idw – Informationsdienst Wissenschaft

Nachrichten, Termine, Experten

Grafik: idw-Logo
Grafik: idw-Logo

idw - Informationsdienst
Wissenschaft

Science Video Project
idw-Abo

idw-News App:

AppStore

Google Play Store



Instanz:
Teilen: 
04.10.2012 20:00

Pflanzen passen ihre Abwehr den Schädlingen an

Nathalie Huber Kommunikation
Universität Zürich

    Pflanzen der gleichen Art passen sich an die lokal vorherrschenden Schädlinge an und bilden die entsprechenden Abwehrstoffe aus. Die Schädlinge beeinflussen somit die genetische Vielfalt ihrer Wirtspflanzen stark. Dies weisen Ökologen der Universität Zürich in einem mehrere Pflanzengenerationen umfassenden Experiment nach. Die Erkenntnisse könnten dazu genutzt werden, massgeschneidertes Saatgut zu entwickeln, das gegen Schädlinge resistent ist.

    Pflanzenfressende Insekten wie Blattläuse beeinträchtigen die einzelne Pflanze in ihrer Entwicklung. Sie sind jedoch wesentlich für die genetische Vielfalt innerhalb der Pflanzenart verantwortlich. Dies konnten die Ökologen Tobias Züst und Lindsay Turnbull von der Universität Zürich zusammen mit Kollegen aus Kalifornien und Grossbritannien anhand der Pflanze Ackerschmalwand nachweisen. Gemäss Züst wird damit die seit vierzig Jahren gehegte Vermutung, dass Schädlinge die Selektion der von ihnen befallenen Pflanzenarten stark beeinflussen, erstmals experimentell bestätigt. Zudem geben Pflanzen die für sie kostspieligen Abwehrmechanismen innerhalb weniger Generationen auf, falls der Befall durch Schädlinge ausbleibt.

    Die Ackerschmalwand ­­– Arabidopsis thaliana ­­– wehrt sich, wie viele andere Pflanzen auch, mit chemischen Abwehrstoffen gegen Schädlinge. Diese entwickelten im Lauf der Evolution allerdings Toleranzen gegenüber gewissen chemischen Komponenten dieser Stoffe. Je nach Häufigkeit einzelner Schädlingsarten bieten demnach unterschiedliche Abwehrstoffe den optimalen Schutz für die Pflanze. Die Forscher untersuchten in einem ersten Schritt die Verbreitung unterschiedlicher chemischer Abwehrstoffe in natürlichen Populationen von Arabidopsis thaliana innerhalb Europas und verglichen diese mit der räumlichen Verbreitung zweier wichtiger Schädlinge, der Kohl- und der Senfblattlaus.

    Gebietsspezifische Schädlingspopulationen als evolutionäre Kraft
    Die Wissenschaftler weisen nach, dass sich die Abwehrstoffe von Arabidopsis thaliana in Südwesteuropa chemisch von jenen in Nordosteuropa unterscheiden. Dieses Muster korreliert direkt mit der unterschiedlichen Zusammensetzung der Blattlauspopulationen in den beiden geografischen Räumen. In einem zweiten Schritt untersuchten die Forscher experimentell, ob die Schädlinge tatsächlich die Selektion für die unterschiedliche chemotypische Ausprägung der Abwehrstoffe vorantreiben. Zu diesem Zweck setzten sie Arabidopsis thaliana unter streng kontrollierten Bedingungen jeweils den für Nordost- bzw. Südwesteuropa typischen Populationen von Kohl- bzw. Senfblattläusen aus. Bereits nach fünf Pflanzengenerationen stellte sich die in der Natur beobachtete geographische Prädominanz derselben spezifischen Abwehrstoffe gegen die vorherrschende Blattlausart ein. «Pflanzen der gleichen Art können spezifische Abwehrstoffe gegen die lokal dominanten Schädlinge bilden. Wobei der Bildung dieser Stoffe unterschiedliche Gene zugrunde liegen», fasst Züst zusammen. Schädlingspopulationen sind natürlichen Schwankungen unterworfen. «Der ständig wechselnde Selektionsdruck zwingt die Pflanzenart zur genetischen Vielfalt», so Züst weiter. Diese ist die grundlegende Voraussetzung, damit sich Arten an veränderte klimatische Bedingungen, neu auftretende Schädlingsarten oder Krankheiten anpassen können.

    Schneller Verlust innerartlicher Genvielfalt
    Nicht alle Abwehrstoffe von Arabidopsis thaliana sind wirksam gegen Blattläuse, weshalb im Experiment mehrere dieser erfolglosen genetischen Varianten bereits nach fünf Pflanzengenerationen verschwanden. Laut Lindsay Turnbull sind Abwehrmechanismen für die Pflanze kostspielig und gehen oft zulasten des Wachstums: «Innerartliche genetische Vielfalt wird nur so lange aufrechterhalten, wie sie der Pflanze einen Nutzen, wie z.B. Schutz vor Schädlingen bringt.» Die innerartliche genetische Vielfalt vieler Pflanzen ist heute durch den vom Menschen ausgeübten Selektionsdruck vielerorts gefährdet. Nutzpflanzen werden unter Preisgabe der natürlichen Abwehrmechanismen auf schnelles Wachstum und maximalen Ertrag hin selektioniert, womit der Einsatz von Pestiziden unumgänglich wird. Die neu gewonnenen Erkenntnisse könnten in Zukunft dazu genutzt werden, massgeschneidertes Saatgut zu entwickeln, das gegen lokal dominant auftretende Schädlinge resistent ist. Auf diese Weise könnte der Einsatz von Pestiziden stark eingeschränkt werden.

    Literatur:
    Tobias Züst, Christian Heichinger, Ueli Grossniklaus, Richard Harrington, Daniel J. Kliebenstein, Lindsay Turnbull. Natural enemies drive geographic variation in plant defenses. Science. 5 October 2012. doi: 10.1126/science.1226397


    Kontakt:
    Dr Tobias Züst
    Department of Ecology and Evolutionary Biology
    Cornell University
    Tel. +1 607 319 99 05
    E-Mail: tobias.zuest@cornell.edu

    Dr. Lindsay Turnbull
    Institut für Evolutionsbiologie und Umweltwissenschaften
    Universität Zürich
    Tel. +41 44 635 61 20
    E-Mail: lindsay.turnbull@ieu.uzh.ch


    Weitere Informationen:

    http://www.mediadesk.uzh.ch - Medienmitteilung


    Bilder

    Pflanzenschalen mit einer identischen Mischung verschiedener Genotypen von Arabidopsis thaliana werden parallel unterschiedlichen Blattläusen ausgesetzt. Jede einzelne Plexiglasbox simuliert eine Pflanzenpopulation mit einer bestimmten Zusammensetzung von Blattläusen.
    Pflanzenschalen mit einer identischen Mischung verschiedener Genotypen von Arabidopsis thaliana werd ...
    Bild: UZH
    None

    Pflanzenpopulationen werden unterschiedlich stark geschädigt. Von links nach rechts: Population ohne Blattläuse, mit Senfblattlaus, Kohlblattlaus, Blattlausmischung, Senfblattlaus, Pfirsichblattlaus
    Pflanzenpopulationen werden unterschiedlich stark geschädigt. Von links nach rechts: Population ohne ...

    None


    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Journalisten
    Biologie
    überregional
    Forschungsergebnisse, Wissenschaftliche Publikationen
    Deutsch


     

    Hilfe

    Die Suche / Erweiterte Suche im idw-Archiv
    Verknüpfungen

    Sie können Suchbegriffe mit und, oder und / oder nicht verknüpfen, z. B. Philo nicht logie.

    Klammern

    Verknüpfungen können Sie mit Klammern voneinander trennen, z. B. (Philo nicht logie) oder (Psycho und logie).

    Wortgruppen

    Zusammenhängende Worte werden als Wortgruppe gesucht, wenn Sie sie in Anführungsstriche setzen, z. B. „Bundesrepublik Deutschland“.

    Auswahlkriterien

    Die Erweiterte Suche können Sie auch nutzen, ohne Suchbegriffe einzugeben. Sie orientiert sich dann an den Kriterien, die Sie ausgewählt haben (z. B. nach dem Land oder dem Sachgebiet).

    Haben Sie in einer Kategorie kein Kriterium ausgewählt, wird die gesamte Kategorie durchsucht (z.B. alle Sachgebiete oder alle Länder).