    zusammengepackten Atomkernen. In normaler Materie dagegen sind Atomkerne
    weit voneinander entfernt. Atomkerne bestehen aus Neutronen und Protonen,
    diese wiederum bestehen aus noch kleineren Teilchen, die als Quarks
    bezeichnet werden und als Grundbausteine der Materie gelten. Große
    Teilchenbeschleuniger werden benutzt, um die Kräfte zwischen den Quarks und
    die Struktur der Atomkerne zu untersuchen, indem man Atomkerne mit extrem
    hoher Geschwindigkeit aufeinander prallen lässt und deren Bruchstücke
    studiert. Im Europäischen Kernforschungszentrum wurde tatsächlich im Jahr
    2000 die Entdeckung eines neuen Zustandes der Materie, des
    Quark-Gluon-Plasmas, angekündigt.

    Neutronensterne stellen das Endstadium der Entwicklung massereicher Sterne
    dar. Der etwa zwei Sonnenmassen schwere Eisenkern eines solchen
    massereichen Sterns kollabiert unter seinem eigenem Gewicht zu einem
    Neutronenstern mit nur etwa 20 Kilometern Durchmesser. Der überwiegende
    Teil der Sternhülle wird in Form einer Supernova-Explosion vom Stern
    fortgeschleudert. Es ist nicht klar, ob ein Quarkstern nun während einer
    Supernova-Explo-sion entstehen kann oder erst später ein Neutronenstern
    einen sogenannten Phasenübergang zu einem Quarkstern vollzieht.

    Die Astronomen sind allerdings noch vorsichtig mit ihrer Schlussfolgerung.
    Im Prinzip kann man die Beobachtungen von RXJ1856.3-3754 auch mit einem
    normalen Neutronenstern und einem heißen Fleck auf seiner Oberfläche
    erklären. Ein solches Modell wird von Dr. Fred Walter (State University of
    New York, Stony Brook) untersucht. Walter ist einer der Entdek-ker von
    RXJ1856.3-3754, der ursprünglich 1996 mit dem deutschen Röntgensatelliten
    RO-SAT gefunden wurde. Allerdings würde man von einem solchen Modell her
    mit großer Wahr-scheinlichkeit eine variable Röntgenstrahlung erwarten, was
    allerdings aufgrund des Beob-achtungsmaterials so gut wie ausgeschlossen
    werden kann.

    Unabhängig davon wie die ungewöhnlichen Beobachtungen von RXJ1856.3-3754
    letztendlich erklärt werden können, sie zeigen, dass es möglich ist,
    astrophysikalische Untersuchungen des Universums dazu zu nutzen,
    fundamentale physikalische Fragestellungen zu untersuchen.

    Weitere Informationen:

    Dr. Stefan Dreizler
    Prof. Dr. Klaus Werner
    Institut für Astronomie und Astrophysik
    Abteilung Astronomie
    Sand 1
    72076 Tübingen

    Tel. 07071 2978612 oder 07071 2978601

    e-mail: dreizler@astro.uni-tuebingen.de oder werner@astro.uni-tuebingen.de

    Im Internet: Das Institut: http://astro.uni-tuebingen.de

    Das Chandra X-Ray Observatory Center (mit Bildmaterial zu RXJ1856.3-3754):
    http://chandra.harvard.edu/index.html


    Bilder

    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Mathematik, Physik / Astronomie
    überregional
    Forschungsergebnisse
    Deutsch


     

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