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01.05.2012 23:00

Genmutation führt zum Verlust zweier Sinne: Tastsinn und Hörsinn

Barbara Bachtler Pressestelle
Max-Delbrück-Centrum für Molekulare Medizin (MDC) Berlin-Buch

    Wer gut hört, kann auch gut tasten. Wer aber schlecht hört, hat auch einen schlechteren Tastsinn. Wie das zusammenhängt, haben jetzt Dr. Henning Frenzel und Prof. Gary R. Lewin vom Max-Delbrück-Centrum (MDC) Berlin-Buch entdeckt: Beide Sinne haben eine gemeinsame genetische Basis. In Patienten mit Usher-Syndrom, einer erblichen Form der Schwerhörigkeit mit Sehbehinderung, entdeckten sie eine Genmutation, die ursächlich auch für den schlechteren Tastsinn der Betroffenen ist. Der Untersuchung waren verschiedene Studien, unter anderem mit ein- und zweieiigen gesunden Zwillingen vorausgegangen (PloS Biology, doi:10.1371/journal.pbio.1001318). Insgesamt untersuchten die Forscher 518 Freiwillige.

    Wer gut hört, kann auch gut tasten. Wer aber schlecht hört, hat auch einen schlechteren Tastsinn. Wie das zusammenhängt, haben jetzt Dr. Henning Frenzel und Prof. Gary R. Lewin vom Max-Delbrück-Centrum für Molekulare Medizin (MDC) Berlin-Buch entdeckt. Sie konnten zeigen, dass beide Sinne eine gemeinsame genetische Basis haben. In Patienten mit Usher-Syndrom, einer erblichen Form der Schwerhörigkeit mit Sehbehinderung, entdeckten sie eine Genmutation, die ursächlich auch für den schlechteren Tastsinn der Betroffenen ist. Der Untersuchung waren verschiedene Studien, unter anderem mit ein- und zweieiigen gesunden Zwillingen vorausgegangen (PloS Biology, doi:10.1371/journal.pbio.1001318)*. Insgesamt hatten die Forscher 518 Freiwillige untersucht.

    Hören und Tasten sind bei allen Wirbeltieren und damit auch beim Menschen zwei unterschiedliche Sinnessysteme. Bei beiden werden aber mechanische Reize in elektrische Signale umgewandelt. Beim Hören lösen die Schallwellen Schwingungen aus, die im Innenohr die Haarzellen verbiegen, die den mechanischen Reiz in elektrische Signale umsetzen. Sie gelangen über den Hörnerv in das Gehirn. Beim Tasten geschieht Ähnliches: Der mechanische Reiz – das Gleiten mit den Fingern über eine raue oder glatte Oberfläche, das Wahrnehmen von Vibrationen – wird über Sensoren in der Haut aufgenommen und in einen elektrischen Reiz übertragen und an das Gehirn weitergeleitet.

    100 Zwillingspaare untersucht
    In den vergangenen Jahren sind beim Menschen rund 70 Gene identifiziert worden, die Schwerhörigkeit (Taubheit) auslösen, wenn sie mutiert sind. „Seltsamerweise sind bisher keine Gene gefunden worden, die den Tastsinn beeinflussen“, sagte Prof. Lewin. Um zu sehen, ob es beim Tastsinn auch eine vererbbare Komponente gibt, untersuchten die Forscher zunächst 100 Zwillingspaare - 66 eineiige Zwillingspaare und 34 zweieiige Zwillingspaare. Eineiige Zwillinge sind genetisch völlig identisch, zweieiige Zwillinge haben eine 50 prozentige genetische Übereinstimmung. Die Tests zeigten, dass die unterschiedlichen Tastfähigkeiten der Probanden zu mehr als 50 Prozent durch Gene bestimmt wird. Weiter zeigten die Hör- und Tast-Tests, dass eine Verbindung zwischen Hörsinn und Tastsinn besteht.

    Die Forscher vermuteten deshalb, dass Gene, die den Hörsinn beeinflussen, möglicherweise auch auf den Tastsinn Einfluss haben. Im nächsten Schritt gingen sie deshalb in eine Schule für Hörbehinderte in Berlin. Dort untersuchten sie die Tastfähigkeit von 39 Jugendlichen, die von Geburt an schwerhörig sind. Sie verglichen die dabei gewonnenen Erkenntnisse mit den Daten ihrer Zwillingsstudie und stellten fest, dass nicht alle hörbehinderten Jugendliche einen schlechteren Tastsinn hatten. „Doch bei auffällig vielen dieser Jugendlichen war der Tastsinn nur schwach ausgeprägt“, erläutert Prof. Lewin.

    Da der Aufwand zu groß gewesen wäre, bei den jungen Hörbehinderten herauszufinden, welche der rund 70 Gene, die den Hörsinn beeinträchtigen, unter Umständen auch den Tastsinn verschlechtern, untersuchten die Forscher in einem weiteren Schritt Patienten mit Usher-Syndrom. Das ist eine vererbte Form der Schwerhörigkeit, bei der die Patienten im Laufe der Zeit zusätzlich erblinden. Die Erkrankung, bei der die Patienten unterschiedlich schwer hörbehindert sind, ist genetisch sehr gut untersucht. Hier spielen neun Gene eine Rolle, deren Mutationen die Erkrankung auslösen.

    In einer Spezialsprechstunde der Charité – Universitätsmedizin untersuchten die Forscher Patienten mit Usher-Syndrom aus ganz Deutschland sowie Patienten in der Universitätsklinik La Fe in Valencia, Spanien, die in einer Gendatei erfasst waren. Die Untersuchungen ergaben, dass nicht alle Patienten mit Usher-Syndrom einen schlechteren Tastsinn haben. Die Forscher konnten zeigen, dass nur die Patienten mit Usher-Syndrom einen weniger empfindlichen Tastsinn haben, die eine Mutation in dem Gen USH2A aufweisen. Diese Mutation ist auch für die Schwerhörigkeit dieser 19 Patienten verantwortlich. Die 29 Usher-Syndrom-Patienten, bei denen diese Mutation nicht festgestellt werden konnte, können normal tasten. Die Forscher erbrachten damit den Nachweis, dass es eine gemeinsame genetische Basis für den Hör- und Tastsinn gibt. Sie vermuten, dass in Zukunft noch mehr Gene entdeckt werden, die diese beiden Sinne zugleich beeinflussen.

    Frauen hören besser und sind feinfühliger als Männer
    Und noch ein interessantes Detail fanden die Forscher in ihrer über fünf Jahre dauernden Studie heraus. „Wenn Frauen beklagen, dass ihre Männer ihnen nicht richtig (zu)hören, dann ist da in der Tat etwas dran“, sagt Prof. Lewin. „Die Untersuchungen mit insgesamt 518 Personen, darunter 295 Frauen, haben tatsächlich gezeigt, dass Frauen besser hören und feinfühliger als Männer sind.“

    *A genetic basis for mechanosensory traits in humans
    Henning Frenzel1, Jörg Bohlender2, Katrin Pinsker2, Bärbel Wohlleben2, Jens Tank3, Stefan G. Lechner1, Daniela Schiska2, Teresa Jaijo5, Franz Rueschendorf4, Kathrin Saar4, Jens Jordan3, José M. Millán5 and Manfred Gross2, Gary R. Lewin1,6

    1Department of Neuroscience, Max Delbrück Center for Molecular Medicine, Robert-Rössle-Str. 10, Berlin-Buch D-13092 Germany, 2Department of Audiology and Phoniatrics, Charité, Universitätsmedizin, Berlin, Augustenburger Platz 1, Berlin D-13353 Germany. 3Institute of Clinical Pharmacology, Hannover Medical School, Carl-Neuberg-Str. 1, Hannover D-30625, Germany, 4Experimental genetics of cardiovascular disease, Max Delbrück Center for Molecular Medicine, Robert-Rössle-Str. 10, Berlin-Buch D-13092 Germany, 5Genetics Unit, Hospital Universitario La Fe, Avda. de Campanar, 21, 46009 and CIBERER, Valencia, Spain
    6Author for Correspondence

    Kontakt:
    Barbara Bachtler
    Pressestelle
    Max-Delbrück-Centrum für Molekulare Medizin (MDC) Berlin-Buch
    in der Helmholtz-Gemeinschaft
    Robert-Rössle-Straße 10
    13125 Berlin
    Tel.: +49 (0) 30 94 06 - 38 96
    Fax: +49 (0) 30 94 06 - 38 33
    e-mail: presse@mdc-berlin.de
    http://www.mdc-berlin.de/


    Weitere Informationen:

    http://www.nature.com/neuro/journal/v15/n1/pdf/nn.2985.pdf


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    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Journalisten, Wissenschaftler
    Biologie, Medizin
    überregional
    Forschungsergebnisse, Wissenschaftliche Publikationen
    Deutsch


     

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