idw - Informationsdienst
Wissenschaft
Deutsch-Amerikanisches Forscherteam errechnet mit neuem Prognosemodell 45,9 Prozent für Rot-Grün / Neueste Zahlen der Forschungsgruppe Wahlen berücksichtigt
Die rot-grüne Koalition wird bei der kommenden Bundestagswahl mit sehr geringem Vorsprung voraussichtlich stärkste Kraft im Deutschen Bundestag. Das prognostizieren Politikwissenschaftler der Universität Mannheim und der State University New York nach einer aktuellen Modellrechnung, die unter anderem auf den jüngsten Umfrageergebnissen der Forschungsgruppe Wahlen vom vergangenen Freitag beruht. Während alle großen Meinungsforschungsinstitute die rot-grüne Koalition derzeit nur auf Platz 2 mit 40 bis 42 Prozent sehen, sagen die Politikwissenschaftler einen Stimmanteil von 45,9 Prozent für SPD und Grüne voraus. Das bedeutet, dass unter Berücksichtigung der Fehlertoleranz Rot-Grün wahrscheinlich stärkste Kraft wird ,dass aber gleichzeitig aufgrund eines sehr geringen Vorsprungs zu CDU/CSU und FDP das Rennen um den Wahlsieg noch völlig offen ist.
Das neue Prognosemodell, das den Zweitstimmenanteil der Regierungsparteien vorhersagt, hat das Forscherteam bereits Ende Juni der Öffentlichkeit vorgestellt. Das Verfahren ist zugeschnitten für eine Prognose zum Zeitpunkt von zwei Monaten vor der Wahl. Zu diesem Zeitpunkt werden kurzfristige Faktoren der Wahlentscheidung auf Grundlage der aktuellen Umfrageergebnisse der Meinungsforschungsinstitute bestimmt. Darüber hinaus berücksichtigt das Modell für die Vorhersage auch mittel- und langfristige Faktoren der Wahlentscheidung, die sich bis zum Wahltag nicht mehr ändern werden.
Die Regierungskoalition wird nach der Modellprognose der Wissenschaftler am 22. September auf 45,9% Prozent der Zweitstimmen kommen. Das würde für einen Sieg über CDU/CSU und FDP reichen, solange PDS und alle sonstigen Parteien zusammen ebenso viele Zweitstimmen wie im Durchschnitt der vergangenen drei Bundestagswahlen gewinnen können, nämlich rund neun Prozent. Bei einem solchen Anteil könnten CDU/CSU und FDP nur mit maximal 45,1 Prozent der Zweitstimmen rechnen. Ungewiss bleibt jedoch, ob ein Stimmenanteil von 45,9 Prozent der rot-grünen Regierungskoalition eine absolute Mehrheit der Sitze im nächsten Bundestag sichert. Dies wird vom Abschneiden der PDS und dem Zweitstimmenanteil der sonstigen Parteien abhängen, die nicht in den Bundestag kommen.
Die Meinungsforschungsinstitute dagegen sehen auf Grundlage ihrer umfragegestützten Prognosen die rot-grüne Koalition derzeit abgeschlagen mit 40,3 Prozent (Allensbach) bis maximal 42 Prozent (FORSA und Forschungsgruppe Wahlen). Diese Institute sagen stattdessen einer CDU/CSU-FDP Koalition mit einem Zweitstimmenanteil zwischen 48 Prozent (Emnid) und 51,4 Prozent (Allensbach) eine klare Mehrheit voraus.
Die Prognose des Forscherteams aus Stony Brook (Prof. Dr. Helmut Norpoth) und Mannheim (Dr. Thomas Gschwend) beruht auf einem Modell, das sich Erkenntnisse der Wahlforschung zunutzen macht. Das wahlstatistische Modell, das diese Prognose liefert, beruht demnach auf drei Faktoren. Das sind erstens der langfristige, das heißt von Wahl zu Wahl relativ stabile, Wählerrückhalt der Regierungsparteien, zweitens, die Popularität des amtierenden Bundeskanzlers - gemessen jeweils zwei Monate vor einer Bundestagswahl -, und drittens, der mittelfristig wirksame Prozess der Abnutzung von Regierungskoalitionen im Amt - gemessen durch die Zahl der Amtsperioden der Regierung. Mit dieser Modellgleichung lassen sich die Ergebnisse von Bundestagswahlen äußerst genau bestimmen: So wichen die tatsächlichen Stimmenanteile der Regierungsparteien (1953-1998) bislang im Schnitt nur um 1,5 Prozentpunkte von den Modellschätzungen ab, und auch in Bezug auf Sieg oder Niederlage irrte sich die Modellstatistik kein einziges Mal.
Anfang Juli lag nach dem Modell der Universitäten aus Mannheim und Stony Brook die rot-grüne Koalition dank hoher Unterstützungswerte für den Kanzler mit fast fünf Prozentpunkten klar vorne. Da Gerhard Schröder aber in den vergangenen Wochen nach den Ergebnissen der Meinungsforschungsinstitute stark an Popularität verloren hat, sank entsprechend bis zum heutigen Stichtag auch das prognostizierte Ergebnis der rot-grünen Regierungskoalition auf die jetzt berechneten 45,9 Prozent.
Das Modellverfahren wurde von Prof. Dr. Helmut Norpoth, State University of New York in Stony Brook, und Dr. Thomas Gschwend, Mannheimer Zentrum für Europäische Sozialforschung (MZES), entwickelt. Die State University of New York in Stony Brook gehört zu den führenden politikwissenschaftlichen Forschungseinrichtungen in den USA, insbesondere im Bereich der Wahl- und Einstellungsforschung. Das MZES gehört international zu den Top- Einrichtungen im Bereich sozial- und politikwissenschaftlicher Europa-Forschung. Alle Projekte des 1989 gegründeten Instituts zeichnen sich ebenso wie das wahlstatistische Modell durch ihren Anwendungsbezug und ihre gesellschaftspolitische Relevanz aus. Das MZES ist das größte Forschungsinstitut der Universität Mannheim, die bundesweit zu den führenden Hochschulen im Bereich der Wirtschafts- und Sozialwissenschaften zählt.
Weitere Informationen:
Dr. Thomas Gschwend Mannheimer Zentrum für Europäische Sozialforschung (MZES) Universität Mannheim
68131 Mannheim
0621.181.2809 (voice)
0621.181.2845 (fax)
Thomas.Gschwend@mzes.uni-mannheim.de
http://www.sowi.uni-mannheim.de/lehrstuehle/lspol1/gschwend.htm
Prof. Dr. Helmut Norpoth
Department of Political Science
State University of New York at Stony Brook
Stony Brook, NY 11790
001.631.632.7640 (voice)
001.631.632.4116 (fax)
Helmut.Norpoth@sunysb.edu
http://www.sunysb.edu/polsci/
Thomas Gschwend und Helmut Norpoth, "Wenn am nächsten Sonntag ...: Ein Prognosemodell für Bundestagswahlen," in Wahlen und Wähler: Analysen aus Anlass der Bundestagswahl 1998, Max Kaase und Hans-Dieter Klingemann [Hg.], Opladen: Westdeutscher Verlag, 2001, 471-500.
Aktuelle Wahlprognosen der Meinungsforschungsinstitute: www.wahlrecht.de/umfragen/index.htm
http://www.wahlrecht.de/umfragen/index.htm
Merkmale dieser Pressemitteilung:
Gesellschaft, Politik, Recht
überregional
Forschungsergebnisse
Deutsch
Sie können Suchbegriffe mit und, oder und / oder nicht verknüpfen, z. B. Philo nicht logie.
Verknüpfungen können Sie mit Klammern voneinander trennen, z. B. (Philo nicht logie) oder (Psycho und logie).
Zusammenhängende Worte werden als Wortgruppe gesucht, wenn Sie sie in Anführungsstriche setzen, z. B. „Bundesrepublik Deutschland“.
Die Erweiterte Suche können Sie auch nutzen, ohne Suchbegriffe einzugeben. Sie orientiert sich dann an den Kriterien, die Sie ausgewählt haben (z. B. nach dem Land oder dem Sachgebiet).
Haben Sie in einer Kategorie kein Kriterium ausgewählt, wird die gesamte Kategorie durchsucht (z.B. alle Sachgebiete oder alle Länder).