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Historiker der Universität Jena veröffentlichen ein Buch über den Deutschen Zollverein
Der Deutsche Zollverein wurde – obwohl das bei seiner Gründung keineswegs beabsichtigt war – zu einem der Geburtshelfer der deutschen Nation. „Der Zollverein schrieb eine bis heute einzigartige Erfolgsgeschichte“, sagt Prof. Dr. Hans-Werner Hahn von der Universität Jena. Gegründet wurde der Zollverein 1833 als Zusammenschluss souveräner Staaten zu einem gemeinsamen Zollgebiet.
Eine bislang wenig beachtete Schlüsselrolle für die zwischenstaatliche Integration spielte die bürokratische Funktionselite des Zollvereins. Gemeinsam mit Kollegen hat der Historiker Hahn daher insbesondere die Arbeit der höheren Zollbeamten untersucht. Kein leichtes Unterfangen, denn die Unterlagen zum Deutschen Zollverein liegen in verschiedenen Archiven weit über die Bundesrepublik verstreut. „Der Zollverein hatte keine übergeordneten Gremien, abgesehen von der Generalversammlung, die alle zwei Jahre tagte“, sagt Dr. Marko Kreutzmann, der gemeinsam mit Hans-Werner Hahn über den Zollverein geforscht hat.
Die höheren Beamten im Zollverein – es handelt sich um etwa 250 Personen – waren sowohl ihrem Herkunftsland als auch dem 1833 gegründeten Zollverein verpflichtet. Ihre Interaktionen seien bei weitem nicht reibungslos verlaufen, sagt Hahn. So habe etwa ein tiefes Misstrauen gegenüber den preußischen Vertretern geherrscht, weil eine Vormachtstellung Preußens in der Zollunion befürchtet wurde. „Außerdem waren es nicht nur Verfassungsstaaten, die sich zusammengeschlossen hatten“, sagt Marko Kreutzmann. Die in einzelnen Mitgliedsstaaten existierenden Landtage waren nicht systematisch in die Beschlüsse des Zollvereins etwa über Tarifänderungen oder den Abschluss von Handelsverträgen eingebunden. Gerade bei den Entscheidungen unter Zeitdruck gab es in den Parlamenten die Befürchtung, nicht ausreichend gehört zu werden. „Die Parlamentarier hatten oft das Gefühl, nicht in jeder Frage Herren des Verfahrens zu sein“, konstatiert Prof. Hahn.
Mit dieser Erkenntnis berühren die Historiker der Universität Jena hochaktuelle Fragen der Gegenwart: Die Europäische Union als Zusammenschluss souveräner Staaten mit einem gemeinsamen Wirtschafts- und Währungsraum steht vor gleichartigen Herausforderungen wie einst die deutschen Kleinstaaten im Zollverein. Natürlich standen die im Zollverein organisierten Staaten sich näher, weil sie einen gemeinsamen kulturellen, historischen und sprachlichen Hintergrund besaßen. Dennoch könnten heutige Politiker in vielfältiger Weise von den Erfahrungen der damaligen Akteure profitieren, sagt Hans-Werner Hahn. Eine erste Konjunktur erlebten die geschichtlichen Parallelen bereits in den 1950er und 1960er Jahren. Damals wurde die Bundesrepublik im Zuge der europäischen Einigung misstrauisch als „neues Preußen“ betrachtet. Heute ergeben sich Anknüpfungspunkte eher in Bezug auf die politisch-institutionelle Funktionsweise zwischenstaatlicher Organisationen oder die demokratische Legitimation solcher Integrationsprozesse.
Hans-Werner Hahn und sein Mitarbeiter Marko Kreutzmann haben gemeinsam das Buch „Der Deutsche Zollverein. Ökonomie und Nation im 19. Jahrhundert“ herausgegeben. Die zwölf beteiligten Autoren geben darin einen Überblick über den Stand der Forschung. Das Buch versammelt die Beiträge einer Tagung zum Zollverein, die 2010 an der Friedrich-Schiller-Universität Jena stattfand. Die Tagung beschäftigte sich mit dem in der Forschung seit langem kontrovers diskutierten, komplexen Zusammenhang zwischen der wirtschaftlichen Integration zwischen den Staaten des Deutschen Zollvereins und der Herausbildung einer gemeinsamen nationalen Identität. Damit werden zugleich aktuelle Fragen nach dem Zusammenhang zwischen wirtschaftlicher und politischer Integration im heutigen europäischen Einigungsprozess berührt.
Bibliografische Angaben:
Hans-Werner Hahn, Marko Kreutzmann (Hg.): Der Deutsche Zollverein. Ökonomie und Nation im 19. Jahrhundert, Böhlau Verlag, Köln 2012, 309 Seiten, 39,90 Euro, ISBN 978-3-412-20835-6
Kontakt:
Prof. Dr. Hans-Werner Hahn
Historisches Institut der Friedrich-Schiller-Universität Jena
Fürstengraben 13, 07743 Jena
Tel.: 03641 / 944440
E-Mail: Hawe.Hahn[at]uni-jena.de
Der Historiker Prof. Dr. Hans-Werner Hahn von der Uni Jena hat neue Erkenntnisse über die Bedeutung ...
Foto: Anne Günther/FSU
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Geschichte / Archäologie
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Forschungsergebnisse, Wissenschaftliche Publikationen
Deutsch
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