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Die erste 2000 Jahre umfassende Temperaturrekonstruktion für einzelne Kontinente – Gießener Wissenschaftler Mitautoren einer Veröffentlichung in „Nature Geoscience“
Der Klimawandel in der Vergangenheit unterschied sich deutlich von Region zu Region. Zu diesem Ergebnis kommt eine neue Studie mit Beteiligung Gießener Wissenschaftler, die durch das internationale PAGES-Projekt (Past Global Changes) koordiniert wurde. In dieser Studie wurden erstmalig die regionalen, kontinentalen Temperaturen der letzten ein- bis zweitausend Jahre umfassend rekonstruiert. Ein zentrales Ergebnis ist, dass der global vorherrschende Abkühlungstrend – hervorgerufen durch reduzierte Sonneneinstrahlung im Sommer und Vulkanismus – seit Ende des 19. Jahrhunderts durch Erwärmung abgelöst wurde.
Etwa achtzig Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus aller Welt arbeiteten gemeinsam an der Studie „Kontinentale Temperaturvariabilität über die letzten beiden Jahrtausende“, die nun in der renommierten Fachzeitschrift „Nature Geoscience“ veröffentlicht wurde. Diese Arbeit stellt eine der umfassendsten und umfangreichsten zu diesem Thema dar. Das internationale Autorenteam – darunter Prof. Jürg Luterbacher, PhD und Dr. Johannes Werner vom Institut für Geographie – wertete Klimaarchivdaten von allen Kontinenten aus, um die Temperaturschwankungen der vergangenen beiden Jahrtausende zu erfassen.
Die Initiative geht zurück auf die 1991 ins Leben gerufene Organisation PAGES (Past Global Changes) des Internationalen Geosphären-Biosphären-Programms (IGBP). Das Ziel von PAGES ist es, unser Verständnis des Klimasystems zu verbessern, indem Klima und Umwelt der Vergangenheit rekonstruiert und analysiert werden. Die Hauptgeldgeber für das Programm sind der Schweizerische Nationalfonds (SNF) sowie die National Science Foundation (NSF) der Vereinigten Staaten.
Bereits 2006 entschlossen sich ambitionierte Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler im PAGES-Netzwerk, das Klima der letzten beiden Jahrtausende in bisher unerreichtem Detail zu rekonstruieren. Die ersten Ergebnisse dieser gemeinsamen Arbeit sind jetzt veröffentlicht worden. „Ein wichtiger Aspekt dieser Arbeit war es, die Experten auf kontinentaler Ebene einzubinden, da sie die Datenlage und -qualität in ihrem Untersuchungsraum besonders gut kennen“, so Prof. Jürg Luterbacher. Dr. Johannes Werner ergänzt: „Wir haben viele unterschiedliche mathematische Methoden verwendet, um die Temperaturen zu rekonstruieren. Das ermöglichte es uns zu überprüfen, inwieweit die zentralen Ergebnisse der Arbeit von der verwendeten Methode beeinflusst werden.“ Die beiden Mitautoren der Veröffentlichung wiesen zudem darauf hin, dass sich vorherige Studien zumeist auf hemisphärische oder globale mittlere Temperaturen konzentrierten, wobei die deutlichen regionalen Unterschiede, die mit globalen Änderungen einhergehen, übersehen wurden.
Natürliche Klimaarchive und Aufzeichnungen
In der Studie „Kontinentale Temperaturvariabilität über die letzten beiden Jahrtausende“ („Continental-scale temperature variability during the last two millennia“) stellten die beteiligten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler unter Verwendung von 511 lokalen Klimaarchiven Temperaturkurven für sechs Kontinente sowie die Arktis auf. Diese Archive setzen sich zusammen aus Baumringen, Pollen, Korallen, See- und Meeressedimenten, Eisbohrkernen und Tropfsteinen sowie historischen Aufzeichnungen. Die meisten Daten haben hohe zeitliche Auflösung. Dadurch ist es möglich, Änderungen von Jahr zu Jahr zu untersuchen, anstatt über Jahrhunderte zu mitteln. Leider ist die Datenlage für Afrika noch nicht auf dem Niveau der anderen Regionen, so dass für diesen Kontinent keine Temperaturrekonstruktionen in dieser Qualität zur Verfügung stehen. Gleichwohl bildet dieser umfangreiche Datensatz eine gute Grundlage für weitere Untersuchungen. So können zum Beispiel Vergleiche mit Klimamodellen die Projektionen für zukünftige Klimaänderungen verbessern.
Die Temperaturentwicklung über alle Kontinente war innerhalb der Hemisphären gleichförmiger als zwischen Nord- und Südhemisphäre. „Besondere Zeiträume wie die mittelalterliche Klimaanomalie oder die ‚Kleine Eiszeit‘ fallen zwar auf, zeigen aber kein global einheitliches Muster“, sagt Prof. Luterbacher. Um das Jahr 1500 fielen die Temperaturen zwar überall unter das langjährige Mittel – allerdings fand der Temperaturrückgang in der Arktis, Europa und Asien einige Jahrzehnte vor dem in Nordamerika und der Südhemisphäre statt.
Umkehrung des langjährigen Abkühlungstrends
Das einheitlichste Muster über alle Regionen über die letzten 2000 Jahre war ein langjähriger Abkühlungstrend. Dieser wurde wahrscheinlich von einer Kombination verschiedener Faktoren hervorgerufen: Die vulkanische Aktivität höher, die die Sonnenaktivität ging zurück, die Landnutzung änderte sich und die Erdumlaufbahn ändert sich langsam. Diese Abkühlung endete allerdings gegen Ende des 19. Jahrhunderts, die Erwärmung im letzten Jahrhundert war eine deutliche Trendwende. Nur in der Antarktis blieb es kühl. Eine Analyse von dreißigjährigen Durchschnittstemperaturen zeigt, dass der Zeitraum von 1971 bis 2000 wahrscheinlich der wärmste Zeitraum der letzten 1400 Jahre war.
Kühlere Perioden zwischen 830 und 1910 waren besonders zu Zeiten schwacher Sonnenaktivität und starker Vulkanausbrüche in den Tropen ausgeprägt. Beide Phänomene traten häufig simultan auf und führten zwischen 1251 und 1820 zu deutlich reduzierten Temperaturen in fünf unterschiedlichen Abschnitten von zwischen dreißig und neunzig Jahren. Die Erwärmung über das 20. Jahrhundert war im Durchschnitt auf der Nordhalbkugel doppelt so groß wie auf der Südhalbkugel. Allerdings gab es in einigen Regionen durchaus Dreißigjahresabschnitte, die mindestens so warm wie das 20. Jahrhundert waren. So war es vermutlich in Europa zwischen den Jahren 21 und 80 n.Chr. wärmer als von 1971 bis 2000.
Publikation:
„Continental-scale temperature variability during the last two millennia”, PAGES 2k Consortium, Nature Geoscience, online veröffentlicht am 21. April 2013
DOI: 10.1038/NGEO1797
Kontakt:
Prof. Jürg Luterbacher, PhD
Institut für Geographie
Telefon: 0641 99-36210
Dr. Johannes Werner
Institut für Geographie
Telefon: 0641 99-36226
Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten
Geowissenschaften
regional
Forschungsergebnisse
Deutsch
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