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„Früher wurde ein enzymatisches Produktionsverfahren dem Biokatalysator angepasst: Heutzutage kann ein Enzym durch Protein-Engineering gezielt, rasch und sehr erfolgreich an die Erfordernisse eines industriellen Verfahrens maßgeschneidert werden“, fasst Professor Uwe Bornscheuer die Quintessenz des soeben in der Wissenschaftszeitschrift Nature erschienenen Übersichtsartikels zusammen.
Der Beitrag entstand in Zusammenarbeit mit den Autoren Prof. Romas Kazlauskas (Universität von Minnesota, St. Paul, USA), Prof. Stefan Lutz (Emory Universität, Atlanta, USA) und den Industrieforschern Gjalt Huisman (Codexis, USA) Jeffrey Moore (Merck & Co., USA) und Karen Robins (Lonza AG, Schweiz).
Traditionell werden Enzyme − die in jedem Lebewesen alle Stoffwechselreaktionen katalysieren − schon seit über 100 Jahren für chemische Synthesen genutzt. Uwe Bornscheuer und seine Kollegen konnten nach einer Analyse der Fachpublikationen der vergangenen zehn Jahre die Entwicklung in diesem Bereich nun als drei Wellen beschreiben.
Bis in die 1970er Jahre wurden die Biokatalysatoren aus tierischen, pflanzlichen oder mikrobiellen Quellen gewonnen und in der chemischen, pharmazeutischen und Lebensmittelindustrie direkt eingesetzt. Zeigte ein Enzym nicht genügend Aktivität, Stabilität oder Selektivität, musste entweder ein alternativer Biokatalysator in der Natur gefunden werden oder das Verfahren war wenig konkurrenzfähig, da nur mit viel Aufwand Produkte in der gewünschten Qualität und Reinheit hergestellt werden konnten.
In der zweiten Welle, die etwa ab den 1980er Jahren ihren Ausgang nahm, konnten durch molekularbiologische Methoden Enzyme bereits mit relativ geringem Aufwand in mikrobiellen Wirtsorganismen in ausreichenden Mengen hergestellt werden. Diese werden beispielsweise in der Herstellung von Antibiotika, einfacher Chemikalien oder in Waschmitteln industriell genutzt. Zwar konnten die Eigenschaften durch Protein-Engineering (die gezielte Veränderung der Aminosäuresequenz der Proteine und damit deren Eigenschaften) bereits angepasst werden, aber fehlende Kenntnisse über Proteinstrukturen, unzureichende Methoden und vor allem zeitraubende Experimente erlaubten es nicht, immer den gewünschten Biokatalysator zu erzeugen. Mitunter dauerte die Entwicklung angepasster Enzyme zu lange, um zu vorhandenen chemischen Synthesen konkurrenzfähig zu sein.
Die aktuelle dritte Welle hat im Bereich der weißen Biotechnologie zu einem immensen Schub, ja einem Qualitätssprung geführt. Der Übersichtsartikel führt hier als wesentliche Ursachen an: In wissenschaftlichen Datenbanken sind mittlerweile mehr als 20 Millionen Proteinsequenzen (Baupläne der Enzyme) hinterlegt, die ein unerschöpfliches Reservoir für neue Enzyme beinhalten, das nunmehr durch neue bioinformatische und molekularbiologische Methoden erschlossen werden kann. Gleichzeitig können mit modernsten Methoden des Protein-Engineering in Kombination mit Roboter-unterstützten Verfahren grundlegend bessere Biokatalysatoren gefunden und angepasst werden.
In dem Artikel werden über 40 Pharmawirkstoffe und -vorstufen aufgeführt, die alle mit verbesserten Enzymen hergestellt werden. Ein aktuelles Beispiel ist die enzymatische Herstellung des Wirkstoffs Sitagliptin, der zur Behandlung von Diabetes eingesetzt wird. Ein zunächst entwickeltes chemisches Verfahren des US-Unternehmens Merck & Co. wird nunmehr großtechnisch mit einem optimierten Enzym durchgeführt.
Das Ausgangsenzym zeigte zunächst nahezu keine Aktivität in der gewünschten Reaktion. Über ein ausgeklügeltes Protein-Engineering und die experimentelle Durchmusterung von ca. 40.000 Varianten konnte ein geeigneter Biokatalysator entwickelt werden, der nun bei sehr hohen Konzentrationen der Wirkstoffvorstufe und für Enzyme sehr drastischen Reaktionsbedingungen ein extrem reines Produkt liefert. Die Umstellung auf das Biokatalyseverfahren geht nicht nur mit einer höheren Ausbeute einher, sondern ist auch wesentlich umweltfreundlicher, sodass dieses Verfahren in den USA mit dem vom US-Präsidenten jährlich verliehenen Preis für „grüne Chemie“ ausgezeichnet wurde.
Die Autoren des Nature Artikels prognostizieren, dass in Zukunft nicht nur eine Vielzahl weiterer enzymatischer Verfahren bestehende chemische Produktionsmethoden ersetzen werden, sondern auch gänzlich neue Produkte mit den modernen und umweltfreundlichen Methoden der Biokatalyse realisiert werden können, die zusätzlich den Vorteil haben, dass sie meist auf nachwachsenden Rohstoffen basieren.
Weitere Informationen
Artikel in Nature http://www.nature.com/nature/journal/v485/n7397/full/nature11117.html
Nature http://www.nature.com/
Lehrstuhl für Biotechnologie http://www.chemie.uni-greifswald.de/~biotech/
Ansprechpartner an der Universität Greifswald
Prof. Dr. Uwe T. Bornscheuer
Institut für Biochemie
Felix-Hausdorff-Straße 4, 17487 Greifswald
Telefon 03834 86-4367
uwe.bornscheuer@uni-greifswald.de
Merkmale dieser Pressemitteilung:
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