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Wissenschaft
Kassel. Kaum ein Beruf ist individuell so begehrt und gesellschaftlich so anerkannt wie die Tätigkeit der Professorin oder des Professors an einer Universität. Auf der sozialen Prestigeskala rangiert der bundesdeutsche Universitätsprofessor nachwievor auf einer Spitzenposition. Und doch hat er sich in der Öffentlichkeit immer häufiger Kritik und wachsender Mißgunst zu erwehren: sei es, daß seine Freiheit in Lehre und Forschung als überholtes Privileg verdächtigt, daß Praxiskontakte und Nebentätigkeiten als ungerechtfertigte Pfründenwirtschaft beargwöhnt oder daß seine hohe Arbeitsautonomie als undurchsichtig - schlimmstenfalls als Freibrief für mangelnde Präsenz - diskreditiert wird. Solchermaßen der persönlichen Verunsicherung und öffentlichen Rechtfertigungszwängen ausgesetzt wundert es nicht, daß entsprechende Berufsverbände wie der Deutsche Hochschullehrerverband inzwischen dabei sind, ein berufliches Leitbild des Professors zu entwickeln. Und - wohl als erste Universität - hat jetzt die Universität Gesamthochschule Kassel (GhK) "Orientierungen" für ihre Professorinnen und Professoren verabschiedet, die vom Senat im Februar nach eingehender und teils kontroverser Diskussion in der gesamten Hochschule beschlossen wurden.
"Wir wollen damit die öffentliche Diskussion über die Tätigkeit von Professorinnen und Professoren an unserer Universität selbstkritisch aber auch selbstbewußt aufgreifen", so der GhK-Vizepräsident und Senats-Vorsitzende Prof. Dr. Herbert Haf. Die Professorinnen und Professoren wie die Universität insgesamt müßten in Zeiten schwindender Staatsfinanzen, drastischer Kürzungen und Leistungsüberprüfungen in allen Bereichen bereit sein, sich kritischen Fragen zu stellen. "Aber", so Haf, "wir haben keinerlei Grund uns in dieser Debatte zu verstecken, sondern viele gute Gründe, dabei selbst in die Offensive zu gehen". Manche Professorenschelte, wie sie derzeit beliebt sei, habe jedenfalls eher mit sozialer Mißgunst oder mit blankem Unwissen zu tun als mit einer gründlichen Auseinandersetzung mit den Fakten. So sei beispielsweise allein das Zerrbild vom nie erreichbaren Professor durch eine BMFT-Studie längst widerlegt, die für Professorinnen und Professoren ein Arbeitszeitbudget ermittelt hat, das bis zum Doppelten üblicher Arbeitszeiten in Deutschland reicht.
Allerdings habe sich, wie Haf unterstrich, zusammen mit den derzeitigen Umbrüchen in Selbstverständnis, Aufgaben und Perspektiven der Universitäten auch das Berufsbild des Hochschullehrers gerade in den letzten Jahren zum Teil drastisch verändert. Zum einen sähen sich die Universitäten ständig steigenden Anforderungen durch Politik, Wirtschaft und Gesellschaft gegenüber - Beispiele seien die drastisch gestiegenen Studierendenzahlen bei gleichzeitiger Kürzung der finanziellen Mittel, die wachsenden Anforderungen an Transferleistungen u.a. in die Wirtschaft, die hohen Erwartungen an zu leistende regional- und strukturpolitische Beiträge und wissenschaftliche Dienstleistungen, sowie die steigende Notwendigkeit Drittmittel für Forschungsprojekte einzuwerben. Zum andern schließe aber eine wachsende kritische Aufmerksamkeit für die Leistungsbereitschaft und -fähigkeit des Öffentlichen Dienstes auch die Universitäten ein. Haf: "In diesem Spannungsfeld müssen sich Hochschullehrer heute bewähren - in einem hochkomplexen Anforderungsprofil und unter schwierigsten äußeren Bedingungen, die sie als Wissenschaftler und Hochschullehrer, längst aber auch als Manager, Führungskräfte und Kooperationspartner fordert."
Die jetzt vom Senat der Kasseler Universität beschlossenen "Orientierungen" sollen Haf zufolge innerhalb der Hochschule eine Hilfestellung sein, auf die Professorinnen und Professoren zurückgreifen könnten. Der Senat wolle damit hochschulintern ein "Klima der Offenheit" fördern, in dem auch kritikwürdige Verhältnisse und Mißstände benannt werden könnten und ein kontinuierlicher Prozeß der inneren Verständigung und des öffentlichen Diskurses über die Berufsausübung und das Engagement von Hochschullehrern in Gang gesetzt und unterstützt werde. Gegenüber der breiten Öffentlichkeit sollen die "Orientierungen" zur Transparenz beitragen und die tatsächlichen Leistungen der Professorinnen und Professoren in Forschung, Lehre und Hochschulentwicklung vermitteln helfen.
Die "Orientierungen" gehen deshalb auf die Grundlagen der beruflichen Tätigkeit der Professorinnen und Professoren ein, formulieren fachübergreifende Orientierungen für "Qualität der Lehre", "Kreativität und Produktivität in Forschung und Kunst", "Beteiligung an gesellschaftlichen Entwicklungsaufgaben" und "Engagement in der Hoch-schulentwicklung und Selbstverwaltung", benennen differenzierte Orientierungen der unterschiedlichen Fachkulturen innerhalb der Universität und gehen auf deren "Bewährung im Hochschulalltag" ein. "Wir haben mit diesem Beschluß im Senat einen Anstoß für eine Diskussion innerhalb unserer Universität und mit der Öffentlichkeit gegeben, die keineswegs abgeschlossen ist", so ordnet Herbert Haf die Funktion der "Orientierungen" ein: "Wir möchten erreichen, daß das Thema im Alltag der Hochschule auf der Tagesordnung bleibt und konstruktiv weiterverfolgt wird".
Der Text der "Orientierungen zur Berufstätigkeit von Professorinnen und Professoren an der Universität Gesamthochschule Kassel" kann bei der Abteilung für Information und Internationale Beziehungen (Mönchebergstr. 19, 34109 Kassel, Tel 0561/804-2206 und Fax 804-7216 ) angefordert werden. bar
Merkmale dieser Pressemitteilung:
Gesellschaft, Politik, Recht, fachunabhängig
überregional
Organisatorisches, Personalia, Wissenschaftspolitik
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