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Deutsche Anatomen waren direkt oder indirekt in die Gewaltherrschaft der Nationalsozialisten einbezogen. Sie übernahmen Tausende von Leichnamen von NS-Opfern zur "Nutzung" in der anatomischen Forschung und Lehre. Diese Verstrickung war Thema einer internationalen Tagung der Anatomischen Gesellschaft in Würzburg im Oktober 2010. Beiträge zu dieser Tagung sind jetzt in einem Sonderheft der Fachzeitschrift „Annals of Anatomy“ erschienen.
Die Publikationen stammen nicht nur von Anatomen, Medizinhistorikern und Historikern aus Deutschland, sondern auch aus Großbritannien, Israel und den USA. Gast-Herausgeber des Sonderheftes sind zwei Experten auf dem Gebiet, Dr. Sabine Hildebrandt, eine Anatomin deutscher Abstammung, die an der University of Michigan lehrt, und Prof. Dr. Dr. Christoph Redies, Leiter des Instituts für Anatomie I der Universität Jena.
Mehrere Beiträge zu dem Sonderheft beleuchten die Rolle deutscher Anatomen bei der Nutzung von Leichnamen hingerichteter Personen, die Opfer der NS-Unrechtsjustiz wurden. Beispielhaft wird diese Problematik für die Universitäten Gießen, Göttingen, Halle/Saale, Jena und Würzburg beschrieben. „Es ist davon auszugehen, dass es an fast allen anatomischen Instituten des Deutschen Reichs ähnliche Vorkommnisse gab“, so Christoph Redies, der die Geschichte des Anatomischen Instituts in Jena während des Dritten Reiches dokumentierte. Andere Beiträge befassen sich mit der Frage, wie bis in die jüngste Vergangenheit mit diesem dunklen Kapitel der deutschen Anatomie-Geschichte und vor allem auch mit anatomischen Präparaten, die aus der NS-Zeit stammen, umgegangen wurde.
„Der Band stellt die Erkenntnisse zusammen, die in Deutschland und im Ausland in den letzten Jahren gewonnen wurden, und macht so auch die Aspekte deutlich, die noch weiterer Forschungsarbeit bedürfen“, betont Sabine Hildebrandt. „Der neue, offene Umgang mit dem Thema unter den deutschen Anatomen findet international Anerkennung."
Auch die Anatomische Gesellschaft selbst und diejenigen ihrer Mitglieder, deren Leben und Karrieren vom nationalsozialistischen Regime unterbrochen oder beendet wurden, sind Gegenstand des Sonderheftes. Die Anatomische Gesellschaft, eine internationale wissenschaftliche Gesellschaft, die in diesem Jahr ihr 125-jähriges Jubiläum feiert, bekennt sich mit diesem Sonderheft zu ihrer Geschichte. Bereits in der Festschrift, die sie anlässlich des Jubiläums herausgab, veröffentlichte sie eine Gedenkliste der während des Nationalsozialismus verfolgten deutschen Anatomen.
Literatur:
S. Hildebrandt and C. Redies (Eds.) Anatomy in the Third Reich. Annals of Anatomy, 2012, Vol. 194, Issue 3
Um das Sonderheft einer möglichst breiten Leserschaft zugängig zu machen, hat der Elsevier-Verlag das Sonderheft für alle frei zugängig ins Internet gestellt:
http://www.sciencedirect.com/science/journal/09409602/194
Weitere Hintergrundinformationen auf der Homepage des Jenaer Instituts für Anatomie:
http://www.anatomie1.uniklinikum-jena.de/SW5zdGl0dXQgZnVlciBBbmF0b21pZSBJIC0gR2V...
Kontakt:
Prof. Dr. Dr. Christoph Redies
Institut für Anatomie I, Universitätsklinikum Jena
Tel.: 03641 / 938511
E-Mail: redies[at]mti.uni-jena.de
Dr. Sabine Hildebrandt
Division of Anatomical Sciences, University of Michigan
Tel.: +1 - 734 - 647-5427
E-Mail: shilde[at]umich.edu
Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten, jedermann
Geschichte / Archäologie, Gesellschaft, Medizin
überregional
Buntes aus der Wissenschaft, Wissenschaftliche Publikationen
Deutsch
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