idw - Informationsdienst
Wissenschaft
Absender dieser Pressemitteilung: Prof. Dr. med. Michael R. Gaab, Prof. Dr. jur. Wolfgang Joecks, Prof. Dr. jur. Jürgen Kohler, Prof. Dr. rer. pol. Manfrred Jürgen Matschke. Sie legten Beschwerde Landesverfassungsgericht Mecklenburg-Vorpommern ein. "Das neue Landeshochschulgesetz ist nach Auffassung der Beschwerdeführer inakzeptabel und muß der verfassungsgerichtlichen Prüfung unterworfen werden, weil es unberechtigt in die Freiheitsrechte in einem Ausmaß eingreift, das seit Gründung der Bundesrepublik Deutschland nicht bekannt war."
Bisher unbekannte staatliche Eingriffe in Forschung und Lehre
Vier Hochschullehrer der Uni Greifswald legen Verfassungsbeschwerde ein
Art. 5 Abs. 3 des Grundgesetzes und Art. 7 Abs. 1 der Landesverfassung Mecklenburg-Vorpommern garantieren die Freiheit von Forschung und Lehre. Im Gegensatz dazu stellt die Neuregelung in § 5 Abs. 5 des Landeshochschulgesetzes von Mecklenburg-Vorpommern eine Vielzahl von Grenzen auf, mit unbestimmten und politisch beliebig deutbaren Worten, die nicht nur schlechte politische Prosa sind, sondern Einfallstor für politische Bevormundung. In einer staatlichen Hochschule kommt dem besondere Bedeutung zu - von der Abhängigkeit der Finanzierung vom politischen Wohlverhalten bis zu staatlicher Lenkung.
Die Beschwerde wird unter dem 12. September 2002 eingereicht von den Professoren Dr. med. Michael R. Gaab (Medizinische Fakultät), Drs. jur. Wolfgang Joecks und Jürgen Kohler und Dr. rer. pol. Manfred Jürgen Matschke (alle Rechts- und Staatswissenschaftliche Fakultät).
Das neue Gesetz ist nach Auffassung der Beschwerdeführer inakzeptabel und muß der verfassungsgerichtlichen Prüfung unterworfen werden, weil es unberechtigt in die Freiheitsrechte in einem Ausmaß eingreift, das seit Gründung der Bundesrepublik Deutschland nicht bekannt war.
Anhängend finden Sie den Text einer Presseerklärung der vier genannten Professoren.
Für Rückfragen wenden Sie sich bitte an Prof. Dr. Wolfgang Joecks, Tel. 03834-86-2120, e-mail: joecks@uni-greifswald.de
"Politisch unerwünscht?
Vier Hochschullehrer der Uni Greifswald legen Verfassungsbeschwerde ein
Das am 5. Juli 2002 beschlossene Hochschulgesetz des Landes Mecklenburg-Vorpommern (LHG-MV) hat vier Professoren der Universität Greifswald zu einer Verfassungsbeschwerde beim Landesverfassungsgericht von Mecklenburg-Vorpommern am 12. September 2002 veranlaßt. Der Mediziner Michael R. Gaab, die Juristen Wolfgang Joecks und Jürgen Kohler und der Betriebswirt Manfred J. Matschke sehen in § 5 Absatz 5 des LHG-MV eine Verletzung von Grundgesetz und Landesverfassung, weil er die verfassungsrechtlich garantierte Freiheit von Forschung und Lehre in unzulässiger Weise einschränkt.
Art. 5 Abs. 3 GG und Art. 7 Abs. 1 der Landesverfassung Mecklenburg-Vorpommern (LV-MV) garantieren die Freiheit von Forschung und Lehre, Art. 7 Abs. 2 LV-MV zieht der Forschung Grenzen, "wenn sie die Menschenwürde zu verletzen oder die natürlichen Lebensgrundlagen zu gefährden droht". Im Gegensatz dazu stellt der neue § 5 Abs. 5 des LHG-MV viele weitere Grenzen auf und dies mit unbestimmten, politisch beliebig deutbaren Worten, die nicht nur schlechte politische Prosa sind, sondern das Einfallstor für politische Bevormundung: das neue LHG-MV macht Freiheit der Forschung und Lehre namentlich von diffusen, unklaren Begriffen wie "Verantwortung gegenüber der Gesellschaft" als unbestimmtes Kollektiv abhängig, wobei die Gesetzesmaterialien keinen Zweifel lassen, wozu sich das neue Recht zumindest gebrauchen läßt: zur Bindung der Wahrheitssuche durch Wissenschaft an politische Gefälligkeit, die die jeweilige politische Mehrheit unter dem Signum der "gesellschaftlichen Akzeptanz" bestimmt.
In einem staatlich betriebenen Hochschulsystem ist dies besonders bedeutend. Auch ökonomisch verstärkt das Gesetz die Gefahr staatlicher Eingriffe und Lenkung. Denn im staatlich geförderten System haben Art. 7 Abs. 1 LV-MV sowie Art. 5 Abs. 3 GG unabdingbar die institutionell wissenschaftssichernde Aufgabe, Erkenntnis- und Wahrheitssuche als Elemente und Bedingungen von Freiheit, Frieden und Wohlstand gegen "political correctness" und der Mode unterworfene Mehrheitsmeinungen zu schützen.
Dieses Freiheitsrecht, so sagen die Beschwerdeführer, ist nicht nur für den einzelnen Wissenschaftler von Belang: es ist ein unseren Staat tragendes Grundrecht! Der Verfassung geht es um den Schutz des einzelnen Wissenschaftlers und dadurch seines Erkennens, Wissens, Lernens vor staatlichem Diktat und politischer Zensur und gegen jegliche Monopolisierung in anderer Weise.
Nach Auffassung der Beschwerdeführer geht alle an: Erkenntnis- und Wahrheitssuche als Elemente und Bedingungen von Freiheit, Frieden, Wohlstand muß man gegen mehrheitliches "Fürrichtighalten" schützen. Anfängen muß man wehren. Jenes Einfallstor für eine mögliche politische Bevormundung im LHG-MV muß im Interesse des Landes geschlossen werden, damit die Hochschulen auch künftig ihre Aufgabe erfüllen können, zu der sie von Staats wegen berufen sind: mit dem nötigen Respekt vor der Würde des Menschen und der Natur nach der Wahrheit zu suchen, mag diese auch unbequem sein."
Merkmale dieser Pressemitteilung:
Ernährung / Gesundheit / Pflege, Geschichte / Archäologie, Gesellschaft, Medizin, Politik, Psychologie, Recht
überregional
Forschungsergebnisse, Wissenschaftspolitik
Deutsch
Sie können Suchbegriffe mit und, oder und / oder nicht verknüpfen, z. B. Philo nicht logie.
Verknüpfungen können Sie mit Klammern voneinander trennen, z. B. (Philo nicht logie) oder (Psycho und logie).
Zusammenhängende Worte werden als Wortgruppe gesucht, wenn Sie sie in Anführungsstriche setzen, z. B. „Bundesrepublik Deutschland“.
Die Erweiterte Suche können Sie auch nutzen, ohne Suchbegriffe einzugeben. Sie orientiert sich dann an den Kriterien, die Sie ausgewählt haben (z. B. nach dem Land oder dem Sachgebiet).
Haben Sie in einer Kategorie kein Kriterium ausgewählt, wird die gesamte Kategorie durchsucht (z.B. alle Sachgebiete oder alle Länder).