idw - Informationsdienst
Wissenschaft
7.5.1996
Kosmische Zustaende im Labor - die neue Ionenfalle
EBIT in Berlin Elektronenstrahl-Ionenfalle in Berliner IPP-Aussenstelle aufgebaut
Eine hochleistungsfaehige Ionenfalle ging kuerzlich im 'Bereich Berlin' des Garchinger Max-Planck-Instituts fuer Plasmaphysik (IPP) in Betrieb. Diese in Deutschland bislang einmalige Apparatur erzeugt und speichert hochionisierte Atome, wie sie in der Natur nur noch in einer Supernova oder in weissen Zwergen vorkommen. Mit vergleichsweise geringem Aufwand entzieht die Apparatur beliebigen Atomen bis zu den schwersten Elementen des Periodensystems nahezu alle ihre Elektronen. Die kalten, hochgeladenen Ionen werden dann zur Ausmessung ihrer komplexen Energiezustaende in der Falle gespeichert.
Was bisher nur mit hohem Aufwand moeglich war - zum Beispiel in grossen Beschleunigern - gelingt in der neuen Elektronenstrahl-Ionenfalle EBIT (Electron-Beam-Ion-Trap) vergleichsweise einfach: In der nur ein Meter hohen Anlage kann jede gewuenschte Atomsorte in nahezu beliebig hohe Ladungszustaende ueberfuehrt und fuer Stunden gespeichert werden. Haupthilfsmittel hierfuer ist ein starker Elektronenstrahl. Bei einem anfaenglichen Durchmesser von drei Millimetern wird er durch Hochspannungs-Elektroden und Magnetspulen auf die Dicke eines menschlichen Haares zusammengedrueckt. In diesen konzentrierten Elektronenstrahl werden die zu untersuchenden Atome eingebracht.
Beim Zusammenstoss mit den schnellen Elektronen werden die Atome ionisiert. Je nach Energie des Elektronenstrahls verlieren sie bei den Kollisionen immer mehr ihrer eigenen Elektronen. So kann beispielsweise bis zu 72fach ionisiertes Wolfram erzeugt werden, das also nach und nach 72 seiner insgesamt 74 Elektronen verloren hat. Eine trickreiche Abkuehlung sorgt dafuer, dass die Ionen einen Grossteil der dabei aufgenommenen Energie wieder abgeben. Weil die negative Raumladung des Elektronenstrahls - zusammen mit einem Magnetfeld - die positiv geladenen Ionen auch einschliessen kann, lassen sich auf diese Weise etwa zehn- bis hunderttausend abgekuehlte Ionen fuer mehrere Stunden festhalten. Stoesse mit den Elektronen fuehren waehrend dieser Zeit zur Anregung der Ionen und anschliessenden Aussendung von charakteristischer Strahlung, die sich vom sichtbaren Licht bis ins Roentgengebiet erstrecken kann. Die Analyse des Lichts gibt dann genaue Auskunft ueber die komplexen Energieniveaus der Ionen.
Ein moeglicher irdischer Aufenthaltsort von Ionen dieser Art sind die heissen Plasmen von Fusionsexperimenten, wo die hochgeladenen Ionen als - allerdings unerwuenschte - Verunreinigungen auftreten koennen. Es ist eine wichtige Aufgabe, diese Verunreinigungen quantitativ im heissen Plasmazentrum nachzuweisen. Die bisherigen Messungen muessen jedoch atomphysikalische Basisdaten zugrundelegen, die meist nur ueber Naeherungsrechnungen, nicht aber ueber exakte Messungen gewonnen wurden. Hier soll die neue Ionenquelle die noch fehlenden Informationen liefern. Nach Inbetriebnahme hat man deshalb mit Untersuchungen an dem fuer die Fusionsforschung besonders interessanten Wolfram begonnen, das als Material fuer stark waermebelastete Bauteile in Fusionsexperimenten diskutiert wird.
Die neue Berliner Ionenfalle unterstuetzt damit die Arbeit an den Fusionsexperimenten des Mutterinstituts, des Max-Planck-Instituts fuer Plasmaphysik in Garching bei Muenchen. Die Berliner Aussenstelle des IPP wurde 1992 gegruendet und fuehrt die fusionsorientierten Arbeiten des aufgeloesten Zentralinstituts fuer Elektronenphysik der ehemaligen DDR weiter. Ziel der Forschung ist es, ein Kraftwerk zu entwickeln, das aehnlich wie die Sonne aus der Verschmelzung (Fusion) von Atomkernen Energie gewinnt. Daneben bietet die Ionenfalle jedoch auch beste Moeglichkeiten, grundlegende atomare Prozesse zu studieren und ist damit fuer viele weitere physikalische Disziplinen - Plasmaphysik, Elektronenstrahlphysik, Oberflaechen- und Atomphysik - von Bedeutung. Es ist daher beabsichtigt, mit Hochschulinstituten zusammenzuarbeiten, die auf diesen Gebieten spezialisiert sind.
Bereits vereinbart ist die Zusammenarbeit mit dem amerikanischen Lawrence Livermore National Laboratorium, das die Elektronenstrahl-Ionenfallen entwickelt hat. Die Berliner EBIT-Falle ist eine abgewandelte Version einer dortigen Anlage; weltweit gibt es nur vier weitere. Das Praezisionsinstrument wurde von einer amerikanischen Firma hergestellt: Zur Kompression des Elektronenstrahls dient eine supraleitende Magnetspule, die mit fluessigem Helium auf Tiefsttemperaturen gekuehlt wird. Die Falle selbst besteht aus drei zylindersymmetrischen Elektroden hoechster Genauigkeit, die im Betriebszustand auf Hochspannung liegen und denen innerhalb von Millisekunden zusaetzliche Spannungsrampen aufgepraegt werden. Alle Baugruppen befinden sich in einem etwa ein Meter hohen Vakuumgefaess und muessen ueber diese Laenge praezise zur Achse des Elektronenstrahls ausgerichtet sein.
Abb: Die Elektronenstrahl-Ionenfalle EBIT im Bereich Berlin des Max-Planck-Instituts fuer Plasmaphysik
Weitere Informationen erhalten Sie unter Tel. Nr. (089) 3299-1288.
Merkmale dieser Pressemitteilung:
Mathematik, Physik / Astronomie
überregional
Forschungsprojekte
Deutsch
Sie können Suchbegriffe mit und, oder und / oder nicht verknüpfen, z. B. Philo nicht logie.
Verknüpfungen können Sie mit Klammern voneinander trennen, z. B. (Philo nicht logie) oder (Psycho und logie).
Zusammenhängende Worte werden als Wortgruppe gesucht, wenn Sie sie in Anführungsstriche setzen, z. B. „Bundesrepublik Deutschland“.
Die Erweiterte Suche können Sie auch nutzen, ohne Suchbegriffe einzugeben. Sie orientiert sich dann an den Kriterien, die Sie ausgewählt haben (z. B. nach dem Land oder dem Sachgebiet).
Haben Sie in einer Kategorie kein Kriterium ausgewählt, wird die gesamte Kategorie durchsucht (z.B. alle Sachgebiete oder alle Länder).