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Jenaer Indogermanisten erforschen Bedeutung mitteldeutscher Dialekte für das Hochdeutsche
Sprecher eines deutlichen thüringischen Dialekts haben keinen Grund mehr, sich hinter jenen zu verstecken, denen ein lupenreines Hochdeutsch gelingt. Werden sie künftig irgendwo aufgrund ihrer Mundart schräg angesehen, können sie getrost darauf verweisen, dass Wörter wie „Lurch“, „Molch“ oder „Olm“ aus dem Thüringischen stammen.
Wie Dr. Sabine Ziegler, Mitarbeiterin an der Jenaer Außenstelle der Sächsischen Akademie der Wissenschaften zu Leipzig verrät, hat sich der Naturforscher Lorenz Oken während seiner Jenaer Zeit zur Bezeichnung von Amphibien und Halbamphibien einfach aus dem Fundus regionaler Begriffe bedient. Der oft unterschätzten Bedeutung des Thüringischen wird ab Dezember ein von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) zunächst für drei Jahre bewilligtes und mit 240.000 Euro gefördertes Projekt am Lehrstuhl für Indogermanistik der Universität Jena näher auf den Grund gehen: das „Thüringer Etymologische Wörterbuch".
„Dem Thüringischen kommt aufgrund seiner Lage im Herzen Deutschlands zwischen norddeutschen und süddeutschen Mundarten als mitteldeutschem Dialekt eine zentrale Rolle zu“, erläutert Dr. Ziegler. Mehr noch: „Es zeigt Anteile sowohl oberdeutscher als auch niederdeutscher Regiolekte und gilt zusammen mit dem sogenannten Kanzleisächsisch als wesentlicher Stifter der schriftdeutschen Hochsprache.“ Am vielversprechendsten erscheinen Sabine Ziegler und ihren Kollegen Dr. Sergio Neri und Laura Sturm Dialektwörter aus dem Wortfeld „Haus und Hof“ – und zwar sowohl im Hinblick auf Etymologie als auch auf Sach- und Wortgeschichte oder die semantische Entwicklung.
Wichtig ist das im eher Ländlichen angesiedelte Wortfeld „Haus und Hof“, weil in ihm – ähnlich wie in Biotopen – altertümliche Wörter überlebt haben. „Das liegt daran, dass Dialekte auf dem Land noch eher gesprochen werden. Daher überleben in den ländlichen Regionen viele Wörter, die sonst ausgestorben und durch andere, neue ersetzt worden sind“, sagt die Jenaer Indogermanistin. Es sei „unglaublich, wie viele mittelalterliche und noch ältere Wörter in den Dialekten fortgelebt haben.“
Wer sich nun fragt, warum ihn solch lebende Sprachfossilien aus dem Thüringer Hinterland überhaupt interessieren sollen, der sei darauf verwiesen, dass man vom Thüringischen Wort „Nuffen“ direkt zum Linksverkehr auf den britischen Inseln gelangt. Im Norden Westthüringens vereinzelt noch anzutreffen, bezeichnete der Begriff „Nuffen“ das linke Gespannpferd – also jenes Sattelpferd, das in weiten Teilen Europas üblicherweise das linke war. „Bei der Untersuchung und Erklärung dieses Wortes landet man schließlich bei Napoleon und seinen Gesetzen zum Rechtsverkehr auf öffentlichen Straßen“, sagt Dr. Ziegler. „Und da Napoleon nie England erobert hat, herrscht dort immer noch Linksverkehr“, ergänzt sie.
Ihre Erkenntnisse wollen die Forscher „viel ausführlicher“ publizieren als „in einem einfachen etymologischen Wörterbuch.“ Insbesondere sollen mehr Belege, viele Redewendungen und viel Wortgeschichte dabei sein, so dass pro Wort etwa sechs bis sieben Seiten Erklärung folgen. Zielgruppe sind somit nicht nur akademische Fachkollegen im engeren Sinn, sondern ein breites Interessentenspektrum.
Kontakt:
Dr. Sabine Ziegler
Lehrstuhl für Indogermanistik der Friedrich-Schiller-Universität Jena
Zwätzengasse 12, 07743 Jena
Tel.: 03641/ 944087
E-Mail: sabine.ziegler[at]uni-jena.de
Dr. Sabine Ziegler und Kollegen vom Lehrstuhl für Indogermanistik der Friedrich-Schiller-Universität ...
Foto: Anne Günther/FSU
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Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten, Wissenschaftler
Sprache / Literatur
überregional
Forschungsprojekte
Deutsch
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