idw - Informationsdienst
Wissenschaft
Frankfurt am Main, 17.1.2013. Der Klimawandel hat Auswirkungen auf alle Lebewesen und Ökosysteme, unter anderem bedroht er die genetische Vielfalt innerhalb von Arten. Das ist das Ergebnis einer im Fachjournal Molecular Ecology veröffentlichten Übersichtsstudie. Forscher des Biodiversität und Klima Forschungszentrums, der Frankfurter Goethe-Universität und der Senckenberg Gesellschaft für Naturforschung haben darin die möglichen Folgen der genetischen Verarmung zusammengefasst. Außerdem zeigen sie in einer Methodenstudie in der Fachzeitschrift BMC Evolutionary Biology auf, wie die genetische Vielfalt künftig besser in Untersuchungen der Auswirkungen des Klimawandels einbezogen werden kann.
Genetische Variationen innerhalb von Arten sind das Rohmaterial der Evolution, ohne sie können sich Populationen nicht an ihre Umwelt anpassen und keine neuen Arten entwickeln. Die Vielfalt im Erbgut von Arten und Populationen ist daher die Grundlage für künftige evolutionäre Entwicklungen. Sie spielt zudem eine entscheidende Rolle für die Fitness von Individuen einer Art und für die Stressresistenz ganzer Populationen. Wenn alle Mitglieder einer Population die gleichen Gene haben, ist die Gefahr groß, dass alle gemeinsam einer Krankheit oder widrigen Umweltverhältnissen zum Opfer fallen, oder schnell an den Rand ihrer Überlebensfähigkeit kommen. Aus den Agrarwissenschaften etwa ist seit langem bekannt, dass die Fokussierung auf wenige Sorten mit untereinander nah verwandten Individuen deren Anpassungspotential an Umweltbedingungen und deren Resistenz gegenüber Parasiten und Krankheitserregern gefährlich verringert. „Ein zu kleiner Genpool kann für eine Art oder eine Population problematisch werden, wenn etwa neue Krankheitserreger erscheinen“, so Markus Pfenninger, Professor für Molekulare Ökologie an der Goethe-Universität und am Biodiversität und Klima Forschungszentrum.
Für die Übersichtsstudie hat das Frankfurter Team ca. 200 wissenschaftliche Artikel und Datensammlungen zu den Auswirkungen des globalen Klimawandels auf die genetische Vielfalt von Tier- und Pflanzenarten ausgewertet. Die Studie belegt, dass der Klimawandel die genetische Vielfalt beeinflusst und in vielen Fällen bedroht – etwa, wenn ganze Populationen in neue Lebensräume abwandern müssen. „Unser Review belegt, dass die Berücksichtigung genetischer Vielfalt ganz zentral ist, wenn wir die Folgen des Klimawandels für die Biodiversität verstehen und abschätzen wollen“, sagt Steffen Pauls (BiK-F), einer der Autoren der Studie.
Die Übersichtsstudie verdeutlicht auch, dass die Auswirkungen des globalen Klimawandels auf die genetische Diversität bislang noch viel zu wenig im Fokus der Wissenschaft stehen – und dies, obwohl die durch den Klimawandel ausgelösten Prozesse die genetische Ausstattung vieler Arten reduzieren oder zumindest in einzelnen Populationen stark verändern. „Dies wird durch weitere Eingriffe des Menschen in die Ökosysteme noch verstärkt“, betont Markus Pfenninger. „Deshalb muss der Schwund an innerartlicher Vielfalt künftig besser erforscht werden“.
Genetische Vielfalt ist nicht nur von akademischem Interesse, sie hat auch direkte Konsequenzen für das Wohlergehen von Menschen. Der globale ökonomische Wert aller jährlich durch die Ökosysteme erbrachten Dienstleistungen wie Nahrungsmittel, Medikamente, sauberes Wasser und Atemluft liegt bei etwa 25 Billionen Euro. Allerdings kann die Natur diese Leistungen nur zur Verfügung stellen, wenn sie Schädlingen, Krankheiten oder anderen Störungen weitgehend zu trotzen vermag – und dies ist nur durch eine vielfältige genetische Ausstattung gewährleistet.
Um den Verlust genetischer Diversität einzelner Arten künftig besser absehen zu können, stellt das BiK-F-Forscherteam in einem kürzlich in der Fachzeitschrift BMC Evolutionary Biology erschienenen Artikel eine neue Methode vor, die den möglichen Rückgang statistisch valide abschätzbar macht. Ihre Besonderheit liegt darin, dass sie nicht nur für künftige Studien anwendbar ist, sondern dass auch vorhandene Datensätze entsprechend ausgewertet werden können. Dadurch lässt sich besser beurteilen, welche Arten von einem Klimawandel-induzierten Verlust an genetischer Diversität besonders betroffen sein werden. Für diese Arten können dann gezielt Schutzmaßnahmen ergriffen werden.
Publikationen:
Pauls SU, Nowak C, Bálint M, Pfenninger M: The impact of global climate change on genetic diversity within populations and species (2013). Molecular Ecology, doi: 10.1111/mec.12152
Pfenninger M, Bálint M, Pauls SU: Methodological framework for projecting the potential loss of intraspecific genetic diversity due to global climate change (2012). BMC Evolutionary Biology 12:224, doi:10.1186/1471-2148-12-224
Für weitere Informationen kontaktieren Sie bitte:
Prof. Dr. Markus Pfenninger
LOEWE Biodiversität und Klima Forschungszentrum (BiK‐F)& Goethe‐Universität
Tel. 069 798 24714
Pfenninger@bio.uni‐frankfurt.de
oder
Dr. Steffen Pauls
LOEWE Biodiversität und Klima Forschungszentrum (BiK‐F)
Tel. 069 7542 1884
Steffen.pauls@senckenberg.de
-----------
LOEWE Biodiversität und Klima Forschungszentrum, Frankfurt am Main
Mit dem Ziel, anhand eines breit angelegten Methodenspektrums die komplexen Wechselwirkungen von Biodiversität und Klima zu entschlüsseln, wird das Biodiversität und Klima Forschungszentrum (BiK‐F) seit 2008 im Rahmen der hessischen Landes‐ Offensive zur Entwicklung Wissenschaftlich-ökonomischer Exzellenz (LOEWE) gefördert. Die Senckenberg Gesellschaft für Naturforschung und die Goethe Universität Frankfurt sowie weitere direkt eingebundene Partner kooperieren eng mit regionalen, nationalen und internationalen Akteuren aus Wissenschaft, Ressourcen‐ und Umweltmanagement, um Projektionen für die Zukunft zu entwickeln und wissenschaftlich gesicherte Empfehlungen für ein nachhaltiges Handeln zu geben. Mehr unter www.bik-f.de
LOEWE Biodiversität und Klima Forschungszentrum (BiK-F)
None
Trochulus villosus, eine behaarte Landschnecke, deren genetische Vielfalt durch den Klimawandel vor ...
©Aline Dépraz
None
Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten
Biologie, Geowissenschaften, Meer / Klima, Umwelt / Ökologie
überregional
Forschungsergebnisse
Deutsch
Sie können Suchbegriffe mit und, oder und / oder nicht verknüpfen, z. B. Philo nicht logie.
Verknüpfungen können Sie mit Klammern voneinander trennen, z. B. (Philo nicht logie) oder (Psycho und logie).
Zusammenhängende Worte werden als Wortgruppe gesucht, wenn Sie sie in Anführungsstriche setzen, z. B. „Bundesrepublik Deutschland“.
Die Erweiterte Suche können Sie auch nutzen, ohne Suchbegriffe einzugeben. Sie orientiert sich dann an den Kriterien, die Sie ausgewählt haben (z. B. nach dem Land oder dem Sachgebiet).
Haben Sie in einer Kategorie kein Kriterium ausgewählt, wird die gesamte Kategorie durchsucht (z.B. alle Sachgebiete oder alle Länder).