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Wissenschaft
In der Schmerz- und Wundtherapie werden elektrische Impulse eingesetzt, die am Ohr freie Nervenendigungen stimulieren. Elektrotechnische Entwicklungen der TU Wien treiben diese neuartige Therapie voran.
Elektronik, die in unser Nervensystem eingreift und Erstaunliches bewirkt – das klingt fast nach Science-Fiction. An der TU Wien wird allerdings an elektronischen Geräten gearbeitet, die bereits jetzt spürbare Verbesserungen bei Schmerzen oder Durchblutungsstörungen bringen, ganz ohne pharmakologischen Nebenwirkungen. Winzige Nadeln im Ohr leiten spezielle elektrische Impulse in den Körper – die Auswirkungen davon können mit sensibler Messelektronik nun erstmals sofort sichtbar gemacht werden.
Gegen Schmerz, für bessere Durchblutung
Professor Eugenijus Kaniusas leitet die Gruppe für Biosensorik (Institute of Electrodynamics, Microwave and Circuit Engineering) an der TU Wien. Dort werden elektronische Methoden entwickelt, Messdaten über den menschlichen Körper aufzuzeichnen und zu verarbeiten. Durch die nun entwickelten Geräte soll aber nicht nur gemessen, sondern auch direkt in die physiologischen Mechanismen des Körpers eingegriffen werden. Kaniusas arbeitet dabei mit Dr. Jozsef Constantin Széles von der Medizinischen Universität Wien zusammen. Széles erfand und entwickelte eine Methode, mit elektrischer Stimulation über mehrere Tage hindurch Schmerzen zu lindern und die Durchblutung zu fördern. Die Grundidee dieses Verfahrens wurde bereits erfolgreich in klinischen Studien getestet, soll zukünftig durch verbesserte Elektronik und objektive Messtechniken aber noch deutlich wirkungsvoller werden.
Elektronisches Gerät am Ohr
Das Gerät, das an der TU Wien im Rahmen der Kooperation mit Széles entwickelt wird, trägt man direkt am Körper, nahe am Ohr. Dort verlaufen nämlich auch Fasern des Nervus Vagus, der größte Nerv des Parasympathikus. Der Parasympathikus ist ein Teil des autonomen Nervensystems, das für die Steuerung der inneren Organe und des Blutkreislaufs verantwortlich ist. Er wird (als Gegenspieler des aktivierenden Sympathikus) mit Ruhe und Regeneration in Verbindung gebracht. Das Gerät gibt über kleine Titannadeln elektrische Impulse an die Verzweigungen des Nervus Vagus ab und kann ganz einfach von außen drahtlos gesteuert werden – etwa über ein Smartphone.
Wissenschaftliche Daten sammeln
Mit gewöhnlicher Akupunktur oder mit alternativen Heilmethoden hat die neue Methode nichts zu tun, denn stimuliert werden parasymphatische und symphatische freie Nervenendigungen am Ohr. Die Wirkung der Elektrostimulation der Nerven lässt sich direkt überprüfen: „Unsere elektrischen Impulse beeinflussen den Körper auf eine nachvollziehbare Weise, deren Auswirkungen man sofort messen kann“, betont Eugenijus Kaniusas. Zunächst muss die richtige Einstichregion am Ohr gefunden werden. An der TU Wien wurden in Kooperation mit MedUni Wien Geräte entwickelt, die zur genauen Auffindung des Nervus Vagus dienen.
Maßgeschneiderte Elektrosignale
Den Nerv einfach nur elektrisch zu stimulieren genügt nicht – es kommt darauf an, wie man es macht: „In unseren Experimenten fanden wir heraus, dass die genaue Form der elektrischen Impulsabfolgen entscheidend für den optimalen Erfolg ist“, sagt Eugenijus Kaniusas. An einer Patientengruppe wurden unterschiedliche elektrische Signalformen getestet, um die wirksamsten Impulse zu ermitteln. Die erforderlichen Nerven-Signale hängen auch von der Art des Schmerzes ab: Chronische Schmerzen sprechen auf andere Elektro-Signale an als akuter Schmerz.
Weitere Forschung nötig
Bei der Überprüfung des Erfolgs kann man auf elektronische Messmethoden zurückgreifen: „Mit speziellen Geräten können wir die Herzratenvariabilität messen“, sagt Kaniusas. Daraus lassen sich dann viele Informationen berechnen – auch über das Schmerzempfinden. Damit steht eine objektive Messgröße zur Verfügung, die man laufend überwachen kann. Bei Bedarf kann die Form der elektrischen Stimulation angepasst werden.
Stimulation statt Amputation
Große Erfolge zeigen sich auch bei Patientengruppen mit schlechter peripherer Durchblutung („Peripheral Vascular Disease“). „Wer unter dieser Krankheit leidet, ist oft in der Beweglichkeit stark eingeschränkt, auch mit der Wundheilung gibt es bei schlechter Durchblutung oft schwere Probleme“, sagt Eugenijus Kaniusas. Im schlimmsten Fall müssen sogar Extremitäten amputiert werden. Elektrostimulation kann hier aber sehr hilfreich sein: „Wir können die Steigerung der Durchblutung im Fuß durch die elektrischen Impulse wiederholt ein- und ausschalten – der Effekt ist sehr deutlich zu sehen“, berichtet Kaniusas.
Langfristig sollen Geräte entwickelt werden, die noch flexibler sind und sich auch kurzfristig an Herzschlag und Atmung anpassen, um so die therapeutische Wirkung weiterhin zu steigern. Auch wenn es bereits klinische Studien gibt, in denen die Wirksamkeit der Elektrostimulation bestätigt wurde, sollen noch weitere Studien durchgeführt werden. „Je mehr Daten wir sammeln können, umso bessere Ergebnisse werden wir erzielen“, meint Eugenijus Kaniusas.
Rückfragehinweis:
Eugenijus Kaniusas
Institute of Electrodynamics, Microwave and Circuit Engineering
Technische Universität Wien
Gußhausstr. 25-29, 1040 Wien
+43-1-58801-35122
eugenijus.kaniusas@tuwien.ac.at
http://www.tuwien.ac.at/dle/pr/aktuelles/downloads/2012/schmerz/ weitere Bilder
Prof. Eugenijus Kaniusas und Dr. Jozsef Constantin Széles
TU Wien
None
Prof. Eugenijus Kaniusas und Dr. Jozsef Constantin Széles
TU Wien
None
Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten, jedermann
Elektrotechnik, Ernährung / Gesundheit / Pflege, Informationstechnik, Medizin
überregional
Forschungsergebnisse, Forschungsprojekte
Deutsch
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