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Wissenschaft
(Berlin, 19.06.2012) Der Verband Biologie, Biowissenschaften und Biomedizin (VBIO e. V.) hat heute in einem offenen Brief angemahnt, die öffentliche Debatte um die „Grüne Gentechnik“ auf der Basis wissensbasierter Argumente zu führen. In dem Schreiben fordert der Biologenverband die politischen Entscheidungsträger auf, sich für eine Versachlichung der Debatte einzusetzen, irreführende Begriffe zu vermeiden und den konstruktiven Dialog mit allen Seiten – insbesondere auch mit Wissenschaftlern aus der Pflanzenforschung – zu suchen.
Ein Hauptargument gegen die grüne Gentechnik besteht darin, dass es sich um eine „Hochrisiko-Technologie“ handelt. „Der Nachweis von Risiken bleibt jedoch seit fast zwei Jahrzehnten aus“, so Prof. Dr. Wolfgang Nellen, Präsident des VBIO. „Forschungsergebnisse werden nicht selten ignoriert, Widersprüche ausgeblendet oder es werden – bewusst oder unbewusst - falsche Argumentationsketten konstruiert“.
So ist beispielsweise die gerade debattierte „Nulltoleranz“ nach Ansicht des VBIO irreführend, weil ein Negativbeweis wissenschaftlich gar nicht möglich ist.
Ebenso ist die Forderung, ganze Regionen zu „Gentechnikfreien Zonen“, die inzwischen in acht Bundesländern gefordert wird, eine rein populistische. Sie ignoriert völlig, dass Gentechnik zum Beispiel in der Medizin unverzichtbar geworden ist. Das Argument der „Wahlfreiheit“ - wer aus persönlichen Gründen keine gentechnisch veränderten Nahrungsmittel essen möchte, sollte dazu auch die Möglichkeit haben – ist für den Biologenverband nachvollziehbar. Es gilt aber auch umgekehrt: So ist gentechnisch veränderter Bt-Mais weniger mit krebserregenden Pilztoxinen belastet als konventioneller Mais. Auch hier ist Wahlfreiheit sicher zu stellen, ein weniger risikoreiches Produkt zu kaufen
Auch das Argument, der Anbau gentechnisch veränderter Pflanzen führe zur Auskreuzung in Wildformen, ist nach Ansicht des VBIO wenig stichhaltig. Dies gilt auch für konventionelle Züchtungen und Landsorten, bei denen ebenfalls eine Selektion auf Resistenzen und Toleranzen stattfindet. Hochgezüchteter Kulturraps sät sich häufig außerhalb der Felder aus – und kreuzt in Wildformen ein. Nach den Prinzipien der Evolution werden genetischen Eigenschaften in Populationen ausdünnt, wenn sie keinen Vorteil bringen.
„Kenntnisse der einfachsten Kreuzungsgenetik, die Standard an Schulen sein sollte, müssten die falschen Argumente eigentlich entlarven“ klagt der Genetiker Nellen.
Der VBIO appelliert daher an die politischen Entscheidungsträgern, sich dafür einzusetzen, dass
o Wissenschaftlern die Chance erhalten, durch Forschung und Entwicklung ihren Beitrag zum Gemeinwohl zu leisten.
o Kinder die Chance bekommen, Wissenschaft und Technologie zu lernen und zu erleben.
o und die Bürger die Chance zu wahrnehmen, Entscheidungen auf der Basis von Wissen und nicht aufgrund „gefühlter Wahrheiten“ zu treffen.
Hintergrund:
Als Vertreter der Biowissenschaften betrachtet der VBIO mit großer Sorge, dass acht von 16 Bundesländern „Gentechnikfreiheit“ anstreben und zwei Bundesländer die „Förderung von Agrogentechnik“ bereits verboten haben.
Nachdem die Industrie bereits abgewandert ist, geht es nunmehr offenbar darum, die Forschung, d.h. Erkenntnis, Verständnis und Wissen zur grünen Gentechnik auch an Universitäten und Forschungsinstituten zu blockieren. Viele deutsche Pflanzenforscher ziehen es vor, in das forschungsfreundlichere Ausland zu gehen, wo sie höchst willkommen sind. Allein die amerikanische Botschaft hat in den letzten Wochen drei bundesweite Veranstaltungen durchgeführt, in denen ganz offensiv der Wissenschaft und den Wissenschaftlern aus dem Bereich der grünen Gentechnik der Weg in die USA „beschrieben“ wurde.
Dieser Vorgang ist in der Geschichte der Bundesrepublik einzigartig und in seinen Auswirkungen für die Wissenschaft höchst bedenklich: Ein zukunftsweisender Wissenschaftszweig in Deutschland praktisch abgeschafft.
Weitere Informationen:
Prof. Dr. Wolfgang Nellen, Präsident des VBIO (Tel.: 0561-8044805, E-Mail: nellen@uni-kassel.de)
Den Wortlaut des offenen Briefes finden sie unter http://www.vbio.de/der_vbio/presse__publikationen/presseerklaerungen
Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten, Wissenschaftler
Biologie, Tier / Land / Forst
überregional
Wissenschaftspolitik
Deutsch
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