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15.05.2002 15:45

Neue Augsburger Publikationen zur Europäischen Kulturgeschichte

Klaus P. Prem Stabsstelle Kommunikation und Marketing
Universität Augsburg

    Präsentation am 16. Mai in der Staats- und Stadtbibliothek Augsburg -

    Fünf Bände, die in diesem und im vorigen Jahr in den beiden Institutsreihen "Colloquia Augustana" und "Documenta Augustana" herausgegeben wurden, sowie zwei weitere Neuerscheinungen aus den Federn von Institutsmitgliedern stellt das Institut für Europäische Kulturgeschichte der Universität Augsburg am 16. Mai in der Staats- und Stadtbibliothek Augsburg, Schaezlerstraße 25, vor. Die Präsentation beginnt um 18.00 Uhr.

    Mark Häberlein, Johannes Burkhardt (Hg.), DIE WELSER. NEUE FORSCHUNGEN ZUR GESCHICHTE UND KULTUR DES OBERDEUTSCHEN HANDELSHAUSES (Colloquia Augustana Bd. 16), Akademie Verlag, Berlin 2002, 663 S., ISBN 3-05-003412-2, 49,80 Euro

    Obwohl die Welser neben den Fuggern als bekannteste Augsburger Kaufmannsfamilie des 16. Jahrhunderts gelten, sind bislang nur einzelne Aspekte ihrer Geschichte - vor allem die überseeischen Unternehmungen - gründlicher erforscht worden. Der nun vorliegende, von Mark Häberlein (Universität Freiburg) und Johannes Burkhardt (Universität Augsburg) Sammelband, die umfangreichste Veröffentlichung zur Welser-Geschichte seit fast hundert Jahren, behandelt in 18 Beiträgen die wirtschaftlichen, politischen und kulturellen Aktivitäten von Mitgliedern der Familie Welser zwischen dem 14. und dem 17. Jahrhundert und beleuchtet ihre Stellung in der reichsstädtischen Gesellschaft. Zahlreiche Aspekte der Welser-Geschichte werden anhand neuer Quellenfunde erstmals wissenschaftlich fundiert dargestellt: etwa die Rolle der Welser in der Augsburger Wirtschaft und Gesellschaft des Spätmittelalters, die Aktivitäten der Nürnberger Welser im mitteldeutschen Bergbau und Saigerhandel, der Buchbesitz von Angehörigen der Familie um 1600 oder die publizistische Tätigkeit Paul Welsers in der Anfangsphase des Dreißigjährigen Krieges. Andere Beiträge interpretieren bekannte Facetten der Welser-Geschichte in neuem Licht: die Verbindung des Augsburger Stadtschreibers und Humanisten Konrad Peutinger zu den Welsern, die Welser-Porträts des Malers Christoph Amberger, das Venezuela-Unternehmen Bartholomäus Welsers und den Niedergang der Familienfirma im späten 16. und frühen 17. Jahrhundert.
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    Christine Werkstetter, FRAUEN IM AUGSBURGER ZUNFTHANDWERK. EINE STUDIE ZU ARBEIT, ARBEITSBEZIEHUNGEN UND GESCHLECHTERVERHÄLTNISSEN IM 18. JAHRHUNDERT (Colloquia Augustana Bd. 14), Akademie Verlag, Berlin 2001, 567 S., ISBN 3-05-003617-6, 49,80 Euro

    Die vorliegende, als Fallstudie konzipierte Untersuchung zielt darauf, die Arbeitsfelder von Frauen, die Arbeitsbeziehungen und Geschlechterverhältnisse im Augsburger Zunfthandwerk des 18. Jahrhunderts zu eruieren. Hierfür wurden aus über 120 Handwerken sieben - die Bäcker, Bader, Buchbinder, Goldschlager, Schneider, Zimmerleute, Zinngießer - ausgewählt und die vorhandenen Quellen - im wesentlichen die von den Handwerken selbst hinterlassenen Aktenbestände, die darin enthaltenen Handwerksordnungen und die Gutachten des Handwerksgerichtes u.a.m. - in einer nach Meisterfrauen, Meisterwitwen, Meistertöchtern und Mägden getrennten Darstellung analysiert. Im Anschluss an die Erläuterung der rechtlichen Stellung von Frauen in der Reichsstadt wird in einem umfangreichen Kapitel nach den jeweils spezifischen Arbeitsfeldern und Verantwortungsbereichen der Frauen in Haushalt und Handwerk sowie nach ihren jeweiligen sozio-ökonomischen Bedingungen - etwa der wirtschaftlichen Lage der Witwen, nach dem Konkurrenzverhalten und der Konfliktbereitschaft der Frauen im Bemühen um die Sicherung der 'Nahrung', nach außerhäuslicher Lohnarbeit, aber auch nach der Bedeutung der von einer Frau in die Ehe eingebrachten Güter - gefragt. Die Möglichkeiten der schulischen Ausbildung der Mädchen sowie die Rahmenbedingungen und das Ausmaß der informellen handwerklichen Ausbildung der Meistertöchter werden ebenso erschlossen wie etwa die Kriterien der Ehepartnerwahl und die Ursachen und Folgen von Beziehungskonflikten und Ehescheidungen. In einem weiteren Kapitel wird die Frage nach der Funktion von 'Geschlecht' im Zunfthandwerk gestellt, wobei sich das Interesse zum einen auf die Konstruktion von 'Geschlecht' als Strategie konkurrierender Handwerke, zum anderen auf die Argumentationsstrategien und Handlungsweisen von Frauen, also auf deren Umgang mit 'Geschlecht', richtet.

    Viele Detailergebnisse dieser Studie decken sich nicht mit der weitestgehend negativen Einschätzung bisheriger Forschungen zur Frauenarbeit im Handwerk. So werden Augsburger Meisterfrauen als unverzichtbare Arbeitskräfte in Werkstatt und Haushalt sichtbar, Meisterwitwen erweisen sich als Handwerksmeisterinnen ohne formale Ausbildung, Meistertöchter als informelle Lehrlinge ihrer Väter und Mütter und selbst Mägde konnten sich langfristig verwertbare 'Berufskenntnisse' aneignen. Neben unbestreitbar vorhandenen strukturellen Benachteiligungen von Frauen finden sich im Augsburger Zunfthandwerk zahlreiche selbstbestimmte und variable Handlungsfelder sowie verhandelbare Geschlechterbeziehungen.
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    Sabine Doering-Manteuffel, Josef Mancal, Wolfgang Wüst (Hg.), PRESSEWESEN DER AUFKLÄRUNG. PERIODISCHE SCHRIFTEN IM ALTEN REICH (Colloquia Augustana Bd. 15), Akademie Verlag, Berlin 2001, 563 S., ISBN 3-05-003634-6, 49.80 Euro

    Der Sammelband über das Pressewesen der Aufklärung, hervorgegangen aus einer Tagung im Augsburger Mozarthaus im April 2000, behandelt eine Gattung, der bisher in der Forschung wenig Beachtung geschenkt wurde. Es handelt sich um die sogenannten "Intelligenzblätter", die in vielen Territorien und Städten des Alten Reichs seit ca. der Mitte des 18. Jahrhunderts periodisch erschienen sind. Diese Blätter sind zum einen Organe der Volksaufklärung, in dem sie populärwissenschaftliche Artikel zu juristischen, naturwissenschaftlichen und ökokomischen Fragen sowie Anweisungen zur rechten Lebensführung enthalten, sie sind zum anderen mit Annoncen aller Art gefüllt, die umfassende Einblicke in die zeitgenössische Alltagskultur geben. Mit all diesen Aspekten haben sich die Beiträger befasst und können nun erstmals in gebündelter Form die Ergebnisse ihrer umfänglichen Forschungen präsentieren. Ein Teil des Bandes ist den Verhältnissen in der Reichsstadt Augsburg gewidmet, wo der Verleger Maschenbauer seit 1756 über viele Jahrzehnte hinweg wöchentlich ein Intelligenzblatt druckte. Da die Bestandslage ausgezeichnet ist, konnten viele wertvolle Einsichten über die Mediengeschichte des 18. Jahrhunderts gewonnen werden. Anregend sind die vielen Einzelbeiträge, die sich mit Spezialthemen wie etwa der Astronomie oder den Gesundheitslehren befassen, sie zeichnen ein Panorama städtischer Lebensart des 18. Jahrhunderts wie es durch den Spiegel der periodischen Wochenschriften fassbar wird.
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    Veronika Lukas, Stephanie Haberer (Hg.), JACOB BALDE "PANEGYRICUS EQUESTRIS" (1628). EDITION UND ÜBERSETZUNG MIT EINEM HISTORISCHEN KOMMENTAR (Documenta Augustana Bd. 8), Wißner Verlag, Augsburg 2002, 200 S., ISBN 3-89639-333-2, 15,00 Euro

    Das umfangreiche Werk des elsässischen Jesuiten, bayerisch-kurfürstlichen Hofpredigers und neulateinischen Lyrikers Jacob Balde (1604-1668) wird seit Jahren unter literaturwissenschaftlichen Aspekten von der Neulateinischen Philologie (Prof. Dr. Wilhelm Stroh, Ludwig-Maximilians-Universität München) besonders gewürdigt. Dagegen blieb das Werk bisher aus historischer Perspektive weitgehend unbeachtet. Vor dem Hintergrund einer interdisziplinär angelegten Kulturgeschichte gilt es daher, Jacob Baldes literarische Verarbeitungen konkreter, sozialer, religiöser, kultureller und politischer Themen aus unterschiedlichen Blickwinkeln zu analysieren.

    Zu den bisher nicht erschlossenen und interpretierten Texten Jacob Baldes zählt sein Erstlingswerk. Der Panegyricus equestris illustrissimi comiti generosissimo heroi Othoni Henrico Fuggero entstand im Jahr 1628 in München als Auftragsarbeit anlässlich der Verleihung des Ordens vom Goldenen Vlies an Ott Heinrich Graf von Fugger (1592-1644). Der Jesuitenorden nahm diese Gelegenheit wahr, der Familie Fugger seinen Dank für die jahrzehntelange ideelle wie finanzielle Förderung auszudrücken. Das Lobgedicht auf Ott Heinrich Fugger, der sich als Offizier seit 1618 auf katholischer Seite an den Kämpfen des Dreißigjährigen Krieges aktiv beteiligte, bot Jacob Balde hinreichend Material seine umfassenden Kenntnisse antiker Mythologie und Dichtung sowie zeitgenössischer Kriegsereignisse literarisch umzusetzen. Die vorgelegte Edition mit Übersetzung, umfangreichem Anmerkungsapparat und historischem Kommentar eröffnet nicht nur einen Blick auf die von Jacob Balde rezipierten Textvorlagen, sondern bietet überdies historische Hintergrundinformationen zur Herkunft, sozialen Position und konkreten Karriere der Hauptfigur.

    Die Bearbeitung und Publikation des Panegyricus equestris wurde durch die Förderung der Fritz Thyssen Stiftung und die Betreuung durch Prof. Dr. Wolfgang E.J. Weber (Augsburg) ermöglicht.
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    Wolfgang E. J. Weber (Hg.), SECRETISSIMA INSTRUCTIO - ALLERGEHEIMSTE INSTRUCTION. FRIDERICO V. COMITI PALATINO ELECTO REGI BOHEMIAE, DATA AN FRIEDERICHEN, PFALTZGRAFEN, ERWEHLTEN KÖNIG IN BÖHMEN (1620). KOMMENTIERTER LATEINISCHER UND DEUTSCHER NACHDRUCK (Documenta Augustana Bd. 9), Wißner Verlag, Augsburg 2002, 128 S., ISBN 3-89639-334-0, 12,00 Euro

    1614/15 erlebte die Reichsstadt Augsburg einen ihrer größten Skandale: der Großkonzern der Welser, der einst sogar nach Südamerika ausgegriffen hatte, ging bankrott; seine Chefs, die Brüder Matthäus (II.) und Paul Welser wurden unter dem Verdacht des Betrugs verhaftet und ins Stadtgefängnis geworfen. Alle Versuche ihrer Verwandten, Freunde und Partner, sie mit Hilfe des Kaisers aus den Fängen der Justiz zu befreien, fruchteten nichts. Paul, immerhin ehemals Bürgermeister Augsburgs, verstarb am 24. Oktober 1620, immer noch in Haft, wenngleich er das städtische Gefängnis mittlerweile vielleicht mit Hausarrest hatte vertauschen können.

    Dass er, in der kulturhistorischen Forschung bislang im Schatten seines berühmten weiteren Bruders Markus (Marx, gestorben 1614) stehend, seine Haftzeit mit literarischer Produktion verbrachte, ist an sich nichts Neues. Bisher unbekannt war jedoch, dass nach einem handschriftlichen Vermerk in einem Exemplar der Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel, das wahrscheinlich über den Kunst- und Literaturhändler Philipp Hainhofer von Augsburg dorthin gelangte, Paul Welser im Augsburger Gefängnis auch eines der wichtigsten Flugschriftentraktate der Frühphase des Dreißigjährigen Krieges schrieb. Dieser Traktat war eben die Secretissima Instructio, Oder Allergehaimnestes Gutachten, nach welchem sich Fridericus der Fünfft, Pfaltzgraff bey Rhein, in allen begebenden Fällen regulieren, und durch was mittel er sein vermeintes Königreich Böheim, zu seinem großen Rhum, wider seiner Feinde Willen, behaupten möge, 1620, noch vor der Schlacht am Weißen Berg, lateinisch und deutsch mehrfach gedruckt bei Sarah Mangin Wittib in Augsburg. Der jetzt vorgelegte Nachdruck macht nachvollziehbar, worin die zeitgenössisch bahnbrechende Wichtigkeit der von Paul Welser in dieser Schrift entwickelten Argumentation lag. Nicht wie angesichts des katholischen Autors und der Zeitumstände zu erwarten gewesen wäre, heftige konfessionelle Polemik gegen den calvinistischen Unruhestifter aus Heidelberg wird geboten, sondern überwiegend eine nüchterne Einschätzung der Erfolgschancen Friedrichs. Der Augsburger Patriziersohn wendete mithin als einer der ersten deutschen Publizisten überhaupt die Idee der Staatsräson an, um gutachterlich eine politische Prognose zum erschütterndsten politischen Geschehnis seiner Zeit zu erstellen. Seine Einschätzungen sollten sich darüber hinaus als völlig zutreffend erweisen: am 8. November 1620 wurde der Winterkönig bekanntermaßen vernichtend geschlagen. So war es kein Wunder, dass Welsers anonyme Secretissima Instructio auch noch danach in verschiedenen Versionen gedruckt wurde.

    Mittlerweile ist die staatsräsonale Begutachtung politischer Erfolgschancen üblich geworden, auch wenn sie sich kaum mehr in der breiten Öffentlichkeit vollzieht. Dass an ihren Anfängen ein prominenter, jäh abgestürzter Augsburger Autor stand, verdient unsere Beachtung.
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    Wolfgang Wüst, DIE "GUTE" POLICEY IM REICHSKREIS. ZUR FRÜHMODERNEN NORMENSETZUNG IN DEN KERNREGIONEN DES ALTEN REICHES. Band 1: Der Schwäbische Reichskreis, unter besonderer Berücksichtigung Bayerisch-Schwabens, Akademie Verlag, Berlin 2001, ISBN: 3-05-003415-7, 604 S., 74,80 Euro

    Der Band veranschaulicht und interpretiert mit Beispielen aus über zwanzig Territorien eines in der zentralen Gesetzgebung sehr aktiven Reichskreises typische und bisweilen auch untypische Kennzeichen frühmoderner "Ordnungspolitik". Diese wird für eine Zeit untersucht, der als "Sattelzeit" der Moderne eine kaum zu überschätzende Weichenstellung zufiel, nach der sich Rechte und Pflichten, öffentliche und kirchliche Ordnung, sozialer Friede, Ehre, Glückseligkeit und Wohlstand zum Teil bis heute ableiten. Im Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation und in den ihm zugeordneten zehn Reichskreisen - dabei bestimmen der Schwäbische Reichskreis in Band 1 und der Fränkische Reichskreis in Band 2 die regionalen Schwerpunkte - setzten sowohl die Kaiser selbst als auch die legislativen Reichsorgane, allen voran die Reichstage, auf eine bereits im 16. Jahrhundert weitgehend ausgereifte neue Form zur Vermittlung allgemeiner Normen und Wertmaßstäbe. Die zentralen Fragen lauten freilich, wie und seit wann sie umschrieben werden können und ob sie sich regional unterschiedlich entwickelten und verbreiteten. Ihre Herkunft ist nur unpräzise datierbar. In Anlehnung an die Reichsreformdiskussion des 15. Jahrhunderts, an Postulate aus der Reformationszeit und der Zeit der Bauernkriege sowie an ältere, durchaus schon breiter angelegte Gesetze des Mittelalters - Dorf- und Stadtordnungen, Weistümer, Gerichsstatuten - formierte sich ein Regelwerk, das als frühmoderne "Policey" eine neue Gesetzesdimension schuf. Der Band eröffnet erstmals mit edierten Quellen einen systematischen Blick, wie die Reichsgesetzgebung auf die Statuten territorialer und städtischer Policey wirkte. Spannend wird zudem der grenzüberschreitende Vergleich normativer Herrschaftsinstrumente entwickelt, der Aussagen zu dem noch wenig erforschten Kommunikationssystem von Kanzlei zu Kanzlei zulässt. Regionale und überregionale Merkmale werden unter Einschluss zahlreicher Reichs- und Landstände wie dem Reichskreis selbst, dem Herzogtum Württemberg, den Reichsstädten Augsburg und Lindau, dem adligen Damenstift St. Stephan, Fürstbistum und Domkapitel Augsburg, der Fürstabtei Kempten, der habsburgischen Markgrafschaft Burgau oder einer kleinen reichsritterschaftlichen Adelsherrschaft vor dem Hintergrund europäischer Kulturgeschichte herausgearbeitet. Die Transparenz des frühmodernen Normen- und Ordnungsgefüges kann so an unterschiedlichen Typen der Territorialität - groß und klein, weltlich und geistlich, städtisch und ländlich - überprüft werden. Der Vergleich legt schließlich supraterritoriale Tendenzen offen, die einen Wissenstransfer über die engen Grenzen im Schwäbischen Reichskreis von Land zu Land voraussetzen.
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    Anke Sczesny, ZWISCHEN KONTINUITÄT UND WANDEL. LÄNDLICHES GEWERBE UND LÄNDLICHE GESELLSCHAFT IM OSTSCHWABEN DES 17. UND 18. JAHRHUNDERTS (Oberschwaben - Geschichte und Kultur Bd. 7), bibliotheca academica Verlag, Tübingen 2002, 490 S., ISBN 3-928471-35-X, 39,00 Euro

    Ostschwaben gilt als eines der bedeutendsten Textilreviere des Mittelalters und der Frühen Neuzeit. Die dortige Textilproduktion konnte jedoch weder im 15./16. Jahrhundert noch im 17. und 18. Jahrhunderts alleine von den städtischen Zentren bewältigt werden, sondern nur mit Hilfe der Herstellung auf dem Land. An diesem Punkt setzt die vorliegende Studie an: Sie untersucht das ländliche Gewerbe und die sich daraus ergebenden Veränderungen für die ländliche Gesellschaft in Ostschwaben.

    Ausgehend von einem quantitativ-statistischen Grundlagenteil, der Fakten über die ländliche Gewerbeverdichtung sowie über das Beziehungsgefüge von Stadt und Land schafft, stehen im Mittelpunkt eines weiteren Fragenkomplexes die institutionellen und korporativen Rahmenbedingungen, die für die wirtschaftliche Entwicklung der Region von Bedeutung waren. Am Beispiel von Handelsleuten und Herrschaftsträgern sowie des Schwäbischen Kreises werden Möglichkeiten und Grenzen frühneuzeitlichen Wirtschaftens ermittelt. Dabei wird deutlich, dass den größten wirtschaftlichen Erfolg derjenige hatte, der zur Kooperation bereit war. In diesem Kontext sind auch die noch kaum erforschten Landzünfte Ostschwabens untersucht worden. Wann und warum entstanden ländliche Handwerkerkorporationen, wer versprach sich von ihrer Gründung Vorteile, wer Nachteile? Welche Unterschiede gab es zwischen Stadt- und Landzünften, und welchen Anteil hatten die Landhandwerker an der Normierung ihres Gewerbes? Die Antworten auf diese Fragen demonstrieren die Konkurrenzfähigkeit sowie die Professionalisierung des Landhandwerks und münden zugleich in eine Analyse der ländlichen Gesellschaft, die von der Gewerbeverdichtung nicht unberührt blieb.

    Denn wie erarbeitet wird, waren die Weber keineswegs in den ländlichen Unterschichten zu finden, wie in der Forschung vermittelt wird. Vielmehr waren frühneuzeitliche Gesellschaften weit komplexer und nicht primär von bäuerlicher Oberschicht bzw. unterbäuerlicher Schicht als konkurrierenden Gruppen charakterisiert, d.h. Bauern und Handwerker bildeten als gleichberechtigte Gruppen gemeinsam das dörfliche Sozialgefüge. Untermauert werden kann dies durch die mikrohistorische Analyse des westlich von Augsburg gelegenen Weberdorfes Langenneufnach. Neben Untersuchungen von Demographie und Heiratsverhalten im 17. und 18. Jahrhundert stehen das ländliche Kreditwesen und die agrarisch-gewerbliche Verflechtung in den Haushalten im Mittelpunkt der Mikrostudie.

    Insgesamt wird durch die Studie nicht nur das Bild vom "flachen Land" als eines allein von Bauern und Landwirtschaft geprägten Raumes erheblich korrigiert; vielmehr können ländliche Gewerbeverdichtung und ländliche Gesellschaft im Ostschwaben der Vormoderne als ein verzweigtes Geflecht höchst komplexer Wechselwirkungen in bislang unbekannter Dichte farbig vorgestellt werden.

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    KONTAKT UND WEITERE INFORMATIONEN:

    Institut für Europäische Kulturgeschichte der Universität Augsburg, 86135 Augsburg
    Telefon: 0821/598-5840, Telefax: 0821/598-5850, e-mail: susanne.empl@iek.uni-augsburg.de


    Weitere Informationen:

    http://www.Uni-Augsburg.DE/institute/iek/index.htm


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    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Geschichte / Archäologie
    überregional
    Forschungsergebnisse, Wissenschaftliche Publikationen
    Deutsch


     

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