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Wissenschaft
Tübinger Astronomen entdecken Stern, der aus Quarks besteht
Das Röntgenobservatorium CHANDRA, das seit 1999 von der NASA im Weltraum
betrieben wird, hat einen Stern beobachtet, dessen "zu kleiner" Durchmesser
möglicherweise neue Er-kenntnisse über die Struktur der Materie liefert.
Diese Entdeckung unterstreicht den engen Zusammenhang zwischen kosmischen
Objekten und der Physik der Elementarteilchen. Die CHANDRA-Beobachtung des
Objekts mit dem Katalognamen RXJ1856.3-3754 legt nahe, dass die Materie im
Inneren des Sterns noch dichter ist als die Atomkernmaterie, die wir von
der Erde her kennen. Es ist daher möglich, das dieser Stern aus freien
Quarks besteht.
Durch die Kombination von CHANDRA- und Hubble-Teleskop-Daten haben
Astronomen herausgefunden, dass RXJ1856.3-3754 wie ein Festkörper mit
einer Temperatur von 700.000 Grad strahlt, also mehr als 100 mal heißer als
unsere Sonne ist. Der Durchmesser beträgt nur ungefähr 11 Kilometer. Ein
solcher Durchmesser ist zu klein, als dass er mit Standardmodellen für
Neutronensterne erklärt werden könnte, welche die bisher extremste bekannte
Form von Materie darstellen. Daher lassen alle Beobachtungen dieses Sterns
zusammengenommen den Schluss zu, dass er nicht aus Neutronen besteht,
sondern aus Quarks. Quarks werden als fundamentale Bausteine der Atomkerne
betrachtet, sie sind allerdings bisher niemals außerhalb eines Atomkerns
als freie Teilchen beobachtet worden.
Dies ist der wesentliche Inhalt einer Publikation, die im "Astrophysical
Journal" am 20.06.2002 erscheinen wird. Das amerikanisch-deutsche
Astronomen-Team wird geleitet von Dr. Jeremy Drake vom "Harvard-Smithsonian
Center for Astrophysics" (USA). Zum Team gehören auch Dr. Stefan Dreizler
und Prof. Dr. Klaus Werner vom Institut für Astronomie und Astrophysik der
Universität Tübingen.
Ein Fingerhut voll Neutronensternmaterial wiegt Milliarden von Tonnen.
Seine außerge-wöhnlich hohe Dichte entspricht derjenigen von eng
zusammengepackten Atomkernen. In normaler Materie dagegen sind Atomkerne
weit voneinander entfernt. Atomkerne bestehen aus Neutronen und Protonen,
diese wiederum bestehen aus noch kleineren Teilchen, die als Quarks
bezeichnet werden und als Grundbausteine der Materie gelten. Große
Teilchenbeschleuniger werden benutzt, um die Kräfte zwischen den Quarks und
die Struktur der Atomkerne zu untersuchen, indem man Atomkerne mit extrem
hoher Geschwindigkeit aufeinander prallen lässt und deren Bruchstücke
studiert. Im Europäischen Kernforschungszentrum wurde tatsächlich im Jahr
2000 die Entdeckung eines neuen Zustandes der Materie, des
Quark-Gluon-Plasmas, angekündigt.
Neutronensterne stellen das Endstadium der Entwicklung massereicher Sterne
dar. Der etwa zwei Sonnenmassen schwere Eisenkern eines solchen
massereichen Sterns kollabiert unter seinem eigenem Gewicht zu einem
Neutronenstern mit nur etwa 20 Kilometern Durchmesser. Der überwiegende
Teil der Sternhülle wird in Form einer Supernova-Explosion vom Stern
fortgeschleudert. Es ist nicht klar, ob ein Quarkstern nun während einer
Supernova-Explo-sion entstehen kann oder erst später ein Neutronenstern
einen sogenannten Phasenübergang zu einem Quarkstern vollzieht.
Die Astronomen sind allerdings noch vorsichtig mit ihrer Schlussfolgerung.
Im Prinzip kann man die Beobachtungen von RXJ1856.3-3754 auch mit einem
normalen Neutronenstern und einem heißen Fleck auf seiner Oberfläche
erklären. Ein solches Modell wird von Dr. Fred Walter (State University of
New York, Stony Brook) untersucht. Walter ist einer der Entdek-ker von
RXJ1856.3-3754, der ursprünglich 1996 mit dem deutschen Röntgensatelliten
RO-SAT gefunden wurde. Allerdings würde man von einem solchen Modell her
mit großer Wahr-scheinlichkeit eine variable Röntgenstrahlung erwarten, was
allerdings aufgrund des Beob-achtungsmaterials so gut wie ausgeschlossen
werden kann.
Unabhängig davon wie die ungewöhnlichen Beobachtungen von RXJ1856.3-3754
letztendlich erklärt werden können, sie zeigen, dass es möglich ist,
astrophysikalische Untersuchungen des Universums dazu zu nutzen,
fundamentale physikalische Fragestellungen zu untersuchen.
Weitere Informationen:
Dr. Stefan Dreizler
Prof. Dr. Klaus Werner
Institut für Astronomie und Astrophysik
Abteilung Astronomie
Sand 1
72076 Tübingen
Tel. 07071 2978612 oder 07071 2978601
e-mail: dreizler@astro.uni-tuebingen.de oder werner@astro.uni-tuebingen.de
Im Internet: Das Institut: http://astro.uni-tuebingen.de
Das Chandra X-Ray Observatory Center (mit Bildmaterial zu RXJ1856.3-3754):
http://chandra.harvard.edu/index.html
Merkmale dieser Pressemitteilung:
Mathematik, Physik / Astronomie
überregional
Forschungsergebnisse
Deutsch
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