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Professionelle Taxonomen und Molekularbiologen aus ganz Deutschland arbeiten gemeinsam an einer Referenzbibliothek des Lebens mit modernsten molekularen Methoden. GBOL sieht die umfassende Dokumentation von allen Lebewesen Deutschlands vor: mit genetischem Fingerabdruck, Gewebeprobe und Belegexemplar. Das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) fördert GBOL mit rund fünf Millionen Euro. Die Gesamtkoordination des Projektes liegt beim Zoologischen Forschungsmuseum Alexander Koenig in Bonn. GBOL ermöglicht einen regelrechten Quantensprung für die Biodiversitätsforschung in Deutschland.
Das rasante Fortschreiten von Artensterben und Klimawandel begründen die weltweiten Forderungen nach Erhaltung der Biodiversität und machen die Etablierung einer schnellen, zuverlässigen und kosteneffizienten Artidentifikation zu einer globalen Notwendigkeit, um das weitere großflächige Aussterben von Arten verhindern zu können.
Im November 2011 ist das German Barcode of Life Projekt (GBOL) an den Start gegangen, mit dem Ziel jedes Tier, jede Pflanze und jeden Pilz in Deutschland anhand einer artspezifischen DNA-Barcode-Sequenz zu erfassen. Professionelle Taxonomen und Molekularbiologen aus ganz Deutschland arbeiten gemeinsam an einer Referenzbibliothek des Lebens. GBOL sieht die umfassende Dokumentation von allen Lebewesen Deutschlands vor: mit genetischem Fingerabdruck, Gewebeprobe und Belegexemplar.
Für Biodiversitätsforscher wie Naturschutzpolitiker beginnt mit dem GBOL Projekt eine neue Zeitrechnung, denn künftig können schnell und verlässlich Aussagen über das Ausmaß und die Folgen von Klimawandel und Artensterben in Deutschland getroffen werden. Durch den notwendigen Einsatz von zahlreichen Spezialisten (Taxonomen) vor Ort, welche die Arten anhand morphologischer Merkmale erfassen, waren regelmäßige und umfangreiche Biodiversitätsanalysen bisher sehr zeitintensiv und kostspielig und konnten daher meist gar nicht durchgeführt werden.
GBOL wird einen immensen gesellschaftlichen Nutzen stiften und völlig neue Handlungsspielräume – auf politischer, ökologischer und ökonomischer Ebene ermöglichen. Prof. Dr. Wolfgang Wägele, GBOL-Sprecher und Direktor des Zoologischen Forschungsmuseums Alexander Koenig und Dr. Stephanie Pietsch, Projektkoordinatorin für das GBOL Projekt in Deutschland, berichten über die Bedeutung und den praktischem Nutzen von GBOL.
O-Ton Prof. W. Wägele (GBOL-Sprecher): Bedeutung von GBOL
„Wir haben erst einen Bruchteil der globalen Artenvielfalt erfasst und müssen mit ansehen, wie durch Vernichtung von Lebensräumen eine nicht bekannte Zahl von Arten jedes Jahr ausstirbt. Die detaillierte und regelmäßige Kontrolle der Fauna ist nicht nur in tropischen Wäldern, sondern auch bei uns in deutschen Landschaften nicht durchführbar. Der Zugriff auf Artenwissen für viele Anwendungen ist genauso behindert. Daher brauchen wir ein Umdenken und die Entwicklung neuer Technologien. Wir sind dem BMBF dankbar, dass dafür jetzt der erste Schritt möglich wurde.“
O-Ton Dr. S. Pietsch (GBOL-Projektkoordinatorin): Praktische Beispiele
„Eine etablierte und umfassende DNA-Barcode-Referenzbibliothek ermöglicht in Zukunft auch Nicht-Spezialisten eine automatisierbare, kostengünstige und zuverlässige Identifikation von Arten für vielfältige Anwendungsgebiete. Mit GBOL kann erstmals ein hocheffizientes und schnelles Biodiversitätsmonitoring durchgeführt werden, welches die Grundlage für eine optimale Planung und Überwachung von Umwelt- und Naturschutzmaßnahmen bildet. Neben den diversen naturschutzrelevanten und ökologischen Einsatzmöglichkeiten lassen sich mit GBOL auch viele neue ökonomische Anwendungsbereiche erschließen. Im Bereich der Forst- und Landwirtschaft ermöglicht künftig ein sehr erfolgreiches Nachweisverfahren für Schädlinge und Krankheitsüberträger das schnellere Einleiten von entsprechenden Maßnahmen zur Schadensbegrenzung. In der Fischereiwirtschaft können anhand der Determination von schwer bestimmbaren Ei- und Larven Stadien verlässlichere Zukunftsprognosen über die Besatzdichte von bestimmten Fischarten in Gewässern getroffen werden. Forensiker und Zollfahnder verfügen mit GBOL in Zukunft über ein effektives Methodenspektrum zur Spurensuche und Überwachung von illegalem Organismenhandel. Lebensmittelkontrolleure können in nächster Zeit viel schneller und sicherer Etikettenschwindel bei Nahrungsmitteln und Tierfutter nachweisen und so Nahrungsmittelskandale in einem frühen Stadium aufdecken.“
Die GBOL Strategie der Bündelung aller wissenschaftlichen Expertisen und Infrastrukturen ist bisher einmalig in Deutschland, und zugleich die Erfolgsgrundlage für eine schnelle Arterfassung mit höchster Präzision. 14 deutsche Forschungseinrichtungen, darunter auch das Nees-Institut für Biodiversität der Pflanzen der Universität Bonn, beteiligen sich an diesem Verbundprojekt, bei dem derzeit 45 professionelle Taxonomen und Molekularbiologen Hand in Hand arbeiten. Um dieses Mammutprojekt zum Erfolg zu bringen, benötigen die GBOL-Wissenschaftler darüber hinaus vor allem auch die tatkräftige Unterstützung von externen Artenkennern.
O-Ton Prof. W. Wägele (GBOL-Sprecher): Appell an ehrenamtliche Artenkenner
„Wir suchen deutschlandweit die Mitarbeit von ehrenamtlichen Taxonomen mit sehr guter Artenkenntnis, die durch ihre Sammelaktivität und Expertise für die Bestimmung der Arten gezielt zur GBOL-Bioinventur beitragen wollen! Eine gute Artenkenntnis und ein entsprechend routinierter Umgang mit Artbestimmungsschlüsseln bilden die erforderlichen Qualifikationen für die aktive Teilnahme als offizieller GBOL-Partner. Die Artenkenner erhalten mit GBOL die einzigartige Möglichkeit, in einem Netzwerk mit verschiedenen Wissenschaftlern zusammenzuarbeiten und eine für die Zukunft dauerhaft nutzbare Datenbasis der lokalen Fauna und Flora zu erstellen.“
O-Ton Dr. S. Pietsch (GBOL-Projektkoordinatorin): Wie wenden sich Artenkenner an GBOL?
„In wenigen Schritten können ehrenamtliche Artenkenner zum offiziellen GBOL-Partner werden: Der Spezialist meldet sich unter Angabe seiner Referenzen auf unserem GBOL-Webportal unter www.bolgermany.de an. Nach Prüfung seiner Fachexpertise für spezielle Organismengruppen erfolgt die Zertifizierung zum offiziellen GBOL-Partner. Dieser verfügt dann über ein eigenes Benutzerkonto auf der GBOL-Webseite mit dem er seine Sammelaktivitäten selbst managen kann. Der registrierte Sammler kann z.B. Sammelmaterial (z.B. Probengefäße) anfordern, Sammelleitfäden und Tabellen herunterladen, und alle im Feld aufgenommenen Organismendaten direkt über sein eigenes GBOL-Benutzerkonto online einpflegen und dokumentieren. Der wertvolle faunistische oder floristische Beitrag der offiziellen GBOL-Partner wird auf unserem GBOL-Webportal öffentlich gemacht werden. Ein Artenkenner/ eine Artenkennerin, der/die einen wesentlichen Beitrag zur GBOL-Bio-Inventur geleistet hat, erhält neben einer Erfolgsprämie auch die Möglichkeit der Beteiligung an gemeinsamen Publikationen mit GBOL-Mitgliedern.“
Das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) fördert GBOL mit rund fünf Millionen Euro für zunächst 3,5 Jahre bis zum Frühjahr 2015. Bei ca. 66.000 Arten (Tiere, Pflanzen, Pilze) in Deutschland, wird die Erstellung einer vollständigen DNA-Barcode Referenzbibliothek vermutlich insgesamt ca. 10 Jahre dauern. Die expertenbasierte GBOL-Datenplattform wird ein in Deutschland bisher einzigartiges System zur effizienten und schnellen Biodiversitätserfassung bereitstellen. Die GBOL Daten werden für Jedermann frei und kostenlos nutzbar sein, so dass in naher Zukunft auch Nicht-Spezialisten alle Tier-, Pflanzen-, und Pilzarten in Deutschland schnell, verlässlich und kostengünstig bestimmen können.
GBOL ermöglicht einen regelrechten Quantensprung für die Biodiversitätsforschung in Deutschland und leistet einen bemerkenswerten Beitrag zum Erhalt des Naturerbes für künftige Generationen. Da das GBOL-Projekt Teil einer globalen Initiative zur Erfassung aller Arten unseres Planeten ist, fließen alle GBOL-Daten zugleich auch in die internationale Barcode Datenbank BOLD ein.
Die Gesamtkoordination des GBOL-Projektes liegt beim Zoologischen Forschungsmuseum Alexander Koenig in Bonn. Ansprechpartnerin vor Ort ist Dr. Stephanie Pietsch, info@bol-germany.de
Weitere Informationen zum GBOL-Projekt finden Sie unter: www.bolgermany.de
Kontakt am ZFMK (GBOL-Projektkoordination):
Dr. Stephanie Pietsch
Zoologisches Forschungsmuseum Alexander Koenig
Museumsmeile Bonn
Adenauerallee 160
53113 Bonn
info@bol-germany.de
tel.: 0228 9122 352
fax: 0228 9122 295
E-Mail: s.pietsch.gbol@googlemail.com
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Das Zoologische Forschungsmuseum Alexander Koenig (ZFMK) ist eine außeruniversitäre Forschungseinrichtung des Ministeriums für Innovation, Forschung und Technologie des Landes Nordrhein-Westfalen. Als Leibniz-Institut für die Biodiversität der Tiere hat es einen Forschungsanteil von mehr als 75 %. Das ZFMK betreibt sammlungsbasierte Biodiversitätsforschung zur Systematik und Phylogenie, Biogeographie und Taxonomie der terrestrischen Fauna. Innovative Methoden- und Arbeitsansätze der molekularen Biodiversitätsforschung dienen auch Studien zur Nachhaltigkeit. Das ZFMK hat 89 fest angestellte Mitarbeiter, davon 37 Wissenschaftler. Studenten der Biologie werden in Kooperation mit der Universität Bonn ausgebildet. Die Ausstellung „Unser blauer Planet“ trägt zum Verständnis von Biodiversität unter globalen Aspekten bei.
Zur Leibniz-Gemeinschaft gehören zurzeit 86 Forschungsinstitute und wissenschaftliche Infrastruktureinrichtungen für die Forschung sowie drei assoziierte Mitglieder. Die Ausrichtung der Leibniz-Institute reicht von den Natur-, Ingenieur- und Umweltwissenschaften über die Wirtschafts-, Sozial- und Raumwissenschaften bis hin zu den Geisteswissenschaften. Leibniz-Institute arbeiten strategisch und themenorientiert an Fragestellungen von gesamtgesellschaftlicher Bedeutung Bund und Länder fördern die Institute der Leibniz-Gemeinschaft daher gemeinsam. Näheres unter www.leibniz-gemeinschaft.de
https://www.bolgermany.de/ - weitere Informationen
Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten
Biologie, Gesellschaft, Medizin, Tier / Land / Forst, Umwelt / Ökologie
überregional
Forschungsprojekte, Kooperationen
Deutsch
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