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20.05.1998 00:00

Parasitenforschung: Im Gehirn kommen Toxoplasmen zur Ruhe

Robert Emmerich Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Julius-Maximilians-Universität Würzburg

    Der Parasit ist in einen Menschen eingedrungen. Jetzt vermehrt er sich munter. Das Immunsystem? Es kommt erst nach und nach in Gang. Doch wenn es zur Abwehr des Schmarotzers bereit ist, flüchtet dieser ins Gehirn, wo er vor den Immunzellen sicher ist, und bildet eine Art Ruhestadium aus. Wie diese Wandlung vor sich geht, wollen Wissenschaftler der Universität Würzburg herausfinden.

    Die Rede ist von Toxoplasma, dem erfolgreichsten einzelligen Parasiten der Erde. Er kann alle warmblütigen Lebewesen infizieren und ist darüber hinaus in allen Regionen der Welt zu Hause. Seine Erfolgsstrategie besteht darin, daß er seinen Wirt kaum schädigt. Dem Menschen kann der Parasit aber dann gefährlich werden, wenn das Immunsystem noch unausgereift ist, zum Beispiel bei einem Foeten, oder wenn es geschwächt ist: In dieser Situation verursacht Toxoplasma schwere Nervenschäden, die schlimmstenfalls zum Tod führen.

    Eine Infektion mit dem Erreger kann durch den Verzehr von rohem Fleisch sowie durch Kontakt mit infizierten Katzen erfolgen. Die akute Infektion verläuft in der Regel ohne Symptome und bleibt deshalb meist unbemerkt. In dieser Phase kommt es zu einer starken Vermehrung des Parasiten, der in diesem Stadium als Tachyzoit bezeichnet wird. Tachyzoiten dringen aktiv in Körperzellen ein und vermehren sich dort, bis die Zelle zugrunde geht und neue Parasiten freigibt. Dieser Zyklus wird jedoch nach etwa zwei Wochen unterbrochen: Dann hat sich das Immunsystem auf die Infektion eingestellt und könnte die Tachyzoiten erfolgreich bekämpfen.

    Doch wie Dr. Wolfgang Bohne vom Institut für Hygiene und Mikrobiologie erklärt, greift der Parasit in dieser Situation zu einem Trick: Er verbirgt sich an einem Ort, der für das Immunsystem nur schwer zugänglich ist - im Gehirn. Dort wandeln sich die Tachyzoiten in die sogenannten Bradyzoiten um, eine Art Ruheform, die sich kaum noch vermehrt, von einer dickwandigen Hülle umgeben ist und nun als Zyste bezeichnet wird. Diese Zysten sind für das Immunsystem faktisch unsichtbar und können lebenslang im Gehirn überdauern. Bislang gibt es keine Möglichkeit, sie durch eine Behandlung mit Medikamenten zu eliminieren. So trägt etwa die Hälfte aller Deutschen die Ruheform des Parasiten in sich.

    "Für gesunde Menschen mit funktionierendem Immunsystem stellen die Zysten keine Gefahr dar", sagt Dr. Bohne. Doch wenn das Immunsystem geschwächt ist, vor allem bei AIDS-Patienten, könne es zu einer Reaktivierung der chronischen Infektion kommen: Die Zysten brechen auf, die freigesetzten Parasiten gehen wieder in die sich stark vermehrende Tachyzoitenform über - Hirnzellen werden zerstört.

    Die Arbeitsgruppe von Dr. Bohne untersucht, wie die Umwandlung von der akuten Tachyzoitenform zur chronischen Ruheform im einzelnen verläuft und vor allem, wie sie reguliert wird. Dabei sind die Forscher in der Lage, den Wechsel zwischen den beiden Stadien in einer Zellkultur nachzuvollziehen, so daß sie ihn experimentell untersuchen können.

    Ein Ziel der Gruppe ist es, Gene zu identifizieren, die nur während des chronischen Stadiums aktiv sind. Hieraus sollen Rückschlüsse gezogen werden, wie der Parasit sich an die dauerhafte Lebensweise im Gehirn anpaßt. Des weiteren wollen die Wissenschaftler Mutanten herstellen, die nicht mehr in der Lage sind, sich in die Ruheform umzuwandeln und die Fähigkeit verloren haben, im Gehirn zu überdauern. Diese Mutanten sollen dazu dienen, Komponenten zu finden, welche die Umwandlung von einem Parasitenstadium ins andere regulieren; Komponenten, die laut Dr. Bohne später einmal Ansatzpunkte für eine medikamentöse Behandlung sein könnten. Diese Arbeiten an der Universität Würzburg werden von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert.

    Kontakt: Dr. Wolfgang Bohne, E-Mail:
    w.bohne@mail.uni-wuerzburg.de


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    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Biologie, Ernährung / Gesundheit / Pflege, Informationstechnik, Medizin
    überregional
    Forschungsprojekte
    Deutsch


     

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